Frage an Stefan Albanesi von Frank H. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrter Herr Albanesi
Immer mehr Firmen wechseln ihre Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband mit Tarifbindung in die Mitgliedschaft ohne Tarifbindung.
Vereinfacht gesagt, sie möchten in Zukunft keine Tariflöhne mehr bezahlen.
Das verstärkt natürlich den Wettbewerbsdruck auf Firmen, die ihre Mitarbeiter fair nach Tarif bezahlen.
Wie sehen Sie persönlich diese Entwicklung?
Was kann die Politik gegen diese Tarifflucht tun?
Mein Vorschlag: Öffentliche Aufträge nur noch an Firmen vergeben, die Tarifgebunden sind.
Es sind öffentliche Steuergelder und damit sollte man keine Dumpinglöhne finanzieren.
Auch Abgeordnete haben ihren Tarif und unterliegen nicht einem Dumpin-Wettbewerb
" woher bekommen wir den billigsten Abgeordneten? "
Ich würde mich freuen, wenn Sie zu meinen Fragen Stellung nehmen würden
Vielen Dank und Gruß
Frank Haeusler
Sehr geehrter Herr Haeusler,
was Sie ansprechen, ist in der Tat ein skandalöser Zustand, der für viele Beschäftigte vor allem Lohneinbußen und weniger Sicherheit und Rechte bedeutet. Immer mehr Arbeitgeber entziehen sich Tarifverträgen. Das geht nicht nur auf Kosten der Beschäftigten, sondern auch der Gesellschaft. Denn die Niedriglöhne werden mit Steuergeldern in Milliardenhöhe aufstockt. Hierzu sagt Sabine Zimmermann, arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion: „Im Jahr 2012 wurden nur noch 53 Prozent der Beschäftigten im Westen und 36 Prozent im Osten Deutschlands nach einem Flächentarifvertrag bezahlt, teilte die Bundesagentur für Arbeit kürzlich mit. Im Jahr 1996 waren es noch 70 Prozent im Westen und 56 Prozent im Osten. In Flächentarifverträgen werden für eine Branche einheitliche Standards für Löhne und Gehälter festgelegt, die eigentlich für alle Unternehmen gelten sollten. Entziehen sich aber immer mehr Unternehmen den Tarifverträgen, ist ein Wettlauf über die niedrigsten Löhne vorprogrammiert. Beschäftigte ohne Tarifvertrag erhalten im Schnitt ein Viertel weniger Lohn als Beschäftigte mit Tarifvertrag. Wohin diese Entwicklung führt, zeigt dramatisch der Handel. Dort sind in den vergangenen Jahren immer mehr Unternehmen aus der Tarifbindung ausgeschieden. Die Folge: Inzwischen arbeitet dort jeder dritte der mehrheitlich weiblichen Beschäftigten unterhalb der amtlichen Niedriglohngrenze von 10,36 Euro, jeder fünfte sogar unter 8,50 Euro. Die untersten Tariflöhne beginnen je nach Region und Tätigkeit eigentlich erst bei 12 oder 13 Euro. Dies ist nicht nur bitter für die Beschäftigten, von denen 130.000 ihr geringes Einkommen durch ergänzende Hartz IV-Leistungen aufstocken müssen. Die Gesellschaft subventioniert dieses Lohndumping im Handel. Sie stockt dort die Niedriglöhne jährlich mit 1,5 Milliarden Euro auf, während die Unternehmen zugleich über 20 Milliarden Euro Gewinn gemachen. DIE LINKE sagt: So kann es nicht weitergehen. Wir wollen als untere Haltelinie einen Mindestlohn von zehn Euro einführen. Wenn in einer Branche der unterste Tariflohn über dem gesetzlichen Mindestlohn liegt, soll dieser für allgemeinverbindlich erklärt werden. Dazu muss die Allgemeinverbindlichkeitserklärung erleichtert werden. Das würde bedeuten, dass jedes Unternehmen gesetzlich verpflichtet wäre, seine Beschäftigten nach dem gängigen Branchentarifvertrag zu bezahlen - auch wenn es mit der Gewerkschaft keinen Tarifvertrag geschlossen hat.“ - Bezüglich Ihres konkreten Vorschlages erlaube ich mir, aus unserem aktuellen Wahlprogramm zu zitieren: „Wir fordern, dass die Vergabe von öffentlichen Aufträgen an Mindestlöhne und an die Einhaltung ortsüblicher Tarifverträge geknüpft wird. Wir setzen uns dafür ein, dass Tarifverträge wieder in allen Bereichen öffentlicher Vergabe vorgegeben werden dürfen.“ Den gesamten Abschnitt können Sie hier einsehen: http://www.die-linke.de/wahlen/wahlprogramm/wahlprogramm/isolidaritaetneuerfindengutearbeitundsozialegerechtigkeit/gutearbeitstattniedrigerloehneundunsichererjobs] Ihre Position deckt sich hier mit der der LINKEN. Ich hoffe, meine Antwort konnte Sie ermutigen, am 22. September für eine wirklich soziale Politik zu stimmen. Übrigens: Wenngleich auch Abgeordnete ‚ihren Tarif haben‘, wie Sie schreiben, waren die letzten Diätenerhöhungen nach Meinung unserer Partei unangemessen. Bekanntlich hat der Bundestag 2007 beschlossen, die Bezüge innerhalb von zwei Jahren um fast 700 Euro brutto steigen zu lassen. Eine Mehrheit des Parlaments aus CDU, SPD und FDP hat das so beschlossen. Die Linksfraktion stimmte geschlossen dagegen. Alle ihre Abgeordneten spenden den monatlichen Nettobetrag der zusätzlichen Diäten für einen guten Zweck.
Mit freundlichen Grüßen
Stefan Albanesi