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Sina Imhof
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Frage von Siegfried S. •

Warum wurde die "Kalifat-Demo" nicht verboten? Wie rechtfertigen Sie dies? Dürfen dann bald auch Reichsbürger friedlich für ein 4.Reich demonstrieren? Werden Sie Extremisten als Lehrer verhindern?

Wie rechtfertigen Sie dass eine solche Demo einer Gruppierung gestattet wurde die der Hamburger-Verfassungsschutz als gesichert extremistisch einstuft?

Würden Sie im Umkehrschluss auch eine Demo von Reichsbürgern und Rechtsextremisten gestatten, auf der die BRD und das Grundgesetz verhöhnt/verunglimpft werden und die Schaffung eines 4.Reiches gefordert wird,solange alles "friedlich" bleibt? Wird bei Islamisten und Neonazis/Rechtsextremisten/Reichsbürgern mit zweierlei Maß gemessen?

Wie weit geht die Meinungsfreiheit, wenn allen "Ungläubigen" oder dem Westen allgemein mit "Konsequenzen" gedroht wird sobald das Kalifat erst einmal entstanden ist?

Darf der Anmelder der Demo, Joe Boateng, in Hamburg nach Abschluss seines Lehramtsstudiums dann Kinder mit seinen extremistischen Gedankengut indoktrinieren oder wird ihr Kabinett dies mit allen Mitteln verhindern?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr S.,


Ihren Unmut und Ihr Entsetzen über die Demonstration der Anhänger der Gruppierung "Muslim Interaktiv" am 27.4. am Steindamm können wir gut nachvollziehen. Auch uns als Grüne Fraktion haben die Bilder und vor allem die Parolen und Reden erschüttert. Es ist schwer erträglich, dass derartiges demokratiefeindliches Gedankengut auf der Straße geäußert wird. Doch jenseits der berechtigten und nachvollziehbaren Empörung ist bei der Bewertung derartiger Demonstrationen der Blick auf das Grundgesetz von entscheidender Bedeutung.


Die Versammlungsfreiheit ist im deutschen Grundgesetz ein hohes Gut, und ihre Ausübung ist dementsprechend weit gefasst. Das Versammlungsrecht lässt sich nicht aufgrund bestimmter Meinungsäußerungen einschränken, es sei denn, diese sind nach dem Grundgesetz verfassungswidrig. Ein Beispiel sind Symbole verfassungswidriger und terroristischer Organisationen nach § 86a. Die Sicherheitsbehörden – und nicht wir als Bürgerschaft – können Demonstrationen nur dann verbieten, wenn die begründete Erwartung der Billigung und Begehung von Straftaten besteht. Das bedeutet: Solange sich Anmelder*innen an alle Vorgaben halten, unter denen eine Versammlung stattfinden darf, gibt es rechtlich keine Handhabe, diese zu verbieten. Diese Erfahrung haben wir bei vergleichbaren Kundgebungen, beispielsweise rechtsextremer Organisationen, schon oft gemacht. Aber natürlich werden nun einzelne Parolen, die auf der Demo von „Muslim Interaktiv“ gezeigt wurden („Kalifat ist die Lösung“) auf ihre strafrechtliche Relevanz hin überprüft. Sollten im Ergebnis dieser Prüfung feststehen, dass es sich um Straftaten gehandelt hat, wird dies bei einer erneuten Anmeldung berücksichtigt und die Kundgebung ggf. einfacher untersagt werden können.


Auch bezüglich des Lehramtsstudiums von Joe Adade Boateng können wir Ihre Sorgen gut nachvollziehen. Jedoch gilt auch hier das Grundgesetz: Möglichen Hausverboten und Zwangsexmatrikulationen steht das Grundrecht auf freie Berufswahl des Einzelnen gegenüber. Zudem sind bislang keine Vorfälle im universitären Kontext im Zusammenhang mit Joe Adade Boateng bekannt, die einen Eingriff in die freie Berufswahl rechtfertigen würden. Wir lehnen es generell aus guten Gründen ab, etwaige „Gesinnungsprüfungen“ für Studierende gesetzlich festzuschreiben. Eine lebendige Demokratie muss innerhalb des grundgesetzlichen Rahmens unterschiedliche politische Haltungen aushalten. Gleichzeitig steht für uns als Grüne Fraktion fest, dass Menschen mit eindeutig extremistischen Gedankengut vom Staatsdienst ferngehalten werden müssen. Auch die zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank hat sich dazu am Freitag in der Landespressekonferenz geäußert und betont: „Diese Person ist bekannt, der Name ist bekannt und deshalb wird er in Hamburg kein Lehrer sein.”


Wir als Grüne Fraktion sehen die Aktionen von „Muslim Interaktiv“ als klare Gefahr für unsere Gesellschaft. Solche Aktionen wie am Wochenende sind abstoßend und müssen daher rechtlich eingedämmt werden. Daher begrüßen wir, dass ein Verbot von „Muslim Interaktiv“ bereits durch die Sicherheitsbehörden geprüft wird. Dieses Verbot zu verhängen, obliegt der Verantwortung der Sicherheitsbehörden, muss rechtlich begründet sein und vor Gericht standhalten. Entsteht in der Öffentlichkeit hingegen der Eindruck, ein Verbot sei politisch motiviert, kann dies letztlich seine Legitimation untergraben und gefährden.


Zugleich ist uns klar, dass Verbote allein den Islamist*innen nicht das Handwerk legen werden. Nur mit Maßnahmen zur aktiven Prävention können wir verhindern, dass sie auf Social Media und anderswo mit ihren Hassbotschaften Anschluss finden. Als Beispiel hierfür ist der Einsatz von digitalen Streetwork-Angeboten zu nennen, den wir in einem Antrag zur Extremismusprävention im Herbst in der Bürgerschaft mit den Stimmen der SPD, CDU und LINKEN und gegen die Stimmen der AfD beschlossen haben. Grundsätzlich sind wir in Hamburg mit der Ausstiegsberatung Legato, vier Bildungs- und Vernetzungsformaten für junge Menschen, zwei Koordinierungsstellen der Religionsgemeinschaften und drei sozialräumlichen Projekten in der Beratungsarbeit strukturell gut aufgestellt.


Darüber hinaus setzen wir uns dafür ein, dass flankierend zur wichtigen Prävention von Radikalisierung und Bekämpfung der Aktivitäten von “Muslim Interaktiv“ alle vorhandenen Maßnahmen intensiviert und ggf. ausgebaut werden, die die Beziehung zur Mehrheit unserer muslimischen Mitbürgern*innen stärkt. Hierzu gehören zum Beispiel die Fortsetzung der Staatsverträge, die Intensivierung der Gespräche zwischen Senat und Religionsgemeinschaften und die Ausbildung von Imamen in Deutschland. Die Institutionalisierung des Islams in Deutschland stärkt die Demokratie und ist zudem eine nachhaltige Maßnahme gegen extremistische, marginale Gruppen wie „Muslim Interaktiv“.

 

Mit freundlichen Grüßen

Sina Imhof

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