Frage an Silvana Koch-Mehrin von Andreas B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Dr. Koch-Mehrin,
ich wende mich heute an Sie als FDP-Spitzenkandidaten als stellvertretende Fraktionsvorsitzende der liberalen Fraktion im Europäischen Parlament (ALDE-Fraktion). In Deutschland sprechen Sie sich gegen eine Erweiterung der Antidiskriminierungsrichtlinien durch die Europäische Union aus. Als Begründung nennen Sie hierfür häufig, dass dies zu mehr Bürokratie führen würde. Ist für Sie Bürokratieabbau wichtiger als der Kampf für Gleichstellung und gegen Diskriminierung? Oder ist es Populismus, wenn Sie und die anderen Liberalen in Deutschland gegen die EU-Antidiskriminierungsrichtlinie kämpfen und dann aber Ihre Liberale-Fraktion im Europaparlament dafür stimmt?
Mit freundlichen Grüßen
Andreas Blau
Sehr geehrter Herr Blau,
vielen Dank für Ihre Frage vom 20. Mai, die ich im Folgenden gerne beantworte.
Die gegen die Stimmen der FDP verabschiedete EU-Richtlinie zur Antidiskriminierung verstößt nach unserer Auffassung gegen das Prinzip der Subsidiarität. Es fällt nicht in die Kompetenz des EU-Gesetzgebers, in der Sozialgesetzgebung derart weit in die Selbstbestimmung der Mitgliedstaaten einzugreifen. Die Bekämpfung von Diskriminierungen aller Art ist für Liberale ein unbedingtes Kernanliegen. Die vorgesehene Ausdehnung der Antidiskriminierungsvorschriften auf nahezu alle Lebensbereiche ist aber realitätsfremd.
So führt zum Beispiel die in der Richtlinie verankerte Beweislastumkehr dazu, dass Beschuldigungen ohne hinreichende Beweise ausreichen, um ein Verfahren zu eröffnen. Betroffene müssten dadurch Entschädigungen leisten, obwohl sie nicht diskriminiert haben, aber ihre Unschuld nicht nachweisen können. Das passt nicht in einen Rechtsstaat. Sozialgesetzgebung muss Sache der Nationalstaaten bleiben.
Beste Grüße aus Brüssel
Dr. Silvana Koch-Mehrin MEP