Frage an Silke Gericke von Wolf K. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Was sind Ihre drei wichtigsten Themen - und, konkret, wie wollen Sie Ihr Ziel erreichen.
Das angekreuzte Stichwort "Thema" muß angeklickt werden, ist aber für meine Frage irrelevant
Sehr geehrter Herr Krisch,
vielen Dank für Ihre offene Frage. Das heißt aber auch, dass ich nicht kurz antworten kann.
Für mich sind drei entscheidende Themen wichtig:
- eine sinnvolle Infrastrukturplanung im Sinne des Klimaschutzes und des sozialen Miteinanders
- der soziale Zusammenhalt in unserer Gesellschaft
- Bildungsgerechtigkeit
Infrastrukturplanung heißt ganz konkret, die Kommunen hier im Ballungsraum zu unterstützen, bezahlbaren Wohnraum zu schaffen und ein Quartiersmanagament zu leisten, das allen Menschen Wohnraum und Aufenthaltsqualität bietet - Alt und Jung - mit großem oder kleinen Geldbeutel. Denn die Wohnungsnot hier im nördlichen Ballungsraum ist groß. Ludwigsburg ist laut der Mietspiegel-Auswertung 2019 auf Rang 8 von 351 Kommunen in Deutschland. Insgesamt sind fünf Kommunen des Landkreises Ludwigsburg unter den 30 Städten mit den teuersten Mieten. Wenn unsere Kommunen hier im Raum Ludwigsburg nur noch Besserverdienenden gehören würde, würde das zu einer Gentrifizierung führen. Das kann nicht Ziel von Politik sein. Wir müssen hier einschreiten, um die Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich zu stoppen. Das heißt einerseits, dass Kümmerer in den Kommunen und Landkreisen mit Förderung des Landes installiert werden müssen, die Leerstände mit Hilfe einer öffentlichen Kampagne identifizieren können. Hierbei sollte bei Eigentümer*innen, denen die Vermietung bisher zu umständlich und anstrengend ist, das Bewusstsein geweckt werden, dass die Vermietung ihrer Wohnungen oder Häuser, ein wertvoller Beitrag in der Wohnraumpolitik darstellt. Die Eigentümer können sich an ihre jeweiligen Kommunen wenden und bekommen Unterstützung bei der Vermietung. Das kann so weit gehen, dass der Landkreis oder die Stadt selbst als Zwischenmieter in Erscheinung tritt, um die Organisation für die Vermieter zu erleichtern.
Bei der Neuschaffung von Wohnquartieren mit guter Quote im Bereich des bezahlbaren Wohnraums sollte den Kommunen, die es sich nicht leisten können, selbst Flächen zu erwerben, durch das Land unter die Arme gegriffen werden. Jedoch steht für uns Grüne natürlich der Wohnbau immer unter der Maxime: Innenverdichtung vor Außenverdichtung. Das heißt uns ist wichtig, dass die Flächenversiegelung nicht zu stark zunimmt uns weiterhin Ausgleichsflächen bei Neuversiegelung geschaffen und ökologisch aufgewertet werden müssen. In diesem Zuge werden die Kommunen unterstützt Quartiere zu planen,
die auch ein gutes Mobilitätsmanagement aufweisen und der öffentliche Raum der Bevölkerung hauptsächlich zum Verweilen zur Verfügung steht - und nicht nur für das Parken von Fahrzeugen. Deshalb setze ich mich für die Angebotserweiterung von Buslinien und die Stadtbahn Ludwigsburg ein, die die Pendler*innen von Remseck im Osten nach Westen zu Ihren Arbeitsplätzen bringt und auch bis Schwieberdingen ins Industriegebiet zu Firmen wie Bosch reicht. Wir brauchen diesen nördlichen Spangenschluss im ÖPNV, um den Straßenausbau und Straßenneubau nicht noch mehr zu fördern. Mehr Carsharing und bessere Radwege sind weitere Mobilitätsbereiche, die wir hier in den Kommunen noch ausbauen müssen. Hierfür gibt es schon gute Förderungen durch das Land – gerade im Bereich des Radwegeausbaus. Wir müssen die Kommunen nur überzeugen, endlich in der Planung voranzuschreiten und die Konzepte aus der Schublade zu holen.
Im Bereich des Sozialen haben wir auch durch Corona eine neue Herausforderung zu meistern. Denn Krankheit, Bedürftigkeit, Arbeitslosigkeit, Behinderung und Diskriminierung stellen Menschen oftmals ins soziale Aus. Menschen in prekären Lebenssituationen brauchen Unterstützung und gesellschaftliche Teilhabe. Hier hat das grün-geführte Sozialministerium bereits vielfältige Hilfsstrukturen entwickelt. Diese Strukturen müssen jedoch in der kommenden Legislaturperiode noch verstärkt werden. Vor allem Kinder brauchen eine Chance auf ein gutes und gesundes Leben. Jedes fünfte Kind lebt in Armut. Hier brauchen wir noch mehr Präventionsinstrumente.
Betrachtet man allein die Zahlen im Landkreis Ludwigsburg: Im August 2020 waren bei der Agentur für Arbeit Ludwigsburg und dem kommunalen Jobcenter Landkreis Ludwigsburg insgesamt 12.599 Menschen arbeitslos gemeldet. Das waren 452 oder 3,7 Prozent mehr als im Vormonat und 3.186 oder 33,8 Prozent mehr als im August 2019. Die Corona-Krise stellt uns zusätzlich zum Transformationsprozess vor große Herausforderungen in der Region. Es ist uns Grünen wichtig, dass alle Menschen von ihrer Arbeit leben können und eine Chance haben, Arbeit zu finden. Gerechtigkeit und Vernunft diktieren den Mindestlohn in allen Branchen. Bereits vor der Einführung des Mindestlohns hat die grün-geführte Landesregierung dafür gesorgt, dass Unternehmen bei öffentlichen Aufträgen ihren Beschäftigten Tariflöhne und mindestens 8,50 Euro pro Stunde bezahlen. Mit dem Frauengleichstellungsgesetz erhöhen wir den Frauenanteil in Führungspositionen des öffentlichen Dienstes. Mit dem Landesprogramm „Gute und sichere Arbeit“ unterstützen wir zum Beispiel Langzeitarbeitslose dabei, wieder eine reguläre sozialversicherungspflichtige Arbeit zu finden. Für mich heißt das aber auch im Wahlkreis, Gespräche mit den Unternehmer*innen zu führen und mit ihnen nach Lösungen für den Arbeitsmarkt zu suchen und Anforderungen an die Landesregierung mit zu definieren.
Bei der Bildung ist schon der Anfang entscheidend. In Baden-Württemberg sollen alle Kinder die besten Chancen auf Bildung haben, unabhängig von ihrer sozialen Herkunft, ihren Talenten und Begabungen. Bestmögliche Förderung in unsere Kinder und Jugendlichen heißt investieren und Bildung auch mit Kapital zu hinterlegen. Dabei müssen wir auch die Kommunen mitnehmen. Auch wenn Corona ein großes Finanzloch in all unsere Verwaltungsbereiche gerissen hat - in die soziale Daseinsvorsorge der zukünftigen Generationen muss Geld fließen. Denn Bildung ist eines der Kernthemen auf der politischen Agenda unseres Landes. Wir müssen den Ausbau von Kindertageseinrichtungen mit hoher Qualität und mit hervorragend ausgebildeten pädagogischen Fachkräften weiter vorantreiben. Der Pakt mit den Kommunen in die frühkindliche Bildung muss bestehen bleiben und ausgeweitet werden. Das lohnt sich: Unsere Kitas haben den bundesweit besten Betreuungsschlüssel und bieten höchste Qualität. Über 50 Prozent mehr Unterdreijährige im Vergleich zu 2010 haben heute einen Kitaplatz im Land. Wir verwirklichen den Rechtsanspruch der Eltern auf Kleinkindbetreuung. Und da darf Corona keine Bremswirkung hervorrufen.
Beim weiteren Bildungsweg muss auch berücksichtig werden, dass Kinder und Jugendliche keine x-beliebige Masse sind. Jedes einzelne Kind muss eine Chance auf eine qualitativ hochwertige Bildung haben. Ich setze mich für Schulen ein, die Chancengleichheit verwirklichen, Inklusion leben, Kreativität und Eigenverantwortung fördern und beste Bildung garantieren. Deshalb haben wir GRÜNEN in der Legislaturperiode 2011-2016 die Gemeinschaftsschule als inklusive Schulart und die Ganztagsgrundschule eingeführt – und das kommt gut an. Längeres gemeinsames Lernen, Lerngruppen und Lernateliers, Kinder mit und ohne Behinderung zusammen in einer Klasse, Kooperationen mit Vereinen: Schule ist heute weit mehr als Frontalunterricht. Bildung ist eine Zukunftsinvestition.
Ein Beispiel, woran jedoch gute Bildung neben der digitalen Engpässe schon vor Corona schon gescheitert ist, dass wir einen extremen Lehrermangel im Land haben. Was halfen uns 600 neu geschaffene Lehrerstellen zum Schuljahr 2020/2021, wenn bereits über 5500 Lehrer*innen in Baden-Württemberg in den Schulen fehlen. Wir müssen die Kapazitäten der Lehrer*innen bündeln und Schule und Lehrpläne neu denken. Bereits vor Corona war gerade im Landkreis Ludwigsburg an den Schulen mehr Unterricht ausgefallen als im Landesdurchschnitt. Die Landesquote lag im Februar 2020 bei 3,8 Prozent, während der Landeswert mit 3,3 Prozent ermittelt wurde. Doch Corona hat es noch deutlicher aufgezeigt, Schule muss digitaler und zugleich müssen Lehrpläne nochmals genau überarbeitet werden. Unterrichtsausfall ist mehr eine Frage des Systems und der Organisation. Wir brauchen deshalb eine Aufstockung eines Unterrichtssicherungsfonds. Wenn also an einer Schule viele Lehrer*innen aus- oder wegfallen – ob wegen Krankheit, Schwangerschaft oder Ruhestand – muss flexibel reagiert werden können. Hierfür wurde in der Vergangenheit von uns GRÜNEN ein mehrstufiges Verfahren entwickelt, dass bereits bei kurzzeitigen Erkrankungen greifen kann. Damit erleichtert das Land nicht nur den Unterrichtsablauf an Schulen, sondern gibt Lehrkräften auch die Chance Erkrankungen auszukurieren. Der Einsatz von multiprofessionellen Teams in Schulklassen bietet die Möglichkeit, Kapazitäten zu bündeln und die Qualität von Bildung zu halten und auszubauen.
Wenn Sie weitere Fragen haben, stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung. Sie können auch direkt unter info@silke-gericke.de mit mir Kontakt aufnehmen.
Viele Grüße
Silke Gericke