Frage an Stefan Müller von Stephan K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Müller,
In Ihrem heutigen Gastkommentar auf bild.de schreiben sie unter anderem:
"Von 1000 Verdächtigen werden nur noch sieben Personen ermittelt. Das bedeutet: Von 1000 Kriminellen, die im Internet Benutzernamen und Passwörter abfischen, die E-Mail-Konten knacken und bei Online-Auktionen betrügen, die Bankkonten und Kreditkarten leer räumen und die Kinder vergewaltigen und entsprechende Filme im Internet anbieten, können nur sieben identifiziert werden."
Daraus ergeben sich für mich die folgenden Fragen:
- Wie stehen Sie zur freiheitlich demokratischen Grundordnung?
- Wie stehen Sie zu bewährten rechtsstaatlichen Prinzipien, insbesondere der Unschuldsvermutung?
- Was um alles in der Welt treibt einen Bundestagsabgeordneten einer Partei die das Wort "demokratisch" in ihrem Namen trägt dazu, "Verdächtige" mit "Kriminellen" gleichzusetzen?
Sehr geehrter Herr Krause,
vielen Dank für Ihre Nachfrage zu meinem Gastkommentar in der Bild am Sonntag vom 19. September dieses Jahres. Sie gibt mir die Gelegenheit, die von Ihnen hinterfragten Zahlen noch einmal detailliert zu erläutern.
Die in meinem Gastkommentar verwendeten Zahlen haben in den letzten Tagen insbesondere Internetnutzer in erheblichem Maß beunruhigt. Dies zeigen die zahlreichen aber auch vielfältigen Rückmeldungen, die ich hierzu erhalten habe.
Die von mir verwendeten Zahlen stammen unmittelbar vom Präsidenten des Bundeskriminalamtes. Herr Jörg Ziercke hatte sie im Rahmen einer Pressekonferenz am 6. September dieses Jahres in Berlin bekannt gegeben. Sie wurden anschließend auch in Zeitungen veröffentlicht (z. B. in der Rheinischen Post vom 7.September 2010).
Im Nachhinein hat sich allerdings herausgestellt, dass der erschreckend geringe Aufklärungswert (7 von 1000) zwar aus einem aktuellen Ermittlungsverfahren stammt, in dieser Form jedoch nicht verallgemeinerungsfähig ist. In anderen Ermittlungsverfahren konnte eine höhere Anzahl von Tatverdächtigen ermittelt werden, so dass die Aufklärungsquote derzeit insgesamt bei knapp über 20 % liegt. Selbstverständlich gilt in diesem Zusammenhang natürlich auch für alle Tatverdächtigen die Unschuldsvermutung.
Ergänzend möchte ich Ihnen aber auch mitteilen, dass meine politische Forderung der Wiedereinführung der Vorratsdatenspeicherung selbstverständlich nicht im Widerspruch zur freiheitlich demokratischen Grundordnung steht. Im Gegenteil, das Bundesverfassungsgericht hat in einer Vielzahl von Entscheidungen die wirksame Aufklärung gerade schwerer Straftaten als einen wesentlichen Auftrag des staatlichen Gemeinwesens hervorgehoben (vgl. BVerfG Urteil v. 12.03.2003 - 1 BvR 330/96 und 1 BvR 348/99; BVerfGE 107, 299, 316 m. w. N.). Auch die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 02. März 2010 (Az.: 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08) stellt klar, dass grundsätzlich eine Vorratsdatenspeicherung mit dem Grundgesetz vereinbar ist. Nur die bisherige, konkrete Ausgestaltung durch den Gesetzgeber verstoße gegen die Verfassung.
Sie können daher vielleicht nachvollziehen, dass ich an meiner Forderung, die Vorratsdatenspeicherung umgehend wieder einzuführen, festhalte.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Müller, MdB