Frage an Stefan Kaufmann von Jonathan K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Dr. Kaufmann,
in bezug auf die Verschärfung des § 130 StGB bezeichnen Sie es in Ihrer Antwort an Frau S. als "zwingende Vorgabe" und "erforderlich", die Vorgaben der EU diesbezüglich in nationales Recht umzusetzen.
Meine Fragen dazu:
Wenn es zwingend erforderlich ist, diese EU-Vorgaben umzusetzen, warum sitzen Sie dann im Bundestag? Als mein Wahlkreisabgeordneter ist es Ihre Aufgabe meine Interessen (und die aller Bürger im Wahlkreis) zu vertreten. Wenn es "zwingend erforderlich" ist, EU-Vorgaben umzusetzen, wofür braucht es dann einen von mir bezahlten MdB? Wenn bindende Beschlüsse von nicht demokratisch gewählten Gremien außerhalb Deutschlands getroffen werden und somit zumindest in diesem Bereich eine Fremdregierung vorliegt, halten Sie es dann nicht für absolut unsinnig und überflüssig, wenn Sie als MdB dann im Bundestag noch gezwungenermaßen Ihre Hand zur Abstimmung heben, wo Sie doch für diese Fragen, Ihrer eigenen Aussage folgend, absolut irrelevant sind, weil Sie keinen Entscheidungsspielraum haben?
Noch eine Frage:
Sie bezeichnen die Gesetzesänderung als "richtig, wichtig und notwendig". Dennoch verweisen Sie Frau Schütz an die Fachgremien, weil sie als Bildungspolitiker zu diesen Fragen keine Aussage treffen können (oder wollen). Sehen Sie in diesen Aussagen nicht einen ganz offensichtlichen Widerspruch? Um etwas persönlich "richtig, wichtig und notwendig" zu finden, sollte man sich da nicht ausgiebig mit der Materie beschäftigt und auch alternative Regelmöglichkeiten bedacht haben?
Mit freundlichen Grüßen,
Jonathan Kleibert
Sehr geehrter Herr Kleibert,
herzlichen Dank für Ihre E-Mail. Gerne möchte ich Ihnen antworten.
Unser politisches System besteht aus mehreren Ebenen. Sie wählen Repräsentanten in den Gemeinderat, in den Landtag, in den Deutschen Bundestag und auch in das Europäische Parlament. Jede Ebene hat in bestimmten Themenfeldern Gesetzgebungs- bzw. Regelungskompetenzen. Die Bundesrepublik Deutschland hat sich in zahlreichen Verträgen verpflichtet, Europäisches Recht umzusetzen. Ich erkenne diese Verpflichtung an; ohne sie wäre das Funktionieren des europäischen Staatenverbundes nicht gewährleistet. Gleichzeitig muss ich mich als Bundestagsabgeordneter darauf verlassen können, dass die Bundesgesetzgebung von den nachgeordneten Ebenen umgesetzt wird.
Bei europäischen Richtlinien handelt es sich um eine Rahmengesetzgebung, die in nationales Recht umzusetzen ist. Setzt ein Mitgliedsstaat solche Richtlinien nicht oder nur unzureichend um, droht dem Mitgliedstaat ein sogenanntes Vertragsverletzungsverfahren, was zu erheblichen Strafzahlungen führen kann. Die Europäische Union hatte im konkreten Fall, der zu einer Änderung des §130 StGB geführt hat, die Regelungskompetenz. Die Gesetzgebungskompetenzen der nationalen Parlamente sind in vielen anderen Themenbereichen natürlich auch weiterhin gegeben.
Ich halte die beschlossene Änderung des §130 StGB in der Sache für richtig, obwohl ich im zuständigen Ausschuss nicht an der Vorbereitung beteiligt war. Aufgrund der großen Anzahl der zu behandelnden Gesetze, Anträge etc. ist eine Arbeitsteilung im Bundestag zwingend erforderlich. Es geht schlicht an der Realität vorbei, dass sich ein einzelner Abgeordneter bis ins letzte Detail mit allen im Plenum des Bundestages behandelten Themen befassen kann. Deshalb werden die Fachausschüsse gebildet; diese Ausschüsse geben nach intensiver Beschäftigung mit einem Thema Beschlussempfehlungen ab. Hier werden z.B. zentrale Punkte einer Gesetzesänderung für alle Abgeordneten nochmals zusammengefasst. Ich verlasse mich hierbei im Ergebnis jedenfalls weitgehend auf meine Kolleginnen und Kollegen im Ausschuss oder in den Fraktionsarbeitskreisen. Wenn ich mit einer Gesetzesänderung nicht einverstanden bin, habe ich die Möglichkeit, dieses Anliegen etwa in der wöchentlich stattfindenden Fraktionssitzung einzubringen.
Sehr geehrter Herr Kleibert, sehr gerne stehe ich Ihnen auch zu einem persönlichen Gespräch über die Arbeitsweise des Deutschen Bundestages zur Verfügung. Bitte wenden Sie sich doch hierzu an mein Wahlkreisbüro ( stefan.kaufmann@wk.bundestag.de ) oder Telefon 0711/90729910.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Stefan Kaufmann