Ska Keller, Bild: Dominik Butzmann
Ska Keller
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Susanne M. •

Frage an Ska Keller von Susanne M.

Sehr geehrte Frau Keller,

leider wurde seitens Ihrer Partei auf unsere E-Mail-Anfrage nicht geantwortet (trotz mehrmaliger Erinnerung) - Deshalb wählen wir nun diesen Weg.

Das Europaparlament hat kürzlich mit überwältigender Mehrheit eine Resolution beschlossen, der den Mitgliedsstaaten empfiehlt ein Sexkaufverbot nach dem so genannten nordischen Modell einzuführen: In Schweden, Norwegen und Island werden nicht prostituierte Personen kriminalisiert, sondern die Käufer "sexueller Dienstleistungen". Angestrebt wird langfristig eine Gesellschaft ohne Prostitution.

Hierzulande wird das nordische Modell häufig auf die Freierbestrafung verkürzt. Es handelt sich jedoch um ein umfangreiches Maßnahmenpaket mit vielen Hilfsangeboten für Menschen in der Prostitution aber auch für Freier (welche sehr gut genutzt werden), sowie antisexistische Erziehung in allen Bildungsstufen. Die Akzeptanz des Modells ist groß.
Wie die Verfolgung von Strattaten gegen das Sexkaufverbot konkret aussieht erklärt der schwedische Ermittler Simon Häggström in einem Vortrag bei der European Womens Lobby (EWL): https://www.youtube.com/watch?v=8cMmEH3mIaM (deutsche Untertitel verfügbar, unter der Zeitleiste viertes Symbol von rechts, deutsch auswählen)

Als Kandidat_innen zur EU-Wahl bitten wir sie um die Beantwortung folgender Fragen:

1) Wie ist ihre Haltung gegenüber dem Thema Prostitution?

2) Setzt sich Ihre Partei für ein Sexkaufverbot nach schwedischem Modell in der EU ein und warum? (bzw. bei nein: Warum nicht?)

3) Wenn nein: Welche Maßnahmen schlagen Sie stattdessen vor?

4) Wie haben Sie im Europaparlament zum Honeyball-Bericht abgestimmt

Mit freundlichen Grüßen
Susanne Meyer

Ska Keller, Bild: Dominik Butzmann
Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Liebe Susanne Meyer,

vielen Dank für Ihre Fragen, die ich gerne beantworten möchte.

1) Wie ist ihre Haltung gegenüber dem Thema Prostitution?

Wir Bündnisgrüne setzen uns in der neu aufgeflammten Debatte um ein Verbot der Prostitution in Deutschland dafür ein, den Schutz und die Rechte der Menschen, die in der Prostitution arbeiten, ins Zentrum zu stellen. Eine Vermengung des Themas Menschenhandel mit Prostitution halten wir dabei für problematisch, denn für die präventive Bekämpfung von Menschenhandel und Zwangsprostitution sowie den Schutz von dessen Opfern sind andere Lösungen erforderlich, als für die ebenfalls notwendige Verbesserung der sozialen Bedingungen und der Rechte der Menschen, die der Prostitution nachgehen.
Wir Bündnisgrüne lehnen Bestrebungen und Reformen ab, die die Menschen in der Prostitution kriminalisieren und diskriminieren würden. Für uns gehören der Schutz der Menschen in der Prostitution und die Stärkung ihrer Rechte und ihrer Position untrennbar zusammen.

2) Setzt sich Ihre Partei für ein Sexkaufverbot nach schwedischem Modell in der EU ein und warum? (bzw. bei nein: Warum nicht?)

Nein. Wir Bündnisgrüne setzen uns dafür ein, die Rechte von SexarbeiterInnen zu verankern und ihre Arbeitsbedingungen zu verbessern. Dies war auch das Ziel und der Geist des Prostitutionsgesetzes von 2002. Prostitution war danach nicht mehr sittenwidrig, Honorare konnten eingeklagt und zahlungsunwillige Freier wegen Betruges angezeigt werden, das Weisungsrecht der ArbeitgeberInnen wurde im Gegensatz zu anderen Berufen deutlich eingeschränkt und der Zugang zu den Sozialversicherungen ermöglicht.
Ein Zurück in die rechtliche Unsicherheit und die Doppelmoral der Zeit vor dem Prostitutionsgesetz lehnen wir ab, denn es geht uns um die Rechte und den Schutz von Frauen und Männern in der Prostitution. Wir wollen weiterhin prüfen, ob und inwieweit das Prostitutionsgesetz die Prostituierten tatsächlich gestärkt hat bzw. Ausbeutungsverhältnisse abgebaut und damit seinen Zweck erfüllt hat. Wo das nicht der Fall ist, wollen wir das Gesetz weiterentwickeln.

3) Wenn nein: Welche Maßnahmen schlagen Sie stattdessen vor?

Zunächst einmal wollen wir eine Genehmigungspflicht für Prostitutionsstätten einführen, die Schutzregelungen für Prostituierte enthalten und eine Überprüfung des/der BordellbetreiberIn einschließt.
Des Weiteren wollen wir Prostitutionsbetriebe unter das Gewerberecht stellen, damit sie der Gewerbeaufsicht unterliegen. Rechtliche, soziale und hygienische Vorgaben wären so durch Behörden kontrollierbar und durchsetzbar. Dies würde die Arbeitsbedingungen konkret verbessern und Menschenhandel könnte zudem leichter aufgedeckt werden.
Auch wenn heute schon die Ausbeutung von Prostituierten (§ 180a StGB) und Zuhälterei (§ 24 181a StGB) verboten und unter Strafe gestellt sind, müssen Menschen, die in der Prostitution tätig sind, wirksamer vor Ausbeutung, aber auch vor Mietwucher geschützt werden.
Wir brauchen zudem den Ausbau der Beratung von Prostituierten sowohl was ihre Rechte als auch den Gesundheits- und Arbeitsschutz betrifft. Aber auch zielgruppenspezifische Ausstiegsprogramme müssen ausgebaut werden und niederschwellig zur Verfügung stehen.
Wir wollen weitere Initiativen und Vorschläge einbringen, die die Rechte und die konkrete Situation von SexarbeiterInnen verbessern. Dazu ist ein gemeinsames Vorgehen mit den Ländern, aber auch mit den anderen Fraktionen im Bundestag unerlässlich.

4) Wie haben Sie im Europaparlament zum Honeyball-Bericht abgestimmt?

Ich habe gegen den Honeyball-Bericht gestimmt.

Herzliche Grüße,
Ska Keller