Wie bewerten Sie den Anstieg von Drogenkonsumenten und Bettlern im Hamburger Nahverkehr? Kann so Verkehrswende gelingen?
Wie bewerten Sie den Anstieg von Drogenkonsumenten und Bettlern im Hamburger Nahverkehr? Kann so Verkehrswende gelingen? Viele meiner weiblichen Kolleginnen trauen sich nicht mehr, U- und S-Bahnen zu benutzen - geschweige denn, in der Nähe des Hauptbahnhofs zu verweilen.
Sehr geehrter Herr G.
vielen Dank für Ihre Anfrage. Es freut mich, dass Sie den öffentlichen Nahverkehr rege zu nutzen scheinen.
Uns ist es ein Anliegen, dass Sie sich und alle anderen Fahrgäste in Hamburgs Bussen, Bahnen, Stationen und Bahnhöfen sicher und wohlfühlen. Die Hamburger Hochbahnwache beschäftigt deshalb rund 260 Mitarbeiter*innen im Sicherheitsdienst und am Hauptbahnhof gibt es eine enge Kooperation mit der Bundespolizei und der DB-Wache, damit sich alle Fahrgäste sicher fühlen können. Die Streifen finden regelmäßig statt, sodass es mich überrascht, dass Ihnen und Ihrem Bekanntenkreis diese noch nicht aufgefallen sind. Mir ist es wichtig zu betonen, dass ich obdachlose Menschen, die nach Kleingeld oder einer Kleinigkeit zu essen fragen, nicht als Bedrohung sehe.
Offiziell ist das „Betteln“ im HVV verboten. Das Sicherheitspersonal kann ein Bußgeld von bis zu 40 € verhängen und mittels dieser Maßnahme haben wir im Jahr 2020 50.000€ eingetrieben. Diese Bußgelder stellen für die Bettler*innen ein Vermögen dar und mir ist es lieber, mit einer kleinen Geld- oder Essensspende weiterzuhelfen, als zu beobachten, wie diesen Mitmenschen ein Bußgeld auferlegt wird. Mir begegnen die meisten bettelnden Menschen auch freundlich und höflich. Wenn man den bettelnden Menschen auf Augenhöhe begegnet und ihnen etwas Kleingeld oder etwas zu Essen gibt, kann ich mir schwer vorstellen, dass diese aggressiv werden.
Den anderen Punkt, den Sie ansprechen, ist die zunehmende Verelendung der Obdachlosenszene und der Drogenkonsum im öffentlichen Raum. Die Menschen sind unter anderem aufgrund der prekären Wohnungssituation sichtbarer. So stellt der Statusbericht der Hamburger Suchthilfe fest, dass zwischen 2019 und 2021 die Wohnungslosigkeit insbesondere in der Opioid-Gruppe bis auf 55% angestiegen ist und die prekäre Wohnsituation im Rahmen der Suchthilfe kaum bearbeitet werden kann. Nach Angaben des Drob Inn verfügen 75% der in der Einzelfallhilfe Betreuten über keinen eigenen Wohnraum (2018 30%). Folglich hält sich das Klientel gerade in der Innenstadt und auch in den innerstädtischen S-Bahn und U-Bahnhöfen auf. Der Senat steuert hier bereits mit umfassenden Hilfsangeboten gegen: eine höhere Zahl an Schlafplätzen im Winternotprogramm, das Projekt Housing-First, eine neue Tagesaufenthaltsstätte in der Spaldingstraße, sowie mehr Stellen in der Straßensozialarbeit im Bezirk Mitte. Ich bin überzeugt davon, dass das der richtige Ansatz ist.
Eine ausschließlich repressive Politik wird die Situation nicht verbessern. Diese verdrängt die Szene lediglich in die angrenzenden Stadtteile oder in andere Bahnhöfe. Eine Verbesserung erreichen wir, indem wir wirklich Hilfe leisten und zum Beispiel die noch nicht realisierten sozialen Hilfen aus dem Koalitionsvertrag umsetzen und ein Konzept entwickelt wird, wie der öffentliche Raum von allen bedenkenlos genutzt werden kann.
Mit freundlichen Grüßen
Sina Imhof