Frage an Stefan Kaufmann von Steffen E. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Kaufmann,
die Einführung einer Finanztransaktionssteuer wird als Allheilmittel zur Bekämpfung der Finanz- bzw. Staatsschuldenkrise dargerstellt. Mit dieser
Steuer könnten endlich die Verursacher dieser Krise zur Kasse gebeten werden. Allerdings sollte man genauer prüfen, wie dieses Ziel erreicht werden kann. Die Einführung einer solchen
Steuer auf Finanztransaktionen ist mE der falsche Weg und würde hauptsächlich die Liquidität verringern und die Volatilität erhöhen, sprich crashartige Verläufe
würden vermehrt auftreten, da weniger Kapital aufgewendet werden muss, um (möglicherweise auch bewusst ausgelöste) Schwankungen hervorzurufen. Dies ist im übrigen wirtschaftswissenschaftliches Standartwissen.
Die Problematik der Finanztransaktionssteuer wird in einem Blogbeitrag von Birger Schäfermeier, selbstständiger Aktienhändler, mE sehr gut und objektiv dargestellt ( http://www.tradac.de/wordpress/?p=21 ).
Die Steuer würde hauptsächlich vom Privatmann gezahlt (Umlage) und so den Konsum verringern und die Altersvorsorge verteuern.
Zudem möchte ich noch kurz auf das eigentliche Problem eingehen: Die jetzige Staatsschuldenkrise wurde u.a. durch die Rettung der "too big to fail" Banken in den Jahren 2008/2009 ausgelöst. Für mich stellt sich nun die Frage, warum man nun nicht an der Wurzel des Übels die Reparaturarbeiten ansetzt; sprich die Eigenkapitalanforderungen, stärker noch als in Basel III vorgesehen, verschärft. Ziel müsste es sein, dass Verluste durch Fehlspekulationen der Banken vom Eigenkapital aufgefangen werden und, sollte dies nicht ausreichen,
eine Bank auch in die Insolvenz geschickt werden kann. Gegen die Spekulation (im Rahmen der Gesetze) an sich ist mE nichts einzuwenden. Ganz im Gegenteil bildet sie eine gesellschaftlich gewollte Stütze wirtschaftlicher Prosperität durch die Animierung Kapital für Innovation und Wachstum bereitzustellen.
Herr Dr. Kaufmann, welche Meinung vertreten Sie bzgl. einer Finanztransaktionssteuer
Sehr geehrter Herr Ernst,
vielen Dank für Ihre Frage zur Finanztransaktionssteuer. Bitte entschuldigen Sie, dass Sie länger als üblich auf eine Antwort warten mussten. Ich habe erst heute bemerkt, dass Ihre Frage noch offen ist; die dazu gehörige E-Mail von Abgeordnetenwatch ist mir abhanden gekommen.
Nun aber zu Ihrer Frage: Wie Sie vielleicht wissen, hat die Börse Stuttgart – die zweit größte deutsche Börse - ihren Sitz in meinem Wahlkreis. Die Börse Stuttgart ist ein bedeutender Arbeitgeber und Steuerzahler und zugleich in der Region Stuttgart stark sozial engagiert.
Ausgangspunkt der Überlegungen zu einer Steuer auf Finanzgeschäfte ist die Absicht, diejenigen zu belasten, die die aktuelle Finanz- und Staatsschuldenkrise mit verursacht haben. Dieses Ziel halte ich selbstredend für unterstützenswert. Ich stelle es jedoch grundsätzlich in Frage, ob „durchschnittliche“ deutsche Privatanleger - die an einem der inländischen Börsenplatze mit überschaubaren Ordersummen in Höhe von 5 bis 10 Tausend Euro zur langfristigen Anlage oder auch zur kurzfristigen Spekulation Wertpapiere handeln - ursächlich für die europaweite Finanz- und Staatsschuldenkrise (vornehmlich in Südeuropa) sein können.
Der Wertpapierhandel an den deutschen Börsen ist durchweg intensiv und streng staatlich reguliert. Es bestünde durch eine Steuer, die Privatanleger zu tragen haben, mithin die Gefahr, dass die Falschen getroffen werden.
Eine verantwortungsvolle Gestaltung einer Besteuerung von Finanzgeschäften müsste daher Ausnahmetatbestände für Privatanleger vorsehen und auf jeden Fall europaweit einheitlich gelten. Kapital ist sehr beweglich. Eine Steuer nur in einem Teil der EU-Länder würde daher meiner Erkenntnis nach zu erheblichen Kapitalströmen in Länder führen, die keine Besteuerung vorsehen.
Was die Eigenkapitalanforderungen der Banken nach Basel III angeht, so vertrete ich die Auffassung, dass die ab 2013 geltenden Regelungen durchaus in der Lage sind, den in der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise offengelegten Schwächen der bisherigen Bankenregulierung zu begegnen.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantworten. Ich stehe Ihnen jederzeit als Ansprechpartner zur Verfügung.
Bitte zögern Sie daher nicht, mich zu kontaktieren. Sie erreichen mich stets per E-Mail an stefan.kaufmann@bundestag.de .
Mit den besten Grüßen
Stefan Kaufmann