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Stefan Kaufmann
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Frage von Mark K. •

Frage an Stefan Kaufmann von Mark K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Dr. Kaufmann,

erstmals vielen Dank für die ausführliche und vollständige Beantwortung aller hier gestellter Fragen. Ich denke, dass zeigt, dass Sie unsere Demokratie und damit auch die Anliegen der Wähler ernst nehmen.

Mit großer Fassungslosigkeit, ich kann sagen Entsetzen, habe ich heute den Medien die Eskalation der Polizeigewalt in Stuttgart entnommen. Insbesondere betroffen haben mich die Bilder der verletzten Bürger - auch Kinder -, die sicher nicht wie die üblichen linken Chaoten wirken. Ohne wie Sie detaillierte juristische Kenntnisse im öffentlichen Recht zu besitzen, widerspricht dieses gewalttätige Vorgehen der Polizei mit Blick auf die Verhältnismäßigkeit meinem Gerechtigkeitsempfinden. Davon abgesehen befürchte ich, dass diese jungen Menschen, denen wir irgendwann das Ruder in die Hand geben werden, sich dadurch sehr schnell und intensiv von unserer Demokratie und unserem Rechtsstaat entfernen. Denken Sie, dass dieses Vorgehen der Exekutive unter Ihrem Parteikollegen Heribert Rech unsere Demokratie stärkt oder schwächt?

Mit fassungslosen Grüßen

M. Königer

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Sehr geehrter Herr Königer,

vielen Dank für Ihre E-Mail. Ihre Frage hat wie schon die Frage von Herrn Baltrausch den Polizeieinsatz vom 30.09.2010 zum Thema. Daher gebe ich hier eine im Wesentlichen gleichlautende Stellungnahme zu den Geschehnissen im Stuttgarter Schlossgarten ab:

In den letzten Wochen habe ich weitestgehend friedlichen Protest gegen Stuttgart 21 erlebt. Die meisten Demonstrantinnen und Demonstranten haben die Polizeikräfte für deren besonnenes Handeln gelobt.

Fassungslos habe ich die Bilder vom vorvergangenen Donnerstag zur Kenntnis genommen, die ich in dieser Form in meiner Heimatstadt Stuttgart noch nicht gesehen habe – und die sich nicht wiederholen dürfen.

Wie konnte es nach Wochen des friedlichen Protests dazu kommen?

Ich habe keine Zweifel, dass der Polizeieinsatz grundsätzlich notwendig war. Auch kann ich verstehen, dass die Polizei angesichts der Zahl der zu erwartenden Demonstranten und angekündigtem zivilem Ungehorsam entsprechend vorbereitet war.

Die dennoch bestehenden Zweifel einiger Demonstrantinnen und Demonstranten, ob der Rechtsgrundsatz der Verhältnismäßigkeit bei der Wahl der polizeilichen Mittel insbesondere gegenüber Kindern und Jugendlichen im Laufe des schwierigen Einsatzes hinreichend berücksichtigt wurde, werden zwischenzeitlich gerichtlich überprüft.

Es erreichen mich im übrigen auch etliche Nachrichten über das Verhalten von Demonstrantinnen und Demonstranten, das zur Eskalation beigetragen habe. Hinzu kommt, dass Schutzbefohlene möglicherweise bewusst großen Gefahren ausgesetzt wurden. Dies alles muss aufgeklärt werden.

Wer trägt die Schuld? Für beide Seiten war diese Frage sofort beantwortet: Die jeweils andere Seite ist schuld. Nicht eine Sekunde wurde inne gehalten, um die Ereignisse und die eigene Rolle zu hinterfragen. Zwischentöne werden kaum noch geduldet und auch ich selbst werde aufgrund dieser Stellungnahme wieder wütende Reaktionen erhalten. Ich bin nicht der Ansicht, dass Ministerpräsident Stefan Mappus "Blut sehen" wollte, wie es der Bundesvorsitzende der Grünen, Cem Özdemir, zwischenzeitlich behauptete. Ich bin gleichzeitig auch nicht der Ansicht, dass es sich bei den Demonstrantinnen und Demonstranten überwiegend um gewaltbereite Chaoten handelt. Jedenfalls werde mich in Ihrem Sinne weiter für eine friedliche Lösung einsetzen.

Erlauben Sie mir einen Hinweis in der konkreten Sache, dem Fällen der Bäume: Maximal 282 Bäume müssen im Schlossgarten weichen, etwa 30 werden versetzt. Nur sehr wenige der Bäume sind älter als 200 Jahre. Auf den frei werdenden Gleisflächen im künftigen Rosensteinviertel werden rund 5.000 neue Bäume gepflanzt. Insgesamt stehen in Stuttgart derzeit rund 100.000 Bäume, davon 35.000 im Straßenraum und 65.000 in Grünanlagen, auf Spielplätzen und Naturschutzgebieten. Von diesen Bäumen wiederum stehen etwa 3.880 Bäume in den Schlossgärten und im Rosensteinpark. Jährlich werden in Stuttgart in der vegetationsfreien Zeit rund 800 Park- und Straßenbäume gefällt und wieder aufgeforstet, um den Bestand zu erhalten.

In diesem Zusammenhang ärgert mich der Umstand, dass in Hamburg von der dortigen grünen Umweltsenatorin für den Bau einer neuen Stadtbahn ebenfalls insgesamt 280 Bäume gefällt werden müssen ( http://www.mopo.de ). Dort protestieren die in Stuttgart so vehement auftretenden grünen Politiker aber nicht. Da ich davon ausgehe, dass Bäume in Hamburg und Stuttgart gleichermaßen schützenswert sind, muss dies unter anderem daran liegen, dass in der Hansestadt im kommenden Jahr keine Landtagswahl stattfindet.

Die Ereignisse machen mich jedenfalls sehr traurig. Seit langem bin ich mit den Projektgegnern im Dialog. Deeskalation in Wort und Tat sind nun gefragt.

Um es deutlich zu sagen: Ich freue mich über den von unserem Ministerpräsidenten Stefan Mappus eingeschlagenen Weg, dem unberechtigterweise schlimmste Unterstellungen gemacht wurden. Heiner Geißler als Vermittler halte ich für eine gute Lösung; er ist als Schlichter erfahren genug, um die beiden Seiten auf eine neue Verständigungsebene zu bringen. Ministerpräsident Stefan Mappus hat sich zu Zugeständnissen bereit erklärt. Er beweist damit, dass ihm der gesellschaftliche Zusammenhalt am Herzen liegt. Dies ist auch mir ein großes Anliegen.

Zum Wesen unserer Demokratie gehört aber auch, dass man demokratische Prozesse und Entscheidungen akzeptiert - auch wenn man anderer Meinung ist. Das Projekt Stuttgart 21 wurde unter Bürgerbeteiligung beschlossen und ist von allen Parlamenten hinreichend demokratisch legitimiert. Die Gegner haben zudem jeden Prozess zum Projekt Stuttgart 21 verloren. Über 15 Jahre hätte man in zahlreichen Wahlen die Projektbefürworter abwählen können.

Die Projektgegner bieten auch keine realistische Alternative; das sog. Alternativkonzept „Kopfbahnhof 21“ ist eine reine Ideenskizze, wird wöchentlich nach Belieben verändert und enthielt noch bis vor kurzem dieselben Aspekte, die bei Stuttgart 21 vor allem unter Kostengesichtspunkten kritisiert werden - ich nenne nur die Anbindung des Stuttgarter Flughafens und die Weiterführung der Strecke auf einer Neubaustrecke Wendlingen - Ulm als Teil der Transeuropäischen Magistrale Paris - Wien - Budapest.

Als letztes Mittel bleibt nun offensichtlich der teilweise massive Widerstand gegen einen neuen Bahnhof. Ob dies unsere Demokratie wirklich stärkt, wie von der Gegenseite behauptet wird, darf getrost bezweifelt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr Stefan Kaufmann

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