Frage an Silvio Horn von Markus L. bezüglich Öffentliche Finanzen, Steuern und Abgaben
Sehr geehrter Herr Horn,
ich habe den Eindruck, dass sich der Bund auf Kosten der Länder saniert und die Länder auf Kosten der Kommunen. Anstatt die Verwaltung an der "Bürgerfront" zu stärken, entstehen riesige Wasserköpfe in den Ministerien und Behörden. Entspricht dies auch ihren Erfahrungen? Was kann man dagegen tun?
Sehr geehrter Herr Leisring,
Ihre Frage hat für mich zwei Zielrichtungen: Die (schlechte) Finanzsituation der Kommunen und die Verwaltungsorganisation in den Gemeinden und im Land.
Zum ersten: Sie haben vollkommen Recht, obwohl die Städte die tragende Säule des Staatswesens sind, werden sie finanziell nicht angemessen ausgestattet mit der Folge, dass häufig die Einnahmen nicht einmal ausreichen, um die Pflichtaufgaben zu erfüllen. In Schwerin klafft ein Loch von über 20 Millionen Euro, und dass, obwohl hier bereits zahlreiche Sparmaßnahmen durchgeführt wurden. Und das ist kein Einzelfall: In M-V gibt es flächendeckend eine hohe Verschuldung der Kommunen; häufig ist die Situation so schlecht, dass Förderprogramme für Investitionen deswegen nicht in Anspruch genommen werden können, weil der geforderte Eigenanteilnicht aufgebracht werden kann. Deswegen unterstützen die FREIEN WÄHLER auch mit allem Nachdruck - und meines Wissens als einzige politische Gruppierung - das „Aktionsbündnis gegen kommunale Verschuldung“. Auch die kleinen Gemeinden unter 500 Einwohner, die gegen die FAG-Kürzungen (90%) erfolgreich geklagt haben, wurden von uns schon sehr frühzeitig politisch unterstützt.
Wie sieht es in den Kommunen durch diese Finanzmisere aus? Freiwillige Ausgaben werden immer weiter zurückgefahren und als Gipfel für den stetigen Abbau kommunaler Leistungen dürfen Bürger für die verbliebenen Aufgaben tiefer in die Tasche greifen; Gebührenerhöhungen sind an der Tagesordnung. Als letzte verbleibende Raubrittermaßnahme kommt dann in der Regel noch die Erhöhung der Grundsteuer B, die alle Wohnungseigentümer und auch Mieter zahlen müssen. Eine bodenlose Frechheit und stark gerechtigkeitswidrig. Hier in Schwerin stimmten die „Sozialparteien“ SPD, Grüne und die LINKE locker dem Griff ins Bürgerportomonaise zu; ich persönlich würde anregen, eine gesetzliche Kappungsgrenze dafür festzulegen. In unserem Programm finden sich zahlreiche Forderungen zur Verbesserung der Finanzsituation der Kommunen, von denen ich hier nur einige wenige nenne:
- Das Land muss unabhängig von den eigenen Einnahmen durch eine ausreichende Finanzausstattung die Handlungsfähigkeit der Kommunen garantieren oder anderenfalls die Kommunen von Pflichtaufgaben entlasten.
- Der Auftraggeber ist der Finanzierungsgeber. Überträgt das Land eigene, ihm zugeschriebene Aufgaben auf den Kreis oder die Kommunen, so hat es die Finanzierung dieser Aufgaben zu übernehmen - dauerhaft, also einschließlich Kostensteigerungen in den Folgejahren.
- Das Land legt im Zuge der Funktionalreform ein Sonderprogramm zur Entschuldung hochbelasteter Kommunen auf, mit denen im Konsens ein Weg zur dauerhaften Finanzierung der gemeindlichen Aufgaben zu suchen ist.
- Für die Erhebung der Kreisumlage wird durch Landesgesetz eine Höchstgrenze festgelegt.
Zum Zweiten Teil Ihrer Frage, der Verwaltungsorganisation:
Wir benötigen endlich eine umfassende Funktionalreform im Land, also eine Neuordnung der Aufgabenverteilung zwischen Bund und Kommunen - allerdings nicht von oben nach unten, also Land gibt vor und Kommunen nehmen hin, sondern im Konsens mit den Kommunen. Wir sehen hierin die Grundlage für die Verwaltungsstrukturen und ihre Finanzierung, nicht umgekehrt, wie es der Landtag leider mit der Kreisgebietsreform beschlossen und das Verfassungsgericht in dieser Woche mit einer höchstumstrittenen Entscheidung (knappe 4:3-Mehrheit in der Kammer) bestätigt hat. Die Organisation muss der Aufgabe folgen.
Kommunale Organisationsansätze aus anderen Bundesländern - wie z.B. die der Samtgemeinde oder der Verbandsgemeinden - sollten auf ihre Tauglichkeit für Mecklenburg-Vorpommern überprüft werden.
Auch in der Landesverwaltung gibt es zahlreiche Bereiche, die sicher effektiver organisiert werden können, so dass Kosten gespart werden können. Die pauschale SPD-Kritik am Landesbetrieb für Bau und Liegenschaften teilen wir so nicht, erst Recht nicht mit Blick auf die dort tätigen Mitarbeiter. Die Anzahl und Aufgabenzuweisung der Ministerien ist immer ein beliebter Bereich für Umstrukturierungen.
Überdenkenswert sind auch gesetzlich fixierte Standards mit finanziellen Auswirkungen für die Kommunen, also beispielsweise die Pflicht für Gemeinden ab 80.000 Einwohnern, eine Berufsfeuerwehr vorzuhalten.
Kommunen müssen grundsätzlich von bürokratischen Hemmnissen befreit werden, deshalb sind alle Genehmigungs- und Anzeigeverfahren zu überprüfen.
Ein Letztes: Auch der Landtag selbst hat finanzielles Einsparpotential: Wir würden Initiativen ergreifen, um beispielsweise Mehrfach-Diäten für Funktionsträger in den Landtagsfraktionen abzuschaffen. Auch eine Verkleinerung des Landtages ist für uns angesichts des stetigen Bevölkerungsrückganges in M-V eine wichtige Prüfoption.
Freundliche Grüße aus Schwerin!
Silvio Horn