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Stefan Kaufmann
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Frage von Jörg W. •

Frage an Stefan Kaufmann von Jörg W. bezüglich Wirtschaft

Sehr geehrter Herr Kaufmann,
ich hoffe es geht Ihnen gut.

Über Ihr Abstimmungsverhalten zum EURO-Rettungsschirm, geben Sie folgende Antwort:

"Mein Abstimmungsverhalten im Bundestag mache ich vom Wohl der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes abhängig. Wenn ich nach menschlichem Ermessen zu der Überzeugung gelange, dass die Hilfen notwendig sind, um die Bürgerinnen und Bürger auch meines Wahlkreises vor größerem Schaden zu bewahren, werde ich zustimmen. Derzeit handelt es sich bei den Zusagen um ein Signal an die Finanzmärkte, dass die Europäische Union nicht gewillt ist, Wetten auf die Zahlungsunfähigkeit ihrer Mitglieder zu akzeptieren."

Haben Sie sich entschieden?

Sie sollten aber bedenken, dass es hier nicht um Wetten geht. Es sind Investmentbanker, die das Geld ihrer Kunden vermehren wollen. Sie investieren dort, wo sie Geld verdienen können.

Sie müssen aber kein Investmentbanker sein, um zu sehen, dass Griechenland nicht mehr zu retten ist. Die deflationäre Entwicklung der Wirtschaft trifft auf eine nicht wettbewerbsfähige Industrie. Die Kriseninstrumente der EU verstärken die deflationäre Entwicklung. Dies gilt übrigends auch für Portugal.

Somit werden die "Zusagen" verbindlich.

Gestern ist der EZB-Chefvolkswirt Jürgen Stark zurückgetreten. Der Grund dafür waren die Aufkäufe von italienischen und spanischen Staatsanleihen, um die Zinsenkosten für diese Länder zu reduzieren. Aber Italien will nicht sparen. Der Markt erkennt dies und die Zinsen für italienische Staatsanleihen sind wieder gestiegen. Die Notenbanken sind somit Teil des Problems und nicht der Lösung, wenn sie im Dienst der Politik stehen.

Mit den bisherigen Massnahmen entsteht in der gegebenen Verschuldungslage eine Deflation, in der Schulden das größte Übel sind. Durch den EURO-Rettungschirm und die Umverteilung der EZB wird Deutschland seine Schulden weiter erhöhen.

Denken Sie bei Ihrer Entscheidung bitte an die nachfolgenden Generationen.

Mit freundlichen Grüßen

Jörg Willmann

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Sehr geehrter Herr Willmann,

vielen Dank für Ihre Frage zum Euro-Rettungsschirm, also zum Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen, der unter anderem die Ausweitung der deutschen Beteiligung am Euro-Stabilisierungsfonds EFSF vorsieht.

Ich habe heute bei der namentlichen Abstimmung im Deutschen Bundestag für den Gesetzesentwurf gestimmt. Insgesamt waren 523 Abgeordnete von CDU/CSU, FDP, SPD und Bündnis 90/Die Grünen für das Gesetz, nur 85 Abgeordnete haben dagegen gestimmt; 3 Kollegen haben sich enthalten.

Ich habe mir die Entscheidung nicht leicht gemacht. Das Für und Wider habe ich ausgiebig abgewogen und mich in zahlreichen Gesprächen mit Wissenschaftlern und Experten aus der Praxis kontrovers mit dem künftigen Rettungsschirm auseinandergesetzt. Die Gründe für meine Entscheidung heute waren folgende:

- Es geht nicht um die Frage, ob etwa Griechenland eine weitere Hilfstranche ausgezahlt bekommt. Es geht vielmehr darum, dass wir einen besseren Schutz gegen das Übergreifen der Verschuldungskrise auf die Finanz- und Realwirtschaft errichten. Mit der Ertüchtigung des Rettungsschirms gehen wir einen weiteren wichtigen Schritt, um Ansteckungseffekte in der Währungsunion gezielt bekämpfen zu können.

- Wir verschaffen dem Deutschen Bundestag weitreichende Befugnisse, um die finanzielle Kontrolle zu intensivieren und die demokratische Legitimität der Rettungsmaßnahmen zu verbreitern. Künftig gilt: Der Deutsche Bundestag muss Anträgen auf Notmaßnahmen, Änderungen an mit den Schuldnerländern getroffenen Vereinbarungen sowie Anpassungen am Rettungsschirm zustimmen. Für Fälle besonderer Eilbedürftigkeit oder Vertraulichkeit wird ein eigens gewähltes Gremium aus Mitgliedern des Haushaltsausschusses eingerichtet. Damit steht fest: Ohne Zustimmung des Deutschen Bundestages erfolgen keine Zahlungen. Es gibt keinen Automatismus. Und auch eine Hebelung wird es nicht geben. Dies hat Wolfgang Schäuble heute im Plenum nochmals ausdrücklich bestätigt.

- Durch die Aufstockung des deutschen Haftungsanteils von 123 auf rd. 211 Milliarden Euro sichern wir die Spitzenbonität des Rettungsschirms. Das macht die Finanzierung von Hilfsmaßnahmen leichter und kostengünstiger. Außerdem steht die Spitzenbonität für die Zuverlässigkeit und Solidität der Währungsunion. Auch die anderen Euroländer sind bereit, dazu ihren nationalen Bürgschaftsrahmen aufzustocken.

- Mit den beschlossenen Maßnahmen geht es um den Schutz unserer Wirtschaft und Währung. Entscheidend für mich ist auch gewesen: Niemand bekommt Geld ohne eigene Anstrengungen, d.h. strenge Sparmaßnahmen.

Ich bin mir bewusst, dass auch die von der Koalition gefundene - und von den Fraktionen der SPD und Grünen mitgetragene - Entscheidung Risiken birgt. Allerdings muss auch bedacht werden, welche Alternativen uns zur Verfügung standen. Ein schlichtes Nein, ohne zu wissen, wie die Krise anders bewältigt werden kann, kam für mich nicht in Betracht. Zudem muss klar sein, dass ein Nein zur Ertüchtigung des EFSF die gesamte Europäische Union in Frage gestellt hätte. Als überzeugter Europäer teile ich die Auffassung Angela Merkels, die sagte: „Wenn der Euro scheitert, scheitert Europa“.

Mit einer Position, die keine Alternative zu dem von uns heute eingeschlagenen Weg aufzeigt, verspielen wir das Vertrauen sowohl in die Regierung als auch das Vertrauen, das von den anderen EU-Staaten und weit darüber hinaus in Deutschland gesetzt wird. Gerade Deutschland hat seit Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft eine besondere Verantwortung für Europa. Dieser Verantwortung müssen wir uns in dieser schwierigen Zeit stellen.

Klar ist aber auch, dass der Weg Europas nicht in eine Schuldenunion führen kann. Deshalb bleibt es beim klaren Nein der Koalition zu Euro-Bonds. Dies unterscheidet uns im Übrigen von SPD und Grünen. Auch vor diesem Hintergrund war von jedem Einzelnen sehr genau abzuwägen, ob er mit den Koalitionsfraktionen für den Gesetzentwurf stimmt oder dagegen. Wenngleich es nur ein Randargument ist, so bleibt doch festzuhalten, dass die Frage der Zustimmung zum Gesetzentwurf bzw. zur Erweiterung des EFSF spätestens heute Vormittag von einer Abstimmung über die Sache zu einer Abstimmung über die Kanzlerschaft Angela Merkels mutierte. Die Frage, ob wir dem EFSF-Änderungsgesetz zustimmen oder nicht wurde von Medien und Opposition auf eine machtpolitische Frage reduziert. Auch dies wollte bei dieser Abstimmung bedacht sein.

In der Sache darf ich noch darauf hinweisen, dass schon die Diskussionen um den EFSF und dessen Ausweitung zu ersten Erfolgen geführt haben. Irland und Portugal - die einzigen Länder, die bisher Geld aus dem EFSF erhalten haben - befinden sich nach Aussagen aller Experten auf einem guten Weg. In Spanien wurde innerhalb kurzer Zeit eine Schuldenbremse in die Verfassung aufgenommen. All dies zeigt, dass sich gerade auch die als kritisch angesehenen Staaten ihre Hausaufgaben machen. Mit unserem Ja zur Erweiterung des EFSF und zum StabMechG stützen wir die Bemühungen in diesen Staaten. Nun gilt es, weiter an einer neuen Stabilitätskultur in Europa zu arbeiten. Hierzu gehört auch, dass ich keine Aufweichung des StabMechG mittragen werde - wenngleich möglicherweise der Druck der anderen Euro-Staaten auf die deutsche Regierung in diesem Punkt zunehmen wird. Der Zustimmungsvorbehalt des Deutschen Bundestages zu allen finanzwirksamen Entscheidungen, die Deutschland im Rahmen des EFSF den dort zuständigen Gremien trifft, bleibt entscheidende Voraussetzung dafür, dass diejenigen nicht belohnt werden, die ihre Haushalte nicht in den Griff bekommen und weiter eine unverantwortliche Schuldenpolitik fahren. Haftung und Risiko müssen möglichst bald wieder zusammenfallen. Insoweit mag die eigentliche Nagelprobe noch bevorstehen.

Die Abstimmung heute war ein erster Schritt zu mehr Stabilität und zum Schutze der deutschen Wirtschaft vor einer neuen Krise der Realwirtschaft. Ob dieser Schritt die erhofften Auswirkungen am Ende auch zeigen wird, vermag erst die Zukunft zu zeigen. Die Ablehnung der Erweiterung des EFSF heute hätte das Risiko eines unkontrollierbaren Prozesses in sich getragen und die Probleme damit im Zweifel weiter verstärkt. Diese Sorge konnten uns auch die vielen Kritiker unter den Ökonomen nicht nehmen. Verantwortungsvolle Politik heißt aber auch, die Dinge vom Ende her zu denken. Insoweit – ich wiederhole mich – kam für mich eine Ablehnung des EFSF ohne eine konkrete alternative Handlungsoption nicht in Frage.

Ich bedauere, dass wir bei diesem für unser Land und Europa überragend wichtigen Thema nicht einer Meinung sind.

Meine politische Arbeit umfasst – wie Sie wissen - jedoch weit mehr als die hier diskutierte Entscheidung.

Gerne stehe ich Ihnen auch für ein persönliches Gespräch in dieser Angelegenheit zur Verfügung (Terminvereinbarung: 030/227-72494).

Mit besten Grüßen

Ihr Stefan Kaufmann

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