Frage an Stefan Kaufmann von Ulrich N. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Kaufmann,
die EU will zukünftig mit bis zu 750 Milliarden Euro für Staatsbankrotte anderer EU-Mitgliedsstaaten einstehen. So beschlossen es die EU-Finanzminister in Brüssel.
Wie zu erfahren war, bestand insbesondere der deutsche Bundesinnenminister de Maizière darauf, die Vereinbarung so auszugestalten, dass es sich offiziell um bilaterale Kredite handelt. Eine Zweckgesellschaft soll extra dafür gegründet werden. Als Grund wird die sogenannte Bail-Out-Klausel im EU-Vertrag angegeben. Sie verbietet das Einstehen anderer Staaten für einen bankrotten Staat.
a) Wie ist Ihre Meinung zu dieser bewussten Umgehung der Bail-Out-Klausel?
b) Werden Sie, falls die zur Ratifizierung dieser Vereinbarung notwendigen Gesetze im Bundestag debattiert werden, dagegen oder dafür stimmen?
c) 750 Milliarden Euro sind eine unvorstellbar hohe Summe. Nach der Vereinbarung werden bankrotte Mitgliedsländer bis zu dieser Summe mit Krediten versorgt. Als größtes und wirtschaftlich immer noch stärkstes Land dürfte Deutschland den größten Anteil an diesen dann ggf. fällig werdenden Krediten tragen.
Falls Sie diese Entscheidungen unterstützen sollten, wie erklären Sie dem Volk, dessen Willen Sie ja laut Grundgesetz vertreten, dass es mit seinem Einkommen und Vermögen für die Schulden fremder Staaten haften soll?
d) Ist es nicht eine Enteignung zugunsten fremder Dritte, wenn deutsche Bürger im Rahmen der geplanten Vereinbarung für die Schulden fremder Staaten bürgen oder sogar aufkommen?
Ich bedanke mich herzlich für die Beantwortung meiner Fragen.
Mit freundlichen Grüßen,
Ulrich Nentwig
Sehr geehrter Herr Nentwig,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage zum „Euro-Rettungsschirm“. Gerne werde ich Ihre Fragen beantworten.
zu a)
Die Gründung der Zweckgesellschaft hat das Ziel, dass die Mitentscheidungsrechte der EU-Mitgliedstaaten gewahrt bleiben. Nicht allein die EU-Kommission soll darüber befinden, ob und unter welchen Bedingungen Kredite bzw. Bürgschaften vergeben werden und welche Maßnahmen der betreffende Staat zu erfüllen hätte. Es geht darum, die Souveränität der Mitgliedsstaaten zu wahren, nicht um die Umgehung rechtlicher Vorgaben.
zu b) und c)
Über mein mögliches Abstimmungsverhalten zu diesem Thema habe ich hier auf Abgeordnetenwatch folgendermaßen Stellung bezogen:
Mein Abstimmungsverhalten im Bundestag mache ich vom Wohl der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes abhängig. Wenn ich nach menschlichem Ermessen zu der Überzeugung gelange, dass die Hilfen notwendig sind, um die Bürgerinnen und Bürger auch meines Wahlkreises vor größerem Schaden zu bewahren, werde ich zustimmen. Derzeit handelt es sich bei den Zusagen um ein Signal an die Finanzmärkte, dass die Europäische Union nicht gewillt ist, Wetten auf die Zahlungsunfähigkeit ihrer Mitglieder zu akzeptieren.
Sollten konkrete Bürgschaften des Bundeshaushalts erforderlich sein, werde ich mir wie im Falle der Finanzhilfen für Griechenland folgende Fragen stellen:
1. Sind Bürgschaften zwingend notwendig?
Wenn nach Einschätzung aller oder jedenfalls der Mehrheit der Experten die reale Gefahr einer Destabilisierung des Euro-Währungsraum besteht, der in einem Dominoeffekt politische und wirtschaftliche Krisen auslösen kann, die wir nicht mehr beherrschen könnten, halte ich die Bürgschaften für notwendig.
2. Ist die Gefahr eines Ausfalls der deutschen Kredite minimiert?
Dies ist der Fall, wenn die betroffenen Staaten glaubwürdige Sparprogramme vorlegen, deren Einhaltung regelmäßig kontrolliert wird – im Falle Griechenlands in bewährter Weise vom IWF.
Der Bundestag berät diese Woche in erster Lesung über ein Gesetz zum Rettungsschirm Mein Abstimmungsverhalten werde von den genannten Kriterien abhängig machen.
zu d)
Als Enteignung bezeichnet man juristisch den Entzug des Eigentums an einer unbeweglichen oder beweglichen Sache durch den Staat- im Rahmen der Gesetze und gegen Entschädigung. In diesem Zusammenhang eignet sich der Begriff Enteignung nicht. Auch unser bundesstaatlicher Länderfinanzausgleich ist keine Enteignung der Baden-Württemberger zugunsten Dritter.
Es grüßt Sie herzlich
Ihr Stefan Kaufmann