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Frage von Martin H. •

Frage an Stefan Müller von Martin H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrter Herr Müller,

ich habe eine Frage an Sie als in den Werten des Grundgesetzes und des Christentums verwurzelten Politikers – eine Frage zur politischen Moral, die weitreichende Konsequenzen hat:

Ist es moralisch vertretbar, wenn manche westliche Länder dem Iran Gewaltmaßnahmen anddrohen für den Fall, dass er eine Atombombe erwirbt? (Ich frage nicht nach dem Völkerrecht – es ist ja klar, dass der Iran jederzeit aus dem Sperrvertrag austreten kann, so wie Israel und Indien, und dann rechtlich einwandfrei Atomwaffen erwerben kann.)

Natürlich ist es aus der Perspektive des Westens und einiger benachbarter Länder wünschenswert, dass der Status quo erhalten bleibt, weil sich durch einen nuklear bewaffneten Iran die strategische Situation ändern würde. Aber ist es nach Ihren und unseren Grundwerten moralisch erlaubt, Gewalt anzuwenden, um die Wünsche des Westens zu erfüllen?

Sicher wird der Iran in der westlichen Presse oft als Aggressor dargestellt, aber in den letzten Jahrzehnten war er vor allem Opfer, zunächst von westlichen Kolonialmächten, und später vom Nachbarland Irak, das 1980 den Iran mit westlicher Unterstützung angiff. Hätte der Iran damals eine effektive Abschreckung besessen, so würden Hunderttausende von Menschen, die diesem Krieg zum Opfer fielen, noch leben.

Würden Sie so weit gehen, zu sagen, dass der Westen gut ist und der Iran böse, und dass deshalb der Westen den Iran angreifen darf, der Iran sich aber keine effektive Abschreckung besorgen darf? Waren die Angriffe auf den Irak im Jahr 2003, und auf den Iran im Jahr 1980 moralisch vertretbar, so dass sie die These vom guten Westen stützen? Darf ein von der westlichen Presse als "böse" verteufeltes Land keine effektive Abschreckung haben?

Diese Fragen werden in der deutschen Öffentlichkeit praktisch nicht behandelt, deshalb wende ich mich direkt an Sie als Politiker.

Mit bestem Dank,
Ihr
Prof. Dr. Martin Haspelmath

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Sehr geehrter Herr Prof. Haspelmath,

an der Frage der Legitimität zwischenstaatlicher Gewalt haben sich seit Hunderten von Jahren Philosophen und Politikwissenschaftler die Zähne ausgebissen. Aus diesem zähen wissenschaftlichen Ringen mit einer höchst komplizierten Materie entstand nichtzuletzt das Völkerrecht, wie wir es heute kennen. Wo früher Konflikte zwischen Mächten in aller Regel kriegerisch, also gewaltsam, ausgetragen wurden, bietet das internationale Recht heute ein nie dagewesenes, auf allgemein anerkannten Werten basierendes Netz von friedlichen Mechanismen zur Konfliktverhütung und --bewältigung. Es ist insofern auch Produkt eines schmerzhaften moralischen Lernprozesses. Das wissen Sie natürlich auch.

Wenn Sie mir nun trotzdem die Frage stellen, wie ich aus einer christlich-moralischen Perspektive zur Frage der Gewaltandrohung gegenüber dem Iran stehe, mir aber gleichzeitig von vorneherein einen Verweis auf völkerrechtliche Prinzipien verwehren, werde ich Ihnen nicht wirklich befriedigend antworten können.

Ich will es aber dennoch versuchen. Der Iran wird derzeit von einem Präsidenten regiert, der (selbst in einem Interview mit dem Zweiten Deutschen Fernsehen) provokativ und wider besseres Wissen den Holocaust leugnet und dem Staat Israel auf aggressive Weise das Existenzrecht abspricht. Gleichzeitig verfolgt der Iran ein äußerst ehrgeiziges Atomprogramm, das nach allem was die internationale Gemeinschaft weiß, nicht nur zivilen Zwecken dient -- und das der iranische Präsident mehr oder minder unverhohlen auch als Drohpotential nutzt. Hinzu kommt die systematische militärische Aufrüstung des Landes und die ostentative Zurschaustellung dieses Potentials, etwa durch Marinemanöver in der Straße von Hormus. Präsident Ahmadinedschad tut dies alles offensichtlich mit Billigung und Rückendeckung der geistlichen Führung seines Landes.

Eine moralische Bewertung dieser Zusammenhänge erspare ich mir. Aber ich kann vor dem Hintergrund dieser wiederholten direkten und indirekten Gewaltandrohungen Irans die tiefe Besorgnis Israels und der westlichen Welt nicht nur nachvollziehen, sondern teile sie. Und dass die internationale Gemeinschaft versucht, dem Iran mögliche Konsequenzen seiner konfrontativen Politik deutlich zu machen, halte ich für richtig.

Dennoch sage ich: Eine gewaltsame "Lösung" dieses Konflikts darf es nicht geben.

Ich hoffe sehr, dass es der internationalen Diplomatie gelingt, den Iran zu einer Rückbesinnung auf die Prinzipien des friedlichen Zusammenlebens zu bewegen und Israel von unüberlegten militärischen Abenteuern abzuhalten. Ohne ein vom Iran als adäquat empfundenes Gegenstück zur eigenen Drohkulisse werden solche diplomatischen Verhandlungsprozesse aber kaum Aussicht auf Erfolg haben.

In diesem Sinn gilt für mich: Alles, was dem Frieden und der Konflikteindämmung dient, ist auch moralisch gerechtfertigt.

Mit freundlichen Grüßen

Stefan Müller