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Frage von Albin G. •

Frage an Simone Brand von Albin G. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie

Sehr verehrte Frau Brand!
Die Piratenpartei hat in ihrem Parteiprogramm,wenn ich richtig informiert bin,ein "eingliedriges Schulsystem mit individueller Förderung der Schüler und Schülerinnen beschlossen! Was habe ich mir darunter konkret vorzustellen?Ich würde mich freuen,wenn Sie mich da aufklären könnten,was man sich darunter konkret vorzustellen hat?
Mit freundlichen Grüssen
Albin Glauz

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PIRATEN

Sehr geehrter Herr Glauz,

vielen Dank für ihre Frage, welche ich im Folgenden beantworten werde. Sollten sich darüber hinaus Fragen ergeben, wenden Sie sich bitte gerne wieder an mich.

Eingliedriges Schulsystem:

Die TIMSS-Studie, DESI-Studie und die PISA-Studien stellten für die Sekundarstufe I in Deutschland fest, dass sich die mathematischen und die literarischen Kompetenzen zwischen Hauptschülern, Realschülern und Gymnasiasten zu einem großen Prozentsatz überschneiden. Das bedeutet, dass es in allen Schulformen sehr gute, mittlere und schwache Schüler gibt - nur eben in den Prozentanteilen unterschiedlich. Hieraus schließt die UNICEF-Studie "Disadvantages In Rich Nations", dass die Kinder in Deutschland zu früh und falsch sortiert werden. Die Studie fasste die Situation in Deutschland unter dem Titel: "Germany: Children Sorted For A Life" (Deutschland: Kinder für ihr ganzes Leben einsortiert) zusammen, um zu verdeutlichen, dass diese frühe Einsortierung kaum rückgängig zu machen ist. Die PISA-Sonderstudie zu Erfolgschancen von Migrantenkindern kritisiert ebenfalls das deutsche Bildungssystem. Migrantenkinder der zweiten Generation, also Schülerinnen und Schüler, die in Deutschland geboren sind, aber ausländische Eltern haben, erbringen noch schlechtere Leistungen als Migrantenkinder der ersten Generation; 40% von ihnen erreichen nicht die Kompetenzstufe 2.

Da sich die eingliedrigen Schulsysteme der PISA-Spitzenreiter Finnland und Kanada in der Vergangenheit als leistungsfähiger erwiesen haben und wir das Ziel verfolgen, die Zahl der Abiturienten pro Jahrgang zu vervielfachen, schlagen die NRW-Piraten ein eingliedriges Schulsystem vor, dessen vorrangiges Ziel es ist, möglichst viele Schüler zur Hochschulreife zu führen. Das bisherige viergliedrige System, bestehend aus Hauptschule, Realschule, Gymnasium und Gesamtschule selektiert zu früh und fördert zu wenig. Alle Schüler sollen grundsätzlich die Möglichkeit haben, ohne Schulwechsel das Abitur anzusteuern. Ein derartig tiefer Eingriff in die Schulrealität kann nicht von heute auf morgen umgesetzt werden. Die NRW-Piraten wollen daher die schrittweise Umsetzung unter Einbeziehung aller Beteiligten.

Fließende Schullaufbahn:

Jeder Schüler soll die Möglichkeit haben, seine Schullaufbahn individuell zu planen und fließend zu absolvieren. Auch bei einer umfassenden Beseitigung von herkunftsbedingten Leistungsunterschieden wird es immer Unterschiede im Leistungsniveau der Schüler geben. Dies gilt es in der Sekundarstufe I zu berücksichtigen. Die NRW-Piraten schlagen deshalb eine Schule der unterschiedlichen Geschwindigkeiten vor. Dazu werden die Klassenverbände nach einer zweijährigen Orientierungstufe zugunsten eines flexiblen Kurssystems aufgelöst. Ein flexibles Kurssystem löst zahlreiche Probleme des existierenden Klassensystem. Mangelhafte Leistungen in einer bestimmten Zahl von Fächern haben nicht mehr die Wiederholung der Klasse zur Folge, sondern lediglich die Wiederholung der mangelhaft abgeschlossenen Kurse. Umgekehrt werden besonders leistungsfähige Schüler nicht mehr unterfordert oder zum Überspringen einer ganzen Klassen gezwungen, sondern können Kurse wählen, die ihrer Leistungsfähigkeit entsprechen. Der Übergang in die Sekundarstufe II erfolgt fließend, sobald die entsprechende Zahl von Kursen der Sekunderstufe I erfolgreich abgeschlossen wurde. Damit wird auch die Problematik von G9 und G8 vermieden. Wenn mehrere Kurse derselben Leistungsstufe angeboten werden und der Schüler den Kurs und damit auch den Lehrer frei wählen kann, werden überdies viele Probleme vermieden, die allein daraus entstehen, dass die Schüler keinen Einfluss darauf haben, welche Lehrkraft sie unterrichtet.

Schulabschlüsse wie der Hauptschulabschluss, die Fachoberschulreife oder das Abitur werden durch den erfolgreichen Abschluss einer bestimmten Zahl von Kursen mit einer besonderen weiteren Prüfung erlangt. Um das Leistungsniveau innerhalb einer Schule und landesweit vergleichbar zu machen, müssen während der gesamten Schullaufbahn bestimmte Kurse durch eine zentrale Prüfung abgeschlossen werden.

Ein Curriculum mit Pflicht- und Wahlkursen gewährleistet dem einzelnen Schüler ein hohes Maß an Freiheit bei der inhaltlichen Differenzierung seiner Schullaufbahn und garantiert gleichzeitig, dass wichtige Grundkompetenzen im Sinne eines umfassenden Bildungsideals an alle Schülern vermittelt werden.

Individuelle Förderung:

Durch den Aufbau eines schulinternen Fördersystem sollen Schüler, deren Leistung nicht befriedigend ist, individuell unterstützt werden. Die dafür zusätzlich benötigten Lehrkräfte sind sofort einzustellen. Die Unterstützung der Lehrerinnen und Lehrer durch nicht-lehrendes Personal ist eine wesentliche Vorraussetzung für die Umsetzung der individuellen Förderung. Um einen Unterricht zu gewährleisten, der allen Schülern gerecht wird, darf die Klassen- bzw. Kursgröße in den Sekundarstufen I und II maximal 15 Schüler betragen. Dort wo es pädagogisch notwendig ist, wie in speziellen Fördergruppen, muss diese Zahl entsprechend niedriger sein.

Mit freundlichen Grüßen

Simone Brand