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Silvana Koch-Mehrin
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Frage von Thorsten J. •

Frage an Silvana Koch-Mehrin von Thorsten J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrte Frau Koch,

nach dem Nein der Iren zu dem Lissabon-Vertrag haben Sie gesagt, dass die Ratifizierung fortgeführt werden solle und dass die Iren nicht für 495 Million Europäer entscheiden sollten.

Der Vorläufer zum Lissabon-Vertrag war die EU-Verfassung, die durch 2 Referenden abgelehnt wurde. Zur Entstehung der EU-Verfassung hat Jean-Claude Juncker (luxemburgischer Regierungschef) Folgendes geäußert:
"Ich habe noch nie eine derartige Untransparenz, eine völlig undurchsichtige, sich dem demokratischen Wettbewerb der Ideen im Vorfeld der Formulierung entziehende Veranstaltung erlebt. Der Konvent ist angekündigt worden als die große Demokratie-Show. Ich habe noch keine dunklere Dunkelkammer gesehen als den Konvent." (Quelle: Der Spiegel, 16. Juni 2003)

Der Lissabon-Vertrag setzt auf der EU-Verfassung auf und ist in vielen Bereichen deckungsgleich. Das haben auch führende Europa-Politiker bestätigt:

Angela Merkel, Telegraph, 29.06.2007: "Die Substanz der Verfassung ist erhalten. Das ist ein Fakt."

Karel de Gucht (belg. Außenminister), Flandreinfo.be, 23.06.2007: "The aim of the Constitutional treaty was to be more readable; the aim of this treaty is to be unreadable… The Constitution aimed to be clear, whereas this treaty had to be unclear.”

Ich habe aufgrund Ihrer Äußerungen 3 konkrete Fragen an Ihr Verständnis von Demokratie:

1. Sind die Politiker für die Bürger da oder sind die Bürger für die Politiker da?
2. Die EU-Verfassung wurde in 2 Referenden abgelehnt. Der Lissabon-Vertrag, der nach Aussage von Angela Merkel in der Substanz der EU-Verfassung entspricht, wurde von den Iren abgelehnt. Was muss aus Ihrem demokratischen Verständnis heraus passieren, dass Sie ein Nein akzeptieren?
3. Sie haben geäußert, dass die Iren nicht für 495 Millionen Europäer sprechen sollten. Wieso haben Sie sich nicht dafür eingesetzt, dass auch in Deutschland ein Referendum stattfindet, damit 80 Millionen Deutsche für sich selbst sprechen können?

MfG
Thorsten

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Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Jakubowski,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Selbstverständlich sind Politiker für die Bürger da.

In Bezug auf das Referendum in Irland verweise ich auf den Beschluss des Präsidiums der FDP vom 16. Juni 2008 "Die EU demokratischer, transparenter und handlungsfähiger machen. Ratifizierung des Vertrags von Lissabon fortsetzen", der wie folgt lautet.

"Das Präsidium der FDP hat das Votum des irischen Volkes mit dem gebotenen Respekt zur Kenntnis genommen. Es ist das gute Recht der Iren, so abzustimmen, wie sie es getan haben. Aber es ist auch das gute Recht der anderen Europäer, die EU demokratischer, transparenter und handlungsfähiger zu machen. Das ist das Ziel des Lissabonner Vertrages, und an diesem Ziel hält die FDP unbeirrt fest.

Der Europäische Rat in dieser Woche ist gefordert, das unter deutschem Vorsitz Erreichte zu bewahren und klar zu machen, welche Maßnahmen die jetzt kommende französische Präsidentschaft ergreifen will, um das Ziel, den Vertrag von Lissabon wie vorgesehen am 1.1.2009 in Kraft treten zu lassen, zu erreichen.

Das irische Nein darf die EU nicht aufhalten. Eine neuerliche Denkpause darf es deshalb nicht geben. Gefordert ist jetzt ein starkes Signal der anderen Mitgliedstaaten. Die FDP begrüßt deshalb die klare Absicht der britischen Regierung und ihrer britischen Schwesterpartei LDP, die Ratifizierung an diesem Mittwoch zum Abschluss zu bringen.

Die FDP lehnt Nachverhandlungen ab, die die Ergebnisse von Lissabon verwässern würden. Wenn eine Reform zu 27 nicht möglich ist, werden die, die die Reform wollen, neue Wege suchen und gehen müssen. Die FDP bekräftigt ihre Haltung, dass die notwendigen Reformen der EU möglichst gemeinsam zu erreichen sind, andere Modelle aber zulässig und sinnvoll sind, wenn sich ein gemeinsames Vorgehen als unmöglich erweisen sollte.

Die geltenden EU-Verträge sind für die erweiterte Union völlig unzureichend. Für die Heraus-forderungen der Globalisierung, vor denen die EU steht, ist sie mit dem Vertrag von Nizza nicht gerüstet. Deshalb werden hoffentlich auch jene Staaten den Vertrag zügig ratifizieren, die dies bisher noch nicht getan haben, außer Großbritannien namentlich Polen und Tschechien. Ob ein nachträglicher Meinungswandel in Irland - wie schon 2002 - doch noch möglich ist, muss sich dann erweisen."

Ich setze mich für mehr direkte Demokratie ein und unterstütze ein europaweites Referendum zum Vertrag von Lissabon.

Mit freundlichen Grüssen

Silvana Koch-Mehrin