Frage an Stefan Müller von Michael B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Müller!
Von der "KNA Katholische Nachrichten-Agentur" (1) werden Sie mit den Worten zitiert, dass Sie ein Burka-Verbot ablehnen weil es so wenige Burka-Trägerinnen in Deutschland gebe.
Bitte teilen Sie mir Ihre Meinung mit, ab welcher Anzahl von Burka-Trägerinnen Sie ein Verbot unterstützen würden.
Hintergrund der Frage ist sicherzustellen das es nicht irgendwann umgekehrt lapidar heißt: "Nun sind es so viele, nun können wir auch nichts mehr machen".
Freundliche Grüße
Bartsch
(1) http://www.kna.de/webnews/kwn09/20100820-BD-1353.39RO-1.html
Sehr geehrter Herr Bartsch,
vielen Dank für Ihre Anfrage vom 21. August dieses Jahres zu einem möglichen Verbot der Burka in Deutschland bei http://www.abgeordnetenwatch.de.
Ich teile Ihre Einschätzung, dass bei der Entscheidung über eine Einführung oder Nichteinführung eines Verbotes der Burka in Deutschland nicht ausschließlich auf die Zahl der Burka-Trägerinnen in Deutschland abgestellt werden sollte. Selbstverständlich ist es aber aus politischer Sicht von besonderer Bedeutung, ob es viele oder nur eine geringe Anzahl von Burka-Trägerinnen in Deutschland gibt und ob sich beispielsweise ein entsprechender Trend hin zur Burka abzeichnet.
Dies wird auch aus meinen weiteren Ausführungen in der von Ihnen zitierten Pressemitteilung der Katholischen Nachrichtenagentur deutlich. Aus meiner Sicht entspricht das Tragen einer Burka weder dem christlich aufgeklärtem Menschenbild, noch zeugt es von einer Gleichberechtigung der Frau. Nichtsdestotrotz fällt das Tragen der Burka aus religiös motivierten Gründen in den grundgesetzlich garantierten Schutzbereich der Religionsfreiheit (vgl. Art. 4 Abs. 1 GG). Ein vollständiges Verbot der Burka käme daher bereits in Deutschland aus verfassungsrechtlichen Gründen nur dann in Betracht, wenn andere Rechtsgüter von Verfassungsrang einen solchen Eingriff dauerhaft rechtfertigen würden. Entsprechende Rechtsgutachten haben dies für ein grundsätzliches Verbot bisher deutlich im Ergebnis verneint.
Hinzu kommt, dass ich ein Burka-Verbot auch integrationspolitisch für ein völlig falsches Signal halte. Die christlich-liberale Koalition macht sich gerade für ein Zusammenleben von Respekt, gegenseitigem Vertrauen, Zusammengehörigkeitsgefühl und gemeinsamer Verantwortung stark. Allen Bürgerinnen und Bürgern – mit oder ohne Migrationshintergrund – sollen die Chancen eines weltoffenen Landes eröffnet und ihre gesellschaftliche, wirtschaftliche und kulturelle Teilhabe ermöglicht werden. Dafür erwarten wir in gleicher Weise die Aufnahmebereitschaft der deutschen Gesellschaft und die Integrationsbereitschaft der Zuwanderer. Dieser Ansatz hat bereits in den vergangenen Jahren erste vielversprechende Ergebnisse gezeigt. Die jährlichen Integrationsberichte der Bundesbeauftragten für Migration, Flüchtlinge und Integration, Frau Prof. Dr. Maria Böhmer MdB, zeigen jedoch auch auf, dass noch vieles auf diesem Gebiet verbessert werden kann. Dies ist Ansporn für unsere tägliche politische Arbeit.
Auch wenn mir durchaus einzelne ultrakonservative, islamistische Bestrebungen in Deutschland bekannt sind, vermag ich keinen Trend hin zum Tragen einer Burka zu erkennen. Vielmehr überwiegt aus meiner Sicht bei der überwältigenden Mehrheit der Menschen mit Migrationshintergrund das Streben nach gesellschaftlicher Teilhabe. Dies zeigt beispielsweise auch die seit Jahren steigende Zahl von Teilnehmern an vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge organisierten Integrations- und Sprachkursen. Ich halte daher die politische Forderung nach einem Verbot der Burka in Deutschland derzeit für verfehlt.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Müller