Frage an Silke Stokar von Neuforn von Samuel C. bezüglich Recht
Sehr geehrte Fr. Stokar
Ich beobachte mit zunehmenden Besorgnis die Entwicklung Ihrer Partei seit dem Einzug in die Bundesregierung. Eine stets zunehmende Ideologisierung ihrer legislativen Handlungen trägt dazu bei, daß in Ihre Partei ein Regulierungs- und Überwachungsphanatismus zum Vorschein kommt. So nenne ich den von Ihren Partei maßgeblich beeinflußten Antidiskriminierungsgestz (ADG) nur als Beispiel. Ihr Vohaben geht weit über die europäische Richtlinie hinaus. Mein Sorge geht dabei nicht nur um die dadurch wachsende Bürkroatie sondern vor allem um die Beschneidung der Bürgerrechte, die Ihre Partei groß auf die Fahne geschrieben hat. Hier wollen Sie, Ihre Vorstellung einer Miteinander- und Toleranzgesellschaft schaffen, indem man mit drakonischem und autoritärem Eingriff in die Privatsphäre der Bürger eingreift. Heilt hier für Ihre Partei der Zweck die Mitteln. Mit einer Menschrenrechte-Rhethorik wollen Sie Ihr Weltbild den Bürgern aufzwingen und sie wie kleine Kinder entmündigen. Nicht nur die persönliche Meinungsfreiheit ist da gefährdet sondern beinhaltet Ihr Gesetz eine fundamentale Abkehr von grundlegenden rechtsstaatlichen Vorstellungen durch die geplanten Beweislastverlagerung im Falle einer Diskriminierungsklage und durch das Aufheben der Unschuldsvermutung.
Sehen Sie da einen WESENTLICHEN und SUBSTANZIELLEN Unterschied zu einer totaliären Mullah-Regierung, die auch beruhend auf die "Gute"-Moral Ihre Bevölkerung durch drakonischen und entmündigende Überwachung in Zaun hält?
In wiefern Wäre die BRD von einer DDR zu unterscheiden, die ebenfalls mit Regulierung und Überwachungsmaßnahmen in die private Sphäre der Bürger bekannt war? Bestreben Sie mit dem ADG die Durchsetzung einer linksautoritären Leitkultur?
Wenn Sie wieder in die Regierung wieder gewählt würden, gedenkt Ihre Partei ihre Linkserzkonservative Weltbild zu überdenken, zu überwinden, und zu modernisieren, um Bevölkerungsnah zu regieren? Wollen Sie weiterhin durch reaktionäre Gestzgebung, den Bürgern ihre Vorstellungen (gleichgültig wie gut sie sind) aufzwingen und ihnen einem Überwachungsstaat aufbürden?
Sehen Sie nicht die Gefahr durch ihr Gestzvorhaben, statt eine Kultur des Miteinanders eine mittelalterliche Gesellschaftsstruktur zurückzuetablieren, mit Ständen und Klassen wie "Frauen" und "Männer", "Alte" und "Junge", "schwarze" und "weiße". Werden Sie mit Ihrem Gestez doch nicht die Untershiede noch mehr akzentuieren und die Bürger aufeinander hetzen?
Sehen Sie nicht Ansätze, daß das ADG weder die Autonomie von Gruppen oder Individuen fördert, noch es die Bürger vor Behelligung schützt, im Gegenteil: es institutionalisiert die Bevormundung des Einzelnen und schafft eine beklemmende Konformitätskultur?
mit freundlichen Grüßen
Samuel Courtier
Antidiskriminierungsgesetz (ADG)
Sehr geehrter Herr Courtier
in Ihrer Frage zum Antidiskriminierungsgesetz arbeiten Sie mit zahlreichen falschen Unterstellungen, dennoch werde ich Frage ausführlich beantworten.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN stehen für die Anerkennung von Verschiedenheit, für Respekt und Gleichberechtigung. Diskriminierung ist Gift für das gesellschaftliche Zusammenleben. Menschen dürfen nicht willkürlich vom Zugang zu Beschäftigung oder zu Gütern und Dienstleistungen oder vom Zugang zu sozialer Absicherung ausgeschlossen werden. Es ist ein Eingriff in Bürgerrechte wenn Frauen pauschal höhere Tarife z.B. in der privaten Krankenversicherung bezahlen, wenn ausländische Familien am Wohnungsmarkt benachteiligt werden, wenn Homosexuellen Lebensversicherungsverträge pauschal verweigert werden, wenn behinderte Menschen in einem Restaurant nicht bedient werden, weil man unterstellt, sie würden andere Gäste stören. Besonders gravierend sind Benachteiligungen im Arbeitsleben: bei der Einstellung, beim beruflichen Aufstieg, bei den Arbeitsbedingungen, bei der Entlohnung.
Wir treten dafür ein, dass niemand wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, wegen einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität benachteiligt wird. Das entspricht europäischen Bürgerrechtsstandards. Mit dem ADG setzen wir vier EU-Richtlinien gegen Diskriminierung aus den Jahren 2000-2004 sachgerecht in deutsches Recht um. Die Mehrheit der Unions- und FDP-regierten Länder im Bundesrat hat das In-Kraft-Treten des im Bundestag im Juni 2005 beschlossenen Antidiskriminierungsgesetzes vorerst verhindert. Diese Blockadepolitik von CDU/CSU und FDP führt dazu, dass Deutschland bei der Umsetzung der EU-Richtlinien gegen Diskriminierung weiter in Verzug gerät.
BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden sich auf Grundlage des eingebrachten Gesetzes auch in der nächsten Legislaturperiode für ein umfassendes Antidiskriminierungsgesetz einsetzen.
Zu Ihrem Vorwurf, das ADK schafft einen Überwachungsstaat und gefährtet die Freiheit, habe ich eine entgegengesetzte Position: Minderheiten haben ein Recht auf aktiven Schutz gegen Diskriminierung. Eine gesellschaftspolitische Vorstellung, die Diskriminierung zum Freiheitsrecht erhebt, ist mir fremd. In einer globalisierten Welt ist die Anerkennung von Vielfalt ("Diversity") die Grundlage für Freiheit, Sicherheit und Frieden. Viele europäische Länder haben längst Antidiskriminierungsgesetze, die viel weiter reichen als der rot-grüne Gesetzentwurf, z.B. die Niederlande, Belgien, Frankreich, Irland, Schweden, Dänemark.
Das ADG führt keineswegs zu mehr Bürokratie. Für die meisten Betriebe wird sich durch das ADG rein gar nichts ändern. Denn die praktizieren schon Antidiskriminierung. Die Behauptung, Arbeitgeber müssten nun z.B. alle Bewerbungen aufheben, ist blanker Unsinn. Es gibt keine Dokumentationspflicht. Schon heute gilt ein arbeitsrechtliches Diskriminierungsverbot aufgrund des Geschlechts (§ 611a BGB). Dennoch bewahrt kein Arbeitgeber, der einen Mann einstellt, alle Bewerbungen von Frauen auf, um sich gegen etwaige Klagen zu schützen.
Das ADG verletzt auch nicht die Vertragsfreiheit. Vertragsfreiheit gilt immer für beide Seiten: Für Arbeitgeber und für Arbeitnehmer, für Anbieter und Verbraucher. Vertragsfreiheit heißt auch: Menschen müssen am Markt teilnehmen können. Sie dürfen nicht ausgegrenzt werden, weil sie dunkle Haut haben, weil sie eine Frau sind oder weil sie angeblich zu alt sind. Alle haben das Recht auf eine faire Chance. Genauso wie das Mietrecht oder das Verbraucherschutzrecht zum Schutz der strukturell Schwächeren bestimmte Standards setzen, tun wir das auch mit dem Antidiskriminierungsgesetz.
Das ADG geht nicht weit über EU-Vorgaben hinaus. Lediglich in einer Frage geht das ADG mit Bedacht über aktuelle EU-Vorgaben hinaus: Konzentriert auf so genannte Massengeschäfte des täglichen Lebens beziehen wir im Zivilrecht, beim Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, auch Benachteiligungen aufgrund der Religion oder Weltanschauung, des Alters, der sexuellen Identität oder einer Behinderung mit ein. Bislang gibt es im Zivilrecht EU-Vorgaben nur für ethnische Herkunft und Geschlecht. Das bietet keine stimmige Lösung, sondern würde neue Ungerechtigkeiten schaffen. Die Forderung nach strikter Umsetzung 1:1 bedeutet in der Realität: Behinderten, Juden, Homosexuellen oder älteren Menschen wird gleicher Diskriminierungsschutz verweigert. Im Arbeitsrecht bewegt sich das ADG voll in dem von EU-Richtlinien oder europäischer Rechtssprechung gesetzten Rahmen. Wenn einmal etwas nicht wörtlich in den Richtlinien zu finden ist, dann folgt das ADG an diesen Stellen einschlägigen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes.
Das ADG führt nicht zur Bevorzugung von Minderheiten. Diskriminierungsschutz bedeutet nicht Privilegierung bestimmter Gruppen, sondern bedeutet Anspruch auf Respekt und gleiche Chancen. Das ADG verpflichtet selbstverständlich nicht dazu, eine bestimmte Person einzustellen oder ihr eine Wohnung zu vermieten, weil sie z.B. behindert, ausländischer Herkunft oder homosexuell ist. Weiterhin kann der Arbeitgeber Bewerber A auswählen, weil er ihn für qualifizierter hält als Bewerber B oder auch einfach nur deshalb, weil er ihn sympathischer findet. Es geht allein darum, dass niemand von vornherein willkürlich ausgeschlossen wird.
Das ADG kehrt nicht die Beweislast um. Die EU-Richtlinien schreiben eine Beweiserleichterung vor. Das setzen wir 1:1 um. Das ist auch nichts Neues: Die gleiche Regelung haben wir in Deutschland bereits seit 1980 bei der Geschlechtergleichstellung im Arbeitsrecht (§ 611a BGB). Natürlich reicht die bloße Behauptung einer Diskriminierung nicht aus. Dem Gericht müssen Tatsachen glaubhaft gemacht werden, die vermuten lassen, dass eine Diskriminierung vorliegt. Nur wenn das gelingt, z.B. durch Zeugenaussagen, verlagert sich die Beweislast. Dann trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass keine Diskriminierung vorliegt, bzw. sachliche Rechtfertigungsgründe vorliegen. Das ist rechtsstaatlich einwandfrei und funktioniert in der Praxis ohne Probleme.
Das ADG führt nicht zu einer "Prozessflut". Die gleichen Befürchtungen wurden bereits 1980 geäußert, als aufgrund von EU-Recht ein Benachteiligungsverbot aufgrund des Geschlechts einführt wurde (§ 611a BGB). Dokumentiert sind seitdem etwas über 100 Verfahren in Deutschland. Antidiskriminierungsgesetze funktionieren nicht dadurch, dass es viele Prozesse gibt. Sie wirken präventiv, weil sie ein Leitbild für einen respektvollen Umgang miteinander liefern. Aber natürlich wird und soll es einzelne Musterverfahren geben, die deutlich machen: Unsere Rechtsordnung missbilligt es, wenn Menschen ausgegrenzt und herabgewürdigt werden.
Ich hoffe, ich konnte Ihre Vorbehalte gegen das ADG entkräften. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ist die verläßliche Bürgerrechtspartei in Deutschland, weil wir Diskriminierungsschutz in Deutschland sicherstellen und nicht wie die FDP im Bundesrat blockieren und verhindern.
Mit freundlichen Grüßen
Silke Stokar