1. Seit wann wissen Sie von dem Abzug Bundeswehr aus Afghanistan? 2. Wie kann den verbliebenen Ortskräften (konkret!) geholfen werden? 3. Müssen wir bezogen auf Auslandseinsätze umdenken?
Guten Tag Frau Dr. Launert,
Die Nato-Partner haben nach einem rund 19 Jahre langen Einsatz Afghanistan in nur wenigen Monaten verlassen.
Ein wesentliches Ziel dieses Einsatzes war die repressive Vorherrschaft der Taliban zu begrenzen bzw. zu überwinden. Nur wenige Wochen nach dem Abzug der Nato-Beteiligten aber haben die Taliban weitgehend die Kontrolle über Afghanistan übernommen.
Ich sehe die Bilanz als verheerend und den Einsatz der Bundeswehr als gescheitert, weil die Politik in diesem Zusammenhang es nicht im Ansatz geschaft hat klare Konzepte, Ziele und Strategien zu definieren. Wie werten Sie diese Kritik?
Sie haben am 25.03.2021 für die Fortsetzung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan gestimmt.
War Ihnen zu diesem Zeitpunkt bekannt, dass die Bundeswehr Afghanistan bald verlassen wird?
War der Abzug Gegenstand der Debatte?
Viele Grüße Thomas S.
Sehr geehrter Herr S.,
für Ihre Nachricht danke ich Ihnen sehr. Ich halte es für richtig und wichtig, dass uns die Geschehnisse in Afghanistan auch weiterhin beschäftigen. Zunächst möchte ich feststellen, dass diese Themen nicht im Zentrum meiner parlamentarischen Arbeit stehen, dennoch werde ich Ihre Fragen bestmöglich beantworten.
Das zwischen den USA und der Taliban verhandelte Abzugsdatum im April 2020 wurde während der Bundestagsdebatte am 25.03.2021 konsensual als nicht haltbares beziehungsweise nicht durchsetzbares Ziel genannt. Darüber hinaus war und ist Deutschland als NATO-Mitgliedstaat auch bezüglich der internationalen Partner in der Verantwortung. Man hatte den Einsatz zusammen begonnen und hat ihn auch gemeinsam beendet. Zudem ging es auch darum, Minderheiten und Frauen, sowie deren Rechte zu schützen und zu bewahren.
Zweifelsohne ist der Abzug der Bundeswehr nicht so durchführbar gewesen, wie es wünschenswert gewesen wäre. Doch auch an dieser Stelle möchte ich noch einmal meine Wertschätzung für unsere Soldatinnen und Soldaten ausdrücken, die an so einer gefährlichen Mission und vor allem der Evakuierungs- und Rettungsmission beteiligt waren.
Nun sind wir in der Pflicht vor allem denjenigen zu helfen, für die Deutschland eine besondere Verantwortung trägt. Hierbei stehen jetzt diplomatische Anstrengungen im Vordergrund, nachdem die gefährliche militärische Rettungsmission abgeschlossen worden ist. Konkret geht es darum, diesen Menschen, zusammen mit ihren Angehörigen, die sichere Ausreise zu ermöglichen.
Bezüglich Ihrer Frage ist folgendes unser aktueller Kenntnisstand: Laut Informationen aus dem Auswärtigen Amt befinden sich aktuell rund 3.000 Ortskräfte in Afghanistan. Seit der Beendigung der militärischen Evakuierung am 26. August 2021 ist es der Bundesregierung gelungen, die Ausreise von mehr als 2.600 Personen zu ermöglichen. Das Auswärtige Amt nutzt dafür Flüge von Kabul nach Doha sowie Flüge von Islamabad aus nach Deutschland. In den letzten zwei Wochen konnten diese mit einer noch höheren Frequenz durchgeführt werden. Die deutschen Auslandsvertretungen in den Nachbarländern werden denjenigen ehemaligen Ortskräften, die eine Aufnahmezusage erhalten haben, Einreisedokumente ausstellen. Für die hierbei auftretenden Probleme, namentlich das Fehlen gültiger Reisepapiere, welche den Taliban weiterhin zur Ausreise vorgelegt werden müssen, steht das Auswärtige Amt mit den Taliban und der pakistanischen Regierung in Kontakt, um pragmatische Lösungen zu finden.
Bezüglich der Konsequenzen für andere Auslandeinsätze der Bundeswehr darf ich auf meine Antwort auf eine andere Frage bei abgeordnetenwatch.de verweisen: Hier betone ich die Wichtigkeit der Aufarbeitung sowohl des Einsatzes wie auch der Beendigung in Afghanistan. Geeignete Möglichkeiten dafür gibt es im Bundestag mit dem Untersuchungsausschuss sowie der Enquete-Kommission. Hier müssen gemachte Fehler analysiert und die richtigen Konsequenzen daraus gezogen werden. Es gilt, eine Wiederholung der Geschehnisse zu verhindern.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Silke Launert