Frage an Silvana Koch-Mehrin von Frank R. bezüglich Staat und Verwaltung
Guten Tag,
wie stehen Sie zur Aufnahme der Türkei in die EU?
Sehr geehrter Herr Roitzheim,
vielen Dank für Ihr Schreiben vom 12. Mai und Ihr Interesse an der Arbeit der FDP. Gerne gehe ich kurz auf Ihre Fragen zum Beitritt der Türkei ein.
Die Europäische Union ist in ihrer gegenwärtigen Verfassung nicht aufnahmefähig. Auf der anderen Seite ist die Türkei in ihrer gegenwärtigen Verfassung aber auch noch nicht beitrittsfähig. Klar ist: Die Türkei hat noch genügend in der gesellschaftlichen Durchsetzung und wirklichen Realisierung der bisher eingeleiteten Reformen zu tun: der Schutz von Minderheiten, die Religionsfreiheit, der Vorrang des Zivilen vor dem Militärischen, die Hinweise auf Folter.
Die Türkei kann nicht Mitglied der heutigen EU werden. Denn die heutige EU hat ein Parlament, das immer noch keine Gesetze auf den Weg bringen darf. Und stattdessen einen Reisezirkus zwischen Brüssel und Straßburg veranstaltet. Hinzu kommt eine Bürokratie, die den Bürgern nicht verantwortlich ist, aber unglaubliche Macht besitzt. Zudem leistet sich die EU bis heute ein Finanzsystem, das von vorgestern ist - etwa mit horrenden Agrarsubventionen, die Armut in der Welt schaffen. Auch hier würde die Türkei nicht passen, da sie in ihrer agrarischen Struktur enorme Subventionen erhielte, was das System sprengen würde.
Wir leben heute bereits in einem Europa der unterschiedlichen Geschwindigkeiten. Nur zwölf EU-Staaten haben den Euro eingeführt. Nur 13 Mitgliedsländer haben sich dem Schengener Abkommen angeschlossen, welches die Grenzkontrollen an den Binnengrenzen abbaut. Die Unterschiedlichkeit der Geschwindigkeiten in der Europäischen Union wird mit jeder neuen Erweiterung zunehmen. Was für eine EU dabei entstehen wird, ist noch nicht absehbar. Sicher ist: Es wird nicht mehr das Prinzip der einzigen, vollen Mitgliedschaft geben. Dafür werden einige EU-Mitgliedsländer stärker als andere in der Integration vorangehen. In ein solches Europa passt dann auch die Türkei.
Beste Grüße aus Brüssel
Dr. Silvana Koch-Mehrin MEP