Frage an Stefan Engel von Daniel M. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Engel,
kaum ein Mensch mit gesundem Verstand, der sich ein wenig ausführlicher mit Politik befasst hat, wird heute noch behaupten können, China oder Nordkorea seien sozialistische / kommunistische Länder. In der Frage, ob Venezuela oder Kuba sozialistisch sind, gehen auch in der linken Bewegung die Meinungen auseinander. Ihre Partei, die MLPD, behauptet, dass der Sozialismus in der Sowjetunion nach dem 20. Parteitag der KpdSU in der Sowjetunion durch Chruschtschow verraten und zerstört wurde und dabei sukzessive ein bürokratischer Staatskapitalismus eingeführt wurde. Dasselbe gilt auch für die übrigen Ostblockstaaten, wie die DDR, Polen etc. Sie streben einen "echten Sozialismus" an. Die DKP wiederum behauptet, diese Ostblockstaaten seien bis zu ihrem endgültigen Zerfall in den Jahren 1989 - 1991 sozialistische Staaten (wenn auch mit Fehlern) gewesen.
Wähler, die nicht in diese Diskussion involviert sind, blicken da noch weniger durch. Daher lauten meine Fragen: Welche politischen sowie ökonomischen Bedingungen / Kriterien müssen unbedingt / ausnahmslos erfüllt sein, damit man einen Staat als sozialistisch bezeichnen kann? Gibt es sowas wie Mindestfaktoren? Lässt sich überhaupt eine eindeutige Grenzlinie ziehen? Und zu welchen Zeitpunkt kann man einen Staat noch nicht oder nicht mehr als sozialistisch bezeichnen?
Mit freundlichen Grüßen
D. M.
Hallo Herr Daniel Mühlenstein,
Wichtig ist, dass der Sozialismus nur auf der Grundlage des Marxismus-Leninismus funktionieren kann. Wird der Marxismus-Leninismus über Bord geworfen, beginnt in diesen Ländern ein Prozess der Restauration des Kapitalismus. Natürlich ist der Prozess der Restauration des Kapitalismus nicht von heute auf morgen vollzogen. So erleben wir durchaus, dass eine Reihe von sozialistischen Errungenschaften bis zu Schluss der Restauration des Kapitalismus erhalten waren. Aber die Gesellschaft hat mit der Ersetzung des Marxismus-Leninismus durch den modernen Revisionismus bereits seine Farbe gewechselt.
Andererseits muss man auch die ehemals sozialistischen Länder, die einen kapitalistischen Weg gehen, unterschiedlich behandeln. Wir haben in der Sowjetunion festgestellt, dass sie zu einer sozialimperialistischen Supermacht geworden ist. Es war völlig klar, dass man die sozialimperialistische Sowjetunion anders behandeln musste als z.B. das neokolonial abhängige Land Kuba oder Vietnam. Kuba macht bis heute eine antiimperialistische Politik und wird diesbezüglich auch von den Marxisten-Leninisten unterstützt. Trotzdem bestand auch in Kuba seit der Restauration des Kapitalismus keine sozialistische Gesellschaft mehr.
Die ideologisch-politische Seite ist das entscheidende. Natürlich folgte der ideologisch-politischen Seite nach dem XX. Parteitag der KPdSU 1956 in der Regel auch politische Säuberungswellen und Maßnahmen, die immer mehr zum Ausdruck bringen, das eine Restauration des Kapitalismus im Gange ist. Bei der SED erfolgte die politische Veränderung der DDR mit dem Mauerbau, dem umfassende Säuberungswellen im Apparat vorausgegangen waren. Mit dem Mauerbau wurde auch der Kampf um das vereinigte sozialistische Deutschland aufgegeben und mehr oder weniger die Frage der Wiedervereinigung den Revanchisten in Deutschland überlassen.
Wir müssen daraus grundlegende Schlüsse ziehen, dass der ideologische Kampf eine entscheidende Grundlage für den sozialistischen Aufbau ist. Der sozialistische Aufbau kann nur auf der Grundlage der proletarischen Denkweise und eines sozialistischen Bewusstseins erfolgreich gemeistert werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Stefan Engel