Frage an Stefan Kaufmann von Christian S. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Kaufmann,
der Presse ist zu entnehmen, daß die Europäische Kommission den Finanzministern der Mitgliedsstaaten kurzfristig vorschlagen wird, zur Rettung des Euro bis zu 600 Milliarden Euro verfügbar zu machen, indem der Fonds für Zahlungsbilanzhilfen um weitere 60 Milliarden aufgestockt wird. Der Kommission soll es dann erlaubt sein, Kredite
bis zu 600 Milliarden Euro aufzunehmen.
Meine Fragen an Sie als Vertreter des deutschen Volkes im Bundestag:
1. Haben Sie als demokratisch gewählter Vertreter des deutschen Volkes ein Mitsprache- und Entscheidungsrecht in dieser Angelegenheit? Oder werden die notwendigen Entscheidungen allein von den Regierungsvertretern und der Kommission getroffen?
2. Wenn Sie ein Entscheidungsrecht über die geplanten Maßnahmen haben: Werden Sie bei einer entsprechenden Abstimmung im Bundestag für die Aufstockung des Fonds für Zahlungsbeihilfen und damit für die Ausweitung der Finanzhilfen auf bis zu 600 Milliarden Euro stimmen?
3. Kommissionspräsident Barroso sagte gegenüber der Presse: "Wir werden den Euro verteidigen, koste es, was es wolle."
Da Herr Barroso sicher nicht von seinem eigenen Vermögen sprach, muß er das Eigentum der Bürger der EU-Staaten gemeint haben.
Wie stehen Sie zu dieser Aussage? Stimmen Sie ihr zu? Sind auch Sie als Abgeordneter bereit, durch Ihr Abstimmverhalten im Bundestag den Euro zu verteidigen, "koste es, was es wolle"? Glauben Sie, den Willen der Bürger Ihres Wahlkreises zu vertreten, wenn sie mit deren Eigentum direkt (Kredite) oder mittelbar (Bürgschaften für Kredite) die Schulden anderer Länder bezahlen?
Mit freundlichen Grüßen,
Christian Suhlmann
Sehr geehrter Herr Suhlmann,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Thema Finanzhilfen. Gerne will ich Ihre Fragen beantworten.
Für den Fall, dass die geplanten Maßnahmen den Bundeshaushalt belasten oder der Bundeshaushalt für Kredite bürgen muss, habe ich als Abgeordneter ein Mitsprache- und Mitentscheidungsrecht. Nach meiner Einschätzung wird dies der Fall sein.
Mein Abstimmungsverhalten im Bundestag mache ich vom Wohl der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes abhängig. Wenn ich nach menschlichem Ermessen zu der Überzeugung gelange, dass die Hilfen notwendig sind, um die Bürgerinnen und Bürger auch meines Wahlkreises vor größerem Schaden zu bewahren, werde ich zustimmen. Derzeit handelt es sich bei den Zusagen um ein Signal an die Finanzmärkte, dass die Europäische Union nicht gewillt ist, Wetten auf die Zahlungsunfähigkeit ihrer Mitglieder zu akzeptieren.
Sollten konkrete Bürgschaften des Bundeshaushalts erforderlich sein, werde ich mir wie im Falle der Finanzhilfen für Griechenland folgende Fragen stellen:
1. Sind Bürgschaften zwingend notwendig?
Wenn nach Einschätzung aller oder jedenfalls der Mehrheit der Experten die reale Gefahr einer Destabilisierung des Euro-Währungsraum besteht, der in einem Dominoeffekt politische und wirtschaftliche Krisen auslösen kann, die wir nicht mehr beherrschen könnten, halte ich die Bürgschaften für notwendig.
2. Ist die Gefahr eines Ausfalls der deutschen Kredite minimiert?
Dies ist der Fall, wenn die betroffenen Staaten glaubwürdige Sparprogramme vorlegen, deren Einhaltung regelmäßig kontrolliert wird – im Falle Griechenlands in bewährter Weise vom IWF.
Der Bundestag berät diese Woche in erster Lesung über ein Gesetz zum Rettungsschirm. Mein Abstimmungsverhalten werde von den genannten Kriterien abhängig machen.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr Stefan Kaufmann