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Sonja Lattwesen
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Frage von Tom G. •

Wie bewerten Sie den Anstieg von Drogenkonsumenten und Bettlern im Hamburger Nahverkehr? Kann so Verkehrswende gelingen?

Wie bewerten Sie den Anstieg von Drogenkonsumenten und Bettlern im Hamburger Nahverkehr? Kann so Verkehrswende gelingen? Viele meiner weiblichen Kolleginnen trauen sich nicht mehr, U- und S-Bahnen zu benutzen - geschweige denn, in die Nähe des Hauptbahnhofs zu verweilen.

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Antwort von
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Lieber Tom G.,

selbstverständlich ist mir daran gelegen, dass Sie und alle anderen Fahrgäste sich in Hamburgs Bussen, Bahnen, Stationen und Bahnhöfen sicher und wohlfühlen. Dass Sie einen anderen Eindruck haben und hier Verbesserungsbedarf sehen überrascht mich: die Hamburger Hochbahn-Wache (HHW) beschäftigt rund 260 Mitarbeiter*innen im Sicherheitsdienst, die rund um die Uhr in Hamburgs U-Bahnen und Haltestellen unterwegs sind. Ebenso wie die Menschen, die - oftmals zu Stoßzeiten - in den Zügen nach einer Kleinigkeit zu essen oder zu trinken oder einer Spende fragen, gehört das Sicherheitspersonal für mich jedenfalls zum Alltag in Hamburgs U-Bahnen dazu. Die allermeisten um Hilfe bittenden Menschen begegnen mir sehr freundlich und höflich. Ich habe Verständnis für die Verzweiflung dieser Menschen und kann es - auch wenn das natürlich unangenehm ist - nachvollziehen, dass die Frustration über die eigene Situation angesichts des geballten Wohlstands der zur Arbeit pendelnden Hamburger*innen manchmal die Überhand gewinnen kann.
 Ich verstehe auch, dass es belastend und anstrengend ist, wenn man mindestens einmal am Tag um Geld oder Essen gebeten wird. Man ist direkt mit dem Leid der Menschen konfrontiert und muss gegebenenfalls damit zurechtkommen, dass man sich aktiv dagegen entscheidet, ihnen zu helfen. Doch was wäre die Alternative? Im HVV ist das "Betteln" verboten. Das Sicherheitspersonal kann ein Bußgeld von 40€ verhängen. Das ist im Jahr 2020 687 Mal durch die HHW und 554 Mal durch die S-Bahn-Wache passiert. Fast 50.000 € wurden so von den ärmsten Menschen unserer Stadt eingetrieben. Ich persönlich ziehe es vor, den bettelnden Menschen zu helfen oder dabei zuzuschauen, wie andere Fahrgäste dies tun, als mitzuerleben, wie eine Person, die sich in einer extremen Notlage befindet und nicht genug Geld für Essen und Trinken hat, ein Bußgeld verhängt bekommt, das für sie ein Vermögen darstellt. Das Sicherheitspersonal garantiert Ihre körperliche Unversehrtheit im ÖPNV. Um mit der emotionalen bzw. seelischen Herausforderung der Situation zurecht zu kommen, muss jede*r von uns einen eigenen Weg finden. Ich habe z.B. immer ein bisschen Bargeld dabei. Wenn man die um Hilfe bittenden Menschen nicht ignoriert, sondern ihnen auf Augenhöhe begegnet, ein paar Worte mit ihnen wechselt und etwas Geld oder Essen teilt, begegnen sie einem mit Dankbarkeit und Freude. Neben der konkreten Situation im Nahverkehr braucht es natürlich Suchtprävention und gute Sozialpolitik, damit immer weniger Menschen sich in einer solch prekären Lage wiederfinden. Ich hoffe sehr, dass Sie und Ihre Kolleginnen weiterhin mit dem ÖPNV zur Arbeit fahren. 

Herzliche Grüße
Katharina Huboi

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