Frage an Stefan Kaufmann von Shimon D. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Sehr geehrter Herr Kaufmann,
Ich möchte erst ein bisschen Kontext zu meinen Fragen geben:
1. Ich bin 35 Jahre Alt, aus Stuttgart, Vollzeit als Softwareentwickler seit mehr als 6 Jahre beschäftigt. Bis meine Ruhezeit, wenn alles gut läuft, würde ich über 600 000 EUR Steuer kumulativ bezahlen, von meinem Lohn allein.
2. Man braucht für ein kleines Haus in Stuttgart über 1 Million EUR. Mit meinem deutlich überdurchschnittlichen Lohn kann ich davon nur träumen.
3. Ich habe mir überlegt wie kann ich mehr Geld verdienen, damit ich auch ein Haus kaufen kann, und ich habe mir ein Trading Bot entwickelt, damit ich ein bisschen passiv Einkommen bekomme.
Neulich habe ich erfahren, dass es ab 01.2021 ein neue Gesetz in Kraft gekommen ist, das sagt dass Verluste von Termingeschäfte dürfen nur bis 20 000 EUR verrechnet werden, egal ob man am Ende Gewinn oder Verlust gemacht hat. Da ich über den Gesetz bis jetzt noch nicht wusste, habe ich soweit die Grenze deutlich überschritten. Ich bin ungefähr am break-even, aber wenn ich nichts mehr treibe, würde sich ergeben, dass ich am Ende 2021 ungefähr 12000 EUR extra Steuer wegen des Tradings bezahlen muss, obwohl ich kein Gewinn erwirtschaftet habe. Wie kann das sein? Wie fair finden Sie das? Ist das eine Strafe? Was habe ich gemacht um so eine Strafe zu bekommen? Das hat mich einige Panik-Attacks verursacht, als Sie sich vorstellen können.
Denken Sie dass es ein gute Gesetz ist, das es mehr Steuer in dem Fiskus bringt? Was ist das reale Grund für dieses Nonsense?
Ich kann Ihnen sagen dass ich werde mich gegen diese absolute Ungerechtigkeit wehren, aber der Schaden wurde schon getan. Was Sie mit dem Gesetz erreicht haben, ist nichts anders als mich zu einer Auswanderung nach der Schweiz gezwungen. Dort haben die Gesetzgeber offensichtlich mehr Commonsense.
Schade, dass ich so Deutschland verlassen muss. Sind Sie stolz davon?
Viele Grüße,
Shimon Drakovich
Sehr geehrter Herr Drakovich,
vielen Dank für Ihre E-Mail.
Mit der entsprechenden Änderung des Einkommensteuergesetzes sollte insbesondere in der Praxis bekannt gewordenen Gestaltungen begegnet werden. Die alte Ausnahmeregelung des § 32d Absatz 2 Nummer 1 Buchstabe b EStG wurde vermehrt dazu genutzt, künstlich erzeugte Verluste in voller Höhe mit tariflich versteuerten Einkünften zu verrechnen. Den Verlusten lagen meist korrespondierende positive Kapitalerträge zu Grunde, die jedoch nicht unter die Ausnahmeregelung des § 32d Absatz 2 EStG fallen, sondern dem günstigen Abgeltungsteuertarif unterliegen. Dem Gesetzgeber ging es also darum, eine Regelungslücke zu schließen, die bisher in der Praxis als Steuersparmodell fungiert hatte.
Ich befürworte, dass die Bürgerinnen und Bürger auch an den Kapitalmärkten für ihr Alter vorsorgen. Privaten Anlegern würde ich nur mit allergrößter Vorsicht zu den komplexen Termingeschäften raten. Wer sich in dieses Feld begibt, sollte vertiefte Kenntnisse erworben haben. Dazu gehört auch, sich über geänderte steuerliche Rahmenbedingungen zu informieren.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Stefan Kaufmann