Frage an Siegfried Kauder von Paul P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Kauder,
in der letzten Zeit ist die Debatte um einen Überwachungsstaat entbrannt. Ich habe daraufhin in den Medien eine Zusammenfassung der geplanten und auch entschiedenen Überwachungsmassnahmen erstellt und bin überrascht, welche Fülle aber auch Potential die vorgeschlagenen Massnahmen haben! Selbstverständlich ist es ein Traum der exekutiven und judikativen Staatsgewalt möglichst alles zu wissen um Gefahren der Bürger zu minimieren. Auf der anderen Seite ist es ein Recht der Bürger seine persönlichen Freiheiten (bezeichnet als "informelle Selbstbestimmung") zu bewahren. Hier sehe ich auf breiter Front massive Eingriffe gegenüber diesem!
Meine Frage: inwieweit wird bei den Gesetzen eine neutrale Abschätzung Persönlichkeitsrechte kontra Verhinderung von Gefahren getroffen? Zum Beispiel bei der LKW-Maut. Bei einer Aufklärungsquote von 95,8% bei Mord und Totschlag für das Jahr 2005 und einen Bruchteil davon auf deutschen Autobahnen (der Statistik auf bundeskriminalamt.de nicht zu entnehmen)! Inwieweit kann hier noch von Verhältnismässigkeit gesprochen werden wenn jeder Fahrer pauschal überwacht wird? Dies ist nur ein Beispiel aus vielen welche mir bei der Recherche in den letzten Tagen im Gedächtnis geblieben ist. Selbst die triviale Speicherung trägt Gefahren: so las ich von beängstigenden Nebeneffekten der Überwachung.
Welche Folgenabschätzung trifft die Bundesregierung bei Gesetzen die die Persönlichkeitsrechte tangieren? Welche Gremien sind für die Wahrung der "informellen Selbstbestimmung" zuständig und welches Stimmrecht haben sie? Sollte die Politik nicht die Freiheitsrechte auf die gleiche Stufe wie das Recht auf körperliche Unversehrtheit stellen und versuchen diese zu verteidigen? Sind wir seit dem 11. September nicht stark daran unsere über Jahrzehnte gewonnene Freiheiten aufzugeben und haben jetzt schon ein technisch ausgereifteres Überwachungssystem eingeführt als damals in der DDR?
Freundlicher Gruß
Pfeiffer
Sehr geehrter Herr Pfeiffer,
vielen Dank für Ihre über abgeordnetenwatch.de bei mir eingegangene Email vom 23. April 2007. Rechts- und Innenpolitik decken den Spannungsbogen zwischen innerer Sicherheit und Freiheitsrechten des Bürgers ab. Beide Ausschüsse des Deutschen Bundestages stehen im Dialog miteinander und es wird nicht verwundern, dass wir Rechtspolitiker eher den Schwerpunkt auf die Freiheitsrechte, dem gegenüber die Innenpolitiker ihr Augenmerk mehr auf die innere Sicherheit richten. In Zeiten, in denen terroristische Anschläge nicht ausgeschlossen werden können, bekommt dabei der Sicherheitsgedanke manchmal die Überhand. Ich bin für eine differenzierte Betrachtungsweise.
Wenn es beispielsweise um schwerwiegende Straftaten, wie die von Ihnen angesprochenen Tötungsdelikte geht, halte ich die Verwertung von Mautdaten zur Strafverfolgung für vertretbar. So wird es beispielsweise auch in Italien gehandhabt. Mit einer Aufklärungsquote von 95,8 % bei Mord- und Totschlagsdelikten darf man sich eben nicht trösten und auch nicht zufrieden geben.
Ein Feld, auf dem wir auf der Hut sein müssen, ist die Datenspeicherung. Meines Erachtens ist die Datenfülle schon jetzt größer als von Sicherheitsbehörden überhaupt auswertbar. Vorbehalte habe ich auch gegenüber der Online-Durchsuchung, die die Innenpolitiker für dringend notwendig erachten. Entscheidend ist, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beachtet wird.
Im Rechtsausschuss des Bundestages bin ich für die CDU/CSU-Bundestagsfraktion für den von Ihnen angesprochenen Bereich als Berichterstatter zuständig.
Mit den besten Grüßen
Siegfried Kauder, MdB