Frage an Silvana Koch-Mehrin von Izaak M. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Zitat aus dem Focus:
http://www.focus.de/politik/ausland/koch-mehrin-eu-darf-sich-nicht-aufhalten-lassen_aid_310857.html
Das Nein der Iren zum Vertrag von Lissabon hat in Brüssel Krisenstimmung ausgelöst. Es dürfe aber kein Grund sein, das Reformwerk nicht wie geplant zum 1. Januar 2009 in Kraft zu setzen, findet die Europa-Abgeordnete Silvana Koch-Mehrin
Sehr geehrte Frau Dr. Koch-Mehrin,
klären Sie mich doch dann bitte einmal auf, wozu die Iren (und natürlich auch die anderen Staaten) überhaupt eine Stimme zu dieser Frage hatten?
Unabhängig davon, ob nun die jeweilige Bevölkerung befragt oder die
Politiker ohne Volksentscheid ihre Zustimmung oder Ablehnung äußerten?
Wenn im Nachhinein bei unbequemem Ergebnis sowieso einfach die Regeln geändert werden. Die Vorschriften sahen doch vor, dass nur ein einstimmiges JA das Machwerk hätte in Kraft treten lassen? Oder bin ich jetzt völlig fehl informiert?
Soll das die Demokratie sein, die wir Bürger in Zukunft von Europa zu erwarten haben?
Desweiteren würde mich interessieren, warum sie als Hardcorebefürworter der "Verträge", wie es ja aus dem Focus Interview hervorgeht, sich an der Abstimmung am 20.02.2008 nicht beteiligt haben?
Gruß
Morebeg
Sehr geehrter Herr Morebeg,
ich danke Ihnen für ihre kritischen Fragen.
Es war und ist das gute Recht der Iren, sich gegen den Vertrag von Lissabon zu entscheiden. Die Frage, wie es mit der EU weiter geht, muss differenzierter betrachtet werden. Sie sind korrekt informiert, nur bei Einstimmigkeit kann der Reformvertrag in Kraft treten. Ich bin der Meinung, die EU sollte kein Land, das den Vertrag nicht annehmen will, dazu zwingen. Ich fordere nicht den Ausschluss eines Mitglieds, was auch gar nicht möglich ist, und ich fordere auch kein Land zum Austritt auf.
In Bezug auf das Referendum in Irland verweise ich auf den Beschluss des Präsidiums der FDP vom 16. Juni 2008 "Die EU demokratischer, transparenter und handlungsfähiger machen. Ratifizierung des Vertrags von Lissabon fortsetzen", der wie folgt lautet.
"Das Präsidium der FDP hat das Votum des irischen Volkes mit dem gebotenen Respekt zur Kenntnis genommen. Es ist das gute Recht der Iren, so abzustimmen, wie sie es getan haben. Aber es ist auch das gute Recht der anderen Europäer, die EU demokratischer, transparenter und handlungsfähiger zu machen. Das ist das Ziel des Lissabonner Vertrages, und an diesem Ziel hält die FDP unbeirrt fest. [...]
Das irische Nein darf die EU nicht aufhalten. Eine neuerliche Denkpause darf es deshalb nicht geben. Gefordert ist jetzt ein starkes Signal der anderen Mitgliedstaaten. [...]
Die FDP lehnt Nachverhandlungen ab, die die Ergebnisse von Lissabon verwässern würden. Wenn eine Reform zu 27 nicht möglich ist, werden die, die die Reform wollen, neue Wege suchen und gehen müssen. Die FDP bekräftigt ihre Haltung, dass die notwendigen Reformen der EU möglichst gemeinsam zu erreichen sind, andere Modelle aber zulässig und sinnvoll sind, wenn sich ein gemeinsames Vorgehen als unmöglich erweisen sollte.
Die geltenden EU-Verträge sind für die erweiterte Union völlig unzureichend. Für die Herausforderungen der Globalisierung, vor denen die EU steht, ist sie mit dem Vertrag von Nizza nicht gerüstet. Deshalb werden hoffentlich auch jene Staaten den Vertrag zügig ratifizieren, die dies bisher noch nicht getan haben, außer Großbritannien namentlich Polen und Tschechien. Ob ein nachträglicher Meinungswandel in Irland - wie schon 2002 - doch noch möglich ist, muss sich dann erweisen."
Demokratie bedeutet: Alle Staatsgewalt geht vom Volk aus. Daran gibt es nichts zu diskutieren. Deswegen so meine ich, hätte auch über den Vertrag von Lissabon von allen Europäern im Rahmen eines Referendums abgestimmt werden sollen.
An der Abstimmung am 20.02.2008 im Europaparlament konnte ich mich nicht beteiligen, da ich mich zu diesem Zeitpunkt im Mutterschutz befand.
Mit freundlichen Grüßen
Silvana Koch-Mehrin