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Frage von Sascha H. •

Frage an Stefan Kaufmann von Sascha H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Kaufmann,

am 23.01.2012 haben die EU-Finanzminister beschlossen, den ESM bereits Mitte 2012 einzurichten.

Meine erste Frage an Sie:
Wie fühlen Sie sich als freigewählter Abgeordnete des Deutschen Bundestages, wenn sie hier vor vollendete Tatsachen gestellt und nicht einmal mehr um Zustimmung gefragt werden?

Der im ESM vorgesehene Gouverneursrat kann das Grundkapital des ESM in Höhe von zunächst €700.000.000.000 unbegrenzt und jederzeit anheben.

Meine zweite Frage an Sie:
Werden sie dem deutschen Ratifizierungsgesetz des ESM auch mit dem Wissen zustimmen, daß das Grundkapital des ESM unbegrenzt und jeder Zeit angehoben werden kann?

Der ESM, seine ausführenden Organe und alle seine Vermögensmittel unterliegen einer absoluten und uneingeschränkten Immunität. Es ist also nicht möglich, die Organe des ESM in irgend einer Weise gerichtlich zu belangen oder zu überprüfen. Alle Unterlagen des ESM unterliegen ebenfalls einer absoluten Immunität. Hier gilt das dasselbe.

Meine dritte Frage an Sie:
Absolute Immunität kenne ich nur aus Zeiten der Feudalherrschaft. Werden Sie als freigewählter Abgeordneter des Deutschen Bundestag einem deutschen Ratifizierungsgesetz zustimmen, welches eine absolute Immunität des ESM und all seiner Organe mit einschließt und sie deshalb jeder wie auch immer gearteten rechtlichen Überprüfung entzieht?

Meine abschließende Frage an Sie:
Laut Vertragsentwurf soll eine überstaatliche, jeder Kontrolle entzogene (Immunität) Institution aufgebaut werden, die von Deutschland Geldmittel in unbegrenzter Höhe fordern kann. Warum höre ich von Ihnen als frei gewählten Abgeordneten des Deutschen Bundestages eigentlich nicht ein einziges Wort zu diesem Thema? Warum positionieren sie sich nicht rechtzeitig und für den Wähler nachvollziehbar rechtzeitig vor anstehenden Abstimmungen zum Thema im allgemeinen und zum ESM im speziellen?

Mit freundlichen Grüßen,

Sascha Herzog

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Sehr geehrter Herr Herzog,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Gerne will ich Ihnen antworten.

Zunächst einmal möchte ich feststellen, dass der ESM nicht isoliert von den anderen, ebenso wichtigen Bausteinen für eine dauerhaft stabile Währungsunion betrachtet werden sollte. Eine Währungsunion kann nur funktionieren, wenn jedes Mitgliedsland aus eigener Kraft solide wirtschaftet und wettbewerbsfähig ist. Ein fundamentaler Baustein im neuen Regelungsgefüge Europa ist neben dem ESM daher auch der am 30. Januar von den Staats- und Regierungschefs fast aller Mitgliedstaaten beschlossene Fiskalvertrag, der insbesondere die Einführung von verpflichtenden Schuldenbremsen nach deutschem Vorbild enthält.
Es ist in keiner Weise so, dass wir mit dem ESM unsere Verpflichtung für einen verantwortungsvollen Umgang mit deutschen Steuergeldern aus der Hand geben. Der Deutsche Bundestag wird seine Haushaltsverantwortung im Zusammenhang mit dem ESM in vollem Umfang wahrnehmen. Etwas anderes würde auch das Bundesverfassungsgericht nicht zulassen. Im Gegenteil hat das Bundesverfassungsgericht die Rechte des Parlaments in diesem Zusammenhang im vergangenen Jahr entscheidend gestärkt.

Der Deutsche Bundestag muss also den ESM-Vertrag durch ein Zustimmungsgesetz ratifizieren und den deutschen Beitrag zum Stammkapital des ESM genehmigen.
Der Deutsche Bundestag oder seine Gremien werden aber auch danach bei allen Entscheidungen einbezogen, wenn dies die Haushaltsverantwortung des Deutschen Bundestages erfordert. Dies gilt insbesondere für die Entscheidungen, einem in Not geratenen Euro-Mitgliedstaat eine Finanzhilfe zu gewähren. Die konkreten Beteiligungsrechte werden in einem Gesetz zur Umsetzung des ESM-Vertrags geregelt, das derzeit vorbereitet wird.
Im ESM-Vertrag ist vorgesehen, dass das maximale Darlehensvolumen und die Angemessenheit des genehmigten Stammkapitals regelmäßig überprüft werden. Änderungen erfordern einen einstimmigen Beschluss des Gouverneursrats, in dem die Mitgliedstaaten durch ihre Finanzminister, welche die gewählten Regierungen der Eurostaaten repräsentieren, vertreten sind. Deutschland verfügt auf Grund des Einstimmigkeitserfordernisses jederzeit über ein Vetorecht; ein Beschluss gegen die Stimme Deutschlands ist also nicht möglich.

Für eine Erhöhung des genehmigten Stammkapitals wäre in Deutschland eine erneute gesetzliche Regelung mit Abstimmung im deutschen Bundestag erforderlich. Artikel 10 Absatz 1 ESM-Vertrag sieht hierzu ausdrücklich vor, dass ein Beschluss des Gouverneursrats zur Änderung des Kapitals erst in Kraft tritt, nachdem die jeweils erforderlichen nationalen Verfahren zur Umsetzung des Beschlusses abgeschlossen sind. Es wird also keine überstaatliche, jeglicher demokratischen Kontrolle entzogene Instanz geschaffen.

Sehr geehrter Herr Herzog, abschließend möchte ich Ihnen noch einige Punkte zu meinen persönlichen Schwerpunkten in der parlamentarischen Arbeit mitteilen. Ich arbeite insbesondere in den Ausschüssen für Bildung, Forschung und Technikfolgeabschätzung; Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie im Petitionsausschuss und betreue dort eine Vielzahl von Themen. In den Fraktionssitzungen bin ich an den Beratungen zur Eurorettung beteiligt. Die Haushaltsexperten meiner Fraktion haben bei diesen Beratungen schon die Vorarbeit in den Arbeitsgruppensitzungen und Ausschusssitzungen geleistet. Diese Arbeitsteilung führt dazu, dass ich mich später als mancher Finanzpolitiker positioniere. Im Grundsatz habe ich mich schon mehrfach öffentlich zu dem Themenkomplex geäußert und erläutert, warum ich den grundsätzlichen Kurs der Bundesregierung grundsätzlich mittrage, wie es im Übrigen fraktionsübergreifend die allermeisten Bundestagsabgeordneten tun.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Stefan Kaufmann

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