Frage an Stefan Kaufmann von Judit S. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Kaufmann
am 01.10.15 stimmt der Deutsche Bundestag über die Abschaffung aller Sanktionen und Leistungseinschränkungen im SGB II und SGB XII ab.
Betrachten wir die schwerwiegenden Folgen von Sanktionen:
Familien mit Kindern oder einzelne Leistungsberechtigte, ohne gesunde, ausgewogene Ernährung, ohne Strom, ohne Heizung, gefährdet in die Obdachlosigkeit abzugleiten, der Existenzangst ausgesetzt, Menschen, die bereits wegen behördlichen Versagens verhungerten usw. usf. ....
Ja schon die Androhung von Kürzung des Minimum-zum-Leben erzeugt Existenzängste, die als Angst vor Hartz IV bis hinein zu Erwerbstätigen disziplinierend wirkt.
Ich halte solches absolut unverhältnismäßiges Strafen für schwarze Pädagogik sowie die Androhung einer solch maßlosen Strafe für weiße Folter und finde ein System, welches auf Belohnung statt auf Strafe aufbaut wesentlich zeitgemäßer.
"Die Würde des Menschen ist unantastbar". In diesem Sinne sind stigmatisierende Lebensmittelgutscheine unakzeptabler Rückschritt in eine Zeit der Almosen für Bedürftige.
Diese Gutscheine sind zudem eine Kann-Leistung ohne Garantie, die in zutiefst demütigender Weise obendrein bei dem Sachbearbeiter beantragt werden müssen, der die Betroffenen in die Mittellosigkeit gestürzt hat.
Darum meine Frage an Sie: Wie ist ihre Haltung zu den Sanktionen in Hartz IV und wie werden Sie am 01.10.15 im Bundestag abstimmen?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte Frau Sauer,
Menschen, die auf unterschiedliche Weise in Not geraten, erhalten staatliche Unterstützung. So wird ihnen insbesondere der Regelbedarf gewährt. Neben dem Bedarf für Wohnen, der Hauptbestandteil zur Sicherung des Lebensunterhalts ist, umfasst der Regelbedarf Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Haushaltsenergie sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens. Zusätzlich sollen durch die Leistungen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) erwerbsfähige Leistungsberechtige bei der Aufnahme einer Erwerbstätigkeit unterstützt werden. Dies wiederum kann dazu führen, dass Betroffene ihren Lebensunterhalt selbstständig bestreiten können. Das ist das Ziel unserer Arbeitsmarktpolitik.
Die Unterstützungsmöglichkeiten sind damit an Forderungen verknüpft. Das sogenannte „Prinzip des Förderns und Forderns“ drückt damit aus, dass eine leistungsberechtigte Person, die mit dem Geld der Gemeinschaft in einer Notsituation unterstützt wird, mithelfen muss, ihre Situation zu verbessern. Das Einfordern von eigenen Anstrengungen zählt zu den Grundprinzipien bedarfsabhängiger und am Fürsorgeprinzip orientierter Sozialleistungen. Dieser Selbsthilfegrundsatz ist gesellschaftlich anerkannt und auch verfassungsrechtlich begründbar. Die Mitwirkung von Leistungsberechtigten ist ein allgemeines Prinzip im Sozialleistungsrecht. Wiederholte Verstöße gegen die Selbsthilfe führen daher zu Sanktionen.
Die bestehenden Sanktionsregelungen verstoßen weder gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums noch gegen das Recht auf körperliche Unversehrtheit. Um dies zu gewährleisten, ist nach der bestehenden Rechtslage vorgesehen, (ergänzende) Sachleistungen oder geldwerte Leistungen - etwa durch Ausgabe von Lebensmittelgutscheinen - zu erbringen.
Solidarität versteht sich als Einstehen für andere in unverschuldeten Notlagen, aber nicht als eine dauerhafte Subventionierung. Wir wollen die Spirale vermeiden, die durch eine bedingungslose Sozialleistung zwangsläufig in die Abhängigkeit vom sozialen Transfersystem führt. Vielmehr besteht unser Ziel darin, Menschen durch ihr eigenes Tun eine Perspektive zu geben. Die Forderungen der Oppositionsfraktionen können wir daher nicht mittragen.
Abgesehen davon beraten wir derzeit über Änderung der Sanktionsregelungen im Zusammenhang mit dem Eingliederungsprozess.
Vor dem Hintergrund der gemachten Ausführungen, werden die Anträge, soweit sie auf die Abschaffung aller Sanktionsregelungen ausgerichtet sind, am 1. Oktober 2015 im Bundestag von uns abgelehnt.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Kaufmann