Frage an Silvana Koch-Mehrin von Paul G. bezüglich Europapolitik und Europäische Union
Sehr geehrter Frau Koch-Mehrin,
im Zuge der anstehenden Europawahl interessiert mich Ihre Meinung zu folgendem Thema:
Vor etwas mehr als einem Monat haben Libyen und Italien die Vereinbarung getroffen, dass Libyen seine Grenzkontrollen verschärft, um Flüchtlinge dran zu hindern, die Mittelmeerküste zu erreichen und den riskanten und oft tödlichen Weg nach Europa anzutreten. Auch die EU-Institution Frontex (Europäische Agentur für die operative Zusammenarbeit an den Außengrenzen) verfolgt, unterstützt von Deutschland, das Ziel, Flüchtlinge möglichst weit vor Europas Grenzen aufzuhalten. Senegal und Lybien unterhalten Auffanglager, in welche aufgefasste Flüchtlinge bis zu ihrer Abschiebung deportiert werden.
Aber ist dies der richtige Weg? Menschenrechtsorganisationen berichten von Misshandlungen und Vergewaltigungen, von dahinvegetierenden Kindern und dem Aussetzen von Flüchtlingen in der Wüste. Trotz starken Kontrollen steigt die Zahl der Flüchtlinge z.B. in Italien weiter stark an. Aufgrund der strengen Kontrollen weichen die Schlepper auf immer gefährlichere Routen zurück, zum Beispiel nicht mehr von Senegal auf die Kanaren sondern durch die Sahara und Lybien. Wer diese Gefahren und Strapazen auf sich nimmt lässt sich auch durch strengere Kontrollen nicht abschrecken. Wenn man bedenkt, dass ein Großteil der Flüchtlinge sowieso durch Urlaubsvisa und mit dem Flugzeug nach Italien kommt halte ich die Frontex-Maßnahmen für eine sinnlose Verschlimmerung der Zustände.
Die Frage ist auch, können sich die EU und Deutschland bei zunehmender Überalterung das Einigeln leisten? Sollten wir nicht lieber die Immigration in geregelte Bahnen lenken und die Integration der Einwanderer fördern. Kurzfristig mögen dadurch vielleicht höhere Kosten entstehen, aber auf einen längeren Zeitraum gesehen ist dies die einzige Möglichkeit, Renten, Arbeitslosengeld und so weiter zu sichern.
Mich würde interessieren, wie Sie und Ihre Partei zu diesem Thema stehen.
Hochachtungsvoll
Paul Gabrysch
Sehr geehrter Herr Gabrysch,
vielen Dank für Ihre Frage vom 19. Mai.
Eine Gesellschaft wird durch Vielfalt bereichert. Liberale begrüßen die ethnische und kulturelle Differenzierung in der Europäischen Union. Menschen unterschiedlicher Herkunft mit ihrer spezifischen Identität sind fester Bestandteil einer zukunftsweisenden liberalen Bürgergesellschaft.
Auf dem Weg zu einer gemeinsamen Asylpolitik müssen die unterschiedlichen Standards der Mitgliedstaaten in der Flüchtlings- und Migrationspolitik künftig stärker vereinheitlicht werden. Dabei darf die Harmonisierung der gemeinsamen Asylpolitik nicht zu einer Absenkung der flüchtlingsrechtlichen Standards in den Mitgliedstaaten führen.
Die Europäische Kommission steht hier in der Pflicht, zu kontrollieren, dass europäische Richtlinien in den Mitgliedstaaten unter strikter Beachtung der völkerrechtlichen Vorgaben der Genfer Flüchtlingskonvention umgesetzt werden. So darf beispielsweise der Widerruf des Flüchtlingsstatus nicht in Situationen erfolgen, in denen eine Rückkehr in das Herkunftsland noch nicht sicher erwartet werden kann.
Beste Grüße aus Brüssel
Dr. Silvana Koch-Mehrin MEP