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Frage von Ruth L. •

Frage an Siegfried Kauder von Ruth L. bezüglich Recht

Sehr geehrter Herr Kauder,
zuerst einmal vielen Dank, dass Sie sich regelmäßig Zeit nehmen, die hier gestellten Bürgerfragen ausführlich zu beantworten!
Mich beunruhigt zunehmend, dass bei vielen Bürgern und Medien anscheinend ein Gewöhnungseffekt in Bezug auf Verfassungsbrüche eingetreten ist, insofern die Meinung existiert "War ja klar - was soll man machen - was gibt es sonst Neues?". Wenn Gesetze vom Bundesverfassungsgericht kassiert werden, kann ich mir dies noch teilweise erklären, da auch das BVerfG nicht immer 8:0 entscheidet - also auch bei den Richtern verschiedene Einschätzungen bestehen.
Es gibt aber auch - aus meiner Sicht - eindeutige Fälle, dazu drei Beispiele :
- die Abwahl des ZDF-Chefredakteurs Bender wurde von 35 Staatsrechtlern als Verfassungsbruch bewertet - geändert hat diese Bewertung nichts.
- das BVerfG hat laut einem Report Mainz - Bericht vom 21.09.2010 Fraktionszulagen - abgesehen vom Fraktionsvorsitzenden - für verfassungswidrig erklärt, da sie die Freiheit des Mandats beeinträchtigen - in 14 Bundesländern, u.a. auch im Saarland unter dem evt. künftigen Verfassungsrichter Müller, werden diese Zulagen - laut dem Bericht - trotzdem weiter gezahlt.
- der rheinland-pfälzische Justizminister Bamberger hat in verfassungsverletzender Weise versucht, den Präsidenten des OLG Koblenz zu ernennen - er bleibt aber Justizminister.
Meine Frage lautet daher : Welche Möglichkeiten sehen Sie, Verfassungsbrüche zu verhindern, anstatt sie nur im Nachhinein festzustellen und zur Tagesordnung überzugehen ?

Mit freundlichen Grüßen

Ruth Lieser

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Sehr geehrte Frau Lieser,

vielen Dank für Ihre Anfrage vom 16. März 2011, in welcher Sie die Normenkontrolle des Bundesverfassungsgerichts ansprechen.

Das Bundesverfassungsgericht ist das höchste Gericht des Bundes und eine unabhängige Instanz für die Kontrolle der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen (Normenkontrolle). Als Hüter des Grundgesetzes wacht es darüber, dass die drei Staatsgewalten, also die Regierung, das Parlament und die Rechtsprechung, sich an die Verfassung halten. Außerdem kann jede Bürgerin und jeder Bürger Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht erheben, die sich gegen ein Gesetz, ein Gerichtsurteil oder eine behördliche Maßnahme richten kann. Dabei verfügt das Bundesverfassungsgericht über die sogenannte gerichtliche Normverwerfungskompetenz: Es kann nach einer Prüfung die Entscheidung aller anderen Gerichte aufheben und bestehende Gesetze für ungültig erklären.

In Paragraf 1 Abs. 1 des „Gesetzes über das Bundesverfassungsgericht“ heißt es: „Das Bundesverfassungsgericht ist ein allen übrigen Verfassungsorganen gegenüber selbstständiger und unabhängiger Gerichtshof des Bundes“. Das bedeutet, dass das Bundesverfassungsgericht sowohl ein Gericht, als auch ein Verfassungsorgan ist. Es steht also auf einer Ebene mit den anderen Verfassungsorganen – der Bundesregierung, dem Bundestag, dem Bundesrat, und dem Bundespräsidenten. Als Teil der unabhängigen rechtsprechenden Gewalt (Judikative) ist das Bundesverfassungsgericht ein Organ zur Kontrolle der ausführenden Gewalt (Exekutive) und der gesetzgeberischen Gewalt (Legislative). Die Gewaltenteilung ist ein Kernstück demokratischer Systeme. Gegenseitige Kontrolle und Verflechtungen gewährleisten eine Machtbegrenzung der einzelnen Verfassungsorgane. Mit der Bestätigung oder Annullierung von Gesetzen erfüllt das Bundesverfassungsgericht folglich in erster Linie eine demokratische Funktion.

Regierung und Parlament versuchen Gesetze zu verabschieden, die verfassungskonform sind. Die Referenten in den Ministerien und Ausschüssen prüfen daher Gesetzentwürfe daraufhin, ob sie im Falle einer Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht Bestand haben. Doch einerseits können Referenten nicht im vornherein alle verschiedenen Facetten der eventuellen politischen, ökonomischen, technischen, sozialen und rechtlichen Probleme erfassen und bewerten. Andererseits enthält das Grundgesetz nur grundsätzliche und allgemein formulierte Regeln. Das Bundesverfassungsgericht hat daher zur Aufgabe, das Grundgesetz rechtsverbindlich zu interpretieren und fortwährend dem gesellschaftlichen Wandel entsprechend auszulegen. Aus diesen Gründen kommt es immer wieder zu Urteilen des Bundesverfassungsgerichts, die bestehende Gesetze anfechten und annullieren. Oft wird jedoch übersehen, dass das Gericht in der Regel die Übereinstimmung von Gesetzen mit der Verfassung feststellt und damit die Entscheidungen der Politik bestätigt.

Mit freundlichen Grüßen

Siegfried Kauder MdB