Frage an Sören Bartol von Ludger P. bezüglich Familie
Sorgerechtgesetz:
Meine Fragen an Sie:
1.)Werden Sie dem Gesetzentwurf in der jetzigen Fassung zustimmen?
2.)Werden Sie eine Änderung des § 1626a Abs. 1 Satz 1 mit folgendem Wortlaut: „wenn der Vater die Vaterschaft nach $ 1594 BGB anerkannt hat und erklärt die gemeinsame Sorge zu übernehmen.“ befürworten?
3.)Werden Sie eine Definition des Gesetzgebers zur Begrifflichkeit „Wohl des Kindes“ einfordern?
Der nun vorliegende Gesetzentwurf für das Sorgerecht für die „nicht mit der Kindesmutter verheirateten Väter“ beinhaltet zwar kleine Veränderungen, die auf den ersten Blick hin positiv klingen, dieser ist aber leider eine von Lobbyarbeit indoktrinierte Mogelpackung und benachteiligt und diskriminiert unverheiratete Väter immer noch gegenüber den Müttern und verheirateten Vätern.
2010 wurden in der BRD 452.475 Kinder ehelich und 225.472 Kinder (somit jedes 3.) unehelich geboren. Unehelich geborene Kinder und deren Eltern sind also keine Randgruppe.
Unverheiratete Väter erhalten das gemeinsame Sorgerecht nur, wenn die Mutter dem zustimmt, das macht den Vater vom Wohlwollen der Kindsmutter abhängig.
Die Regierung wurde 2009 vom EGMR und 2010 vom Bundesverfassungsgericht auf die Ungleichbehandlung von verheirateten und nichtverheirateten Vätern hingewiesen.
Der Gesetzentwurf sieht nur ein Antragsverfahren für den Vater vor, wenn die Mutter sich dem gemeinsamen Sorgerecht verweigert. Dies benachteiligt den unehelichen Vater unangemessen degradiert somit den unehelichen Vater weiterhin zum Vater 2. Klasse.
Für eine konsequente Gleichstellung der Väter gibt es nur eine Lösung:
„Im Zuge der Vaterschaftsanerkennung nach §1594 BGB erhält der Vater automatisch das gemeinsame Sorgerecht.“
Auch wird im Gesetzesentwurf auf den häufig missbrauchten Begriff des Kindeswohles verwiesen. Diesen gilt es, als Begriff juristisch zu definieren, damit er nicht weiter von Anwälten, Richtern und Ämtern missbraucht werden kann.
Sehr geehrter Herr Pütz,
den Gesetzentwurf der Bundesregierung lehne ich ab, da er Vätern ebenso wenig gerecht wird wie der gesellschaftlichen Realität. Vor dem Hintergrund der Zunahme unehelich geborener Kinder in Deutschland brauchen wir eine Neuregelung der elterlichen Sorge für nicht verheiratete Mütter und Väter. Ziel hierbei muss das gemeinsame Sorgerecht sein, sofern keine Gründe im Sinne des Kindeswohls dagegen sprechen. Eine gesetzliche Regelung muss daher die Bereitschaft zur gemeinsamen Ausübung der elterlichen Sorge durch staatliche Institutionen fördern und dafür sorgen, dass eine gemeinsame Sorgeerklärung so einfach wie möglich abgegeben werden kann.
Da der vorliegende Gesetzentwurf die oben genannten Punkte nicht erfüllt, hat die SPD-Bundestagsfraktion einen eigenen Antrag vorgelegt ( http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/17/086/1708601.pdf ), dessen erstes Ziel die gemeinsame elterliche Sorge ist. Für den Fall, dass sich Eltern nicht einigen können, soll das Jugendamt vermitteln - immer mit dem Ziel des gemeinsamen Sorgerechts. Wenn sich Eltern auch dann nicht einigen können, sieht er vor, dass das Jugendamt beim Familiengericht einen Antrag stellen kann und die Entscheidung dann bei diesem liegt.
Ein Großteil der nicht verheirateten Paare hat bereits das gemeinsame Sorgerecht - laut einer vom Bundesministerium der Justiz in Auftrag gegebenen Studie sind das 62,2 %. Die übrigen teilen sich auf in Fälle, in denen der Vater kein Interesse an einer Mitsorge hat, das Sorgerecht über einen Dritten (wie das Jugendamt) ausgeübt wird oder die Mutter einer Mitsorge des Vaters nicht zustimmt.
Ich verstehe Ihre Position was die so genannte Regellösung anbelangt - vermutlich sind Sie ein engagierter Vater. Eine automatische gemeinsame Sorge ab Vaterschaftsanerkennung, wie Sie sie fordern, wird von meiner Fraktion abgelehnt. Ich habe hier in Teilen eine andere Position, weil ich auch die Rechte der Väter sehe und mir bewusst ist, dass unverheiratete Väter durch die Ablehnung der Regellösung benachteiligt sein können. Aufgrund der gesellschaftlichen Realität, die auch heute noch so aussieht, dass in der Regel alleinerziehende Mütter den Großteil der Verantwortung tragen und kindsbezogene Entscheidungen zu treffen haben, sehe ich aber auch die Gründe, die gegen die Regellösung sprechen:
Das BVerfG hat in der von Ihnen genannten Entscheidung Argumente gegen die Regellösung genannt. So könne es triftige Gründe dafür geben, einem Vater die Teilhabe an der elterlichen Sorge zu versagen, z.B. wenn Streitigkeiten oder mangelnde Kommunikation zwischen den Eltern das Kindeswohl gefährden würden. Sowohl der EGMR als auch das BVerfG haben lediglich gefordert, dass das erkennende Gericht die Möglichkeit haben muss, nach Überprüfung der individuellen Umstände die fehlende Zustimmung der Mutter zu ersetzen. Zu der Frage, unter welchen Voraussetzungen eine gemeinsame Sorge sinnvoll ist, haben sich die Gerichte nicht geäußert. Hier muss das das gesamte Kindschaftsrecht prägende Leitmotiv des Kindeswohls ausschlaggebend sein.
Zweifellos ist die gemeinsame elterliche Sorge in den allermeisten Fällen dem Kindeswohl zuträglich und daher anzustreben. Leider gibt es aber auch Elternpaare mit massiven Konflikten, die nicht fähig sind, miteinander zu kommunizieren. Paare, bei denen ein gemeinsames Sorgerecht zu ständigen Auseinandersetzungen führen würde, sodass die gemeinsame elterliche Sorge dem Kindeswohl nicht zuträglich wäre. Auch wäre die Regellösung in Fällen, bei denen Väter zwar ihr Umgangsrecht wahrnehmen, aber keine darüber hinausgehenden Pflichten tragen oder bei Vätern, die gar keinen Kontakt zu ihrem Kind pflegen, und die, obwohl sie dazu finanziell in der Lage sind, keinen oder nicht ausreichend Unterhalt zahlen oder dies erst nach entsprechender Unterhaltsklage tun, eine Benachteiligung der Mutter. Betrachten wir das Kindeswohl als ausschlaggebend, so wäre hier eine gemeinsame Sorge abzulehnen. Ein Vater ohne Kontakt zum Kind ist gar nicht in der Lage, vernünftige kindbezogene Entscheidungen zu treffen, hat aber i.d.R. jedoch auch kein Interesse an der gemeinsamen Sorge. In der anderen Konstellation ist das Interesse an der gemeinsamen Sorge möglicherweise vorhanden, es fehlt jedoch an der Verantwortungsübernahme. Entscheidungen im Rahmen des Sorgerechts sind häufig mit Konsequenzen im Alltag verbunden. So hat die Auswahl der Schule Auswirkungen auf die Länge des Schulwegs. Je nach Lage der Schule ist die notwendige tägliche Begleitung zur Schule und von der Schule zeitintensiv und der berufstätigen Mutter vielleicht gar nicht möglich. Soll ein Vater, den die Konsequenzen solcher Entscheidungen in keinster Weise treffen, an der Entscheidung selbst beteiligt sein?
Wenn wir dem Elternteil, der die alleinige Verantwortung mit allen daraus resultierenden Einschränkungen trägt, zumuten, die wesentlichen Entscheidungen in Absprache mit dem von Verantwortung freien Elternteil zu treffen, tragen wir erhebliche Konflikte in die Mutter-Vater-Kind-Beziehung. Dies kann dem betroffenen Kind nur schaden. Sind die Wertvorstellungen der Eltern zudem völlig unterschiedlich, besteht außerdem die Gefahr, dass die Eltern wegen ständiger Divergenzen dauernd von der Möglichkeit Gebrauch machen, das Familiengericht um die Übertragung der Entscheidung zu ersuchen.
Die Regellösung würde zudem erhebliche Beweisprobleme aufwerfen. So müsste die Mutter, die die gemeinsame Sorge verhindern will, das Gericht davon überzeugen, dass die gemeinsame Sorge nicht dienlich ist. Sie müsste also das Fehlen von Voraussetzungen, z.B. fehlende Verantwortungsübernahme beweisen. Viel einfacher ist es, etwas wirklich Existierendes zu beweisen, also für den Vater, praktizierte Verantwortung zu belegen.
Die genaue Definition des Begriffes ´Kindeswohl´ halte ich für schwierig. Es gibt so viele Einzelfälle, in denen die Umstände und Gegebenheiten berücksichtigt werden müssen, so dass die Beurteilung dessen, was dem Kindeswohl dient und was nicht, meiner Meinung nach bei den - neutralen - Gerichten gut aufgehoben ist.
Ich weiß, dass meine Antwort was die Regellösung betrifft, vermutlich nicht Ihren Erwartungen entspricht, aber vielleicht konnte ich Ihnen die Gründe, die bei der gesellschaftlichen Realität, die wir heute haben, für die Ablehnung ebendieser sprechen, etwas klarer machen. Ich wünsche mir allerdings, dass die sich ändert.
Mit freundlichen Grüßen
Sören Bartol