Frage an Stefan Kaufmann von Peter S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Kaufmann,
die Presse berichtet, dass die Bundesregierung einen Entwurf zur Neufassung des Telekommunikationsgesetzes (TKG) verabschiedet hat. Dieser Entwurf sieht u. a. vor, daß staatlichen Stellen (also Polizei, Justiz, Ordnungsämtern usw.) von Anbietern von Telekomunikationsdiensten (Mobilfunkbetreiber, Emailprovider, Internetprovider) die von ihren Kunden verwendeten Passwörter (Handy-PIN, Emailkonto-Passwort usw.) auf Anfrage mitgeteilt werden müssen. Die Kosten dafür haben die Kunden (über ihre Anbieter) zu tragen.
Oder kurz: Die Bundesregierung plant, per Gesetz Unternehmen zur Herausgabe der Kundenpasswörter zu zwingen - auch ohne richterlichen Beschluß.
Dazu habe ich einige Fragen:
1.) Da Sie in der Vergangenheit ausnahmslos jeden Gesetzesentwurf und Antrag der Bundesregierung durch Ihre Abstimmung unterstützt haben und dabei sicher davon ausgegangen sein werden, damit im Sinne und im Auftrag der Bürger in Ihrem Wahlkreis zu handeln, frage ich Sie: Werden Sie auch diesem Gesetzesentwurf Ihre Stimme geben?
2.) Sofern Sie meine erste Frage positiv beantworten: Glauben Sie in diesem Fall tatsächlich, dass Sie hier einem verfassungsgemäßen Gesetzesentwurf Ihre Stimme geben? Sind Sie tatsächlich der Meinung, das BVerfG würde ein solches Gesetz nicht sofort wieder als ungültig, da eindeutig verfassungsfeindlich, erklären?
3.) Inwieweit erinnert Sie der Gesetzesentwurf an George Orwells Meisterwerk "1984"?
Vielen Dank für Ihre ANtworten!
Mit freundlichen Grüssen,
Peter Sawosky
Sehr geehrter Herr Sawosky,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Gerne will ich Ihnen zunächst prinzipiell erläutern, warum es in parlamentarischen Systemen nicht ungewöhnlich ist, wenn Abgeordnete der Regierungsfraktionen in der überwiegenden Zahl der Fälle den Regierungsentwürfen zustimmen.
CDU, CSU und FDP tragen die Bundesregierung. Die Regierungsmitglieder sind gleichzeitig Mitglieder dieser Parteien und zum größten Teil auch Fraktionsmitglieder. Ich selbst bin aus politischer Überzeugung Mitglied in der CDU. Insofern ist es erst einmal nicht verwunderlich, dass eine inhaltliche Nähe zu den Positionen der CDU-geführten Bundesregierung besteht. Sollte ich dennoch mit einem Regierungspositionen nicht einverstanden sein, bringe ich meine Zweifel in die Gremien im Deutschen Bundestag ein. Kaum ein Regierungsentwurf passiert den Deutschen Bundestag ohne Änderung. Meistens werden die Probleme gelöst und ich kann dem Gesetz zustimmen.
Auch der Entwurf zur Änderung des Telekommunikationsgesetz wird in den zuständigen Ausschüssen des Bundestags beraten, bevor endgültig darüber abgestimmt wird. Hier werde ich in enger Abstimmung mit meinen zuständigen Fachkollegen darauf pochen, dass dem Datenschutz Rechnung getragen wird. Ob ich dem Gesetzentwurf zustimme, weiß ich Stand heute noch nicht.
Inhaltlich ist es mitnichten so, dass der Entwurf den staatlichen Behörden mehr Rechte beim Zugriff auf Kundendaten der Telekommunikationsanbieter einräumt als bisher. Das Gesetz in seiner jetzigen Fassung erlaubt dies den Sicherheitsbehörden bereits heute. Dies geht auf eine Änderung der damaligen rot-grünen Bundesregierung zurück. Hiergegen wurde vor dem Bundesverfassungsgericht geklagt. Das Bundesverfassungsgericht hat dann zu Beginn des Jahres entschieden, dass die gesetzliche Grundlage für den Zugriff von Ermittlungsbehörden auf Telefon- und Internetdaten teilweise verfassungswidrig ist. Mit dem Gesetzentwurf wird klargestellt, in welchen Fällen welche Zugriffsrechte gelten. Das heißt, wir bessern ein teilweise verfassungswidriges und unter Rot-Grün zustande gekommenes Gesetz nach. Die rechtliche Klarstellung, welche Behörde was genau wann tun darf, ist auch im Sinne des Datenschutzes. Das Bundesverfassungsgericht hat hierzu übrigens in seinem Urteil auch konkrete Vorgaben gemacht.
Es tut mir sehr leid - aber den Vergleich zu George Orwell kann ich aufgrund dieser Fakten nur sehr schwer herstellen.
Gerne stehe ich Ihnen in dieser Sache auch persönlich Rede und Antwort. Bitte wenden Sie sich doch bei Interesse zur Terminvereinbarung an mein Wahlkreisbüro (Tel. 0711/ 90 72 99 10)
Beste Grüße
Ihr Stefan Kaufmann