Frage an Siegfried Kauder von Sven P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Kauder,
auch wenn ich nicht aus Ihrem Wahlbezirk komme möchte ich Ihnen gerne eine Frage stellen.
Sie haben am 23.11 der Saarbrücker Zeitung folgende Sachverhalte in Bezug auf Pressefreiheit bei Terrorgefahrt wörtlich gesagt:
„Die Presse muss dazu verpflichtet werden, sich zurückzuhalten, wenn die Gefährdungslage wie jetzt hoch ist" und weiter (sinngemäß) "Vorstellbar seien gesetzliche Regelungen oder aber die Einführung eine Selbstverpflichtung der Medien, dass über bestimmte Erkenntnis nicht berichtet werde."
Sie sind Vorsitzender des Rechtsausschusses der Bundestages und sind studierter und praktizierender Jurist.
Ich zitiere hierzu das Grundgesetz Art. 5 I: "Eine Zensur findet nicht statt."
Dies kann natürlich durch Gesetze eingeschränkt werden, wenn z.B. gegen Menschenrechte verstoßen wird, oder in Deutschland Volksverhetzung begangen wird.
Warum soll also eine Berichtserstattung über vermeintliche Terrorziele unterbunden werden?
Anschlagsziele sind meist Ziele die entweder Symbole innerhalb der Gesellschaft darstellen, z.B. kulturelle Orte, Touristenmagnete, oder neuralgische Punkte der Wirtschaft, Verkehr bzw. Politik.
Diese Punkte sind aber zumeist gerade aufgrund ihrer Öffentlichkeit bereits geschützt, einer breiten Masse bekannt und von ihr besucht. Wenn, wie nun Innenminister de Maizière getan von einer diffusen Terrorgefahr auf konkrete Anschlagswarnung umgeschwenkt wird, besteht ein Informationsrecht der Bevölkerung.
Die Informationen sind zumeist in Touristenführern (mal ehrlich der Reichstag ist ein genauso "attraktives" Anschlagsziel, genauso wie das Weiße Haus in den USA, oder der Buckingham Palace). Wo sehen Sie also die Vorteile dieser gesetzlichen, oder freiwilligen Unterbindung von freier Berichtserstattung? Das eine Ausweitung von "zensurrelevanten" Punkten bei dann zu schaffender Gesetzeslage einfach ist steht außer Frage.
Wo ist also der Eingriff in unser Grundrecht gerechtfertig?
Mit freundlichen Grüßen
Sven Paulus
Sehr geehrter Herr Paulus,
ich danke Ihnen für Ihre Zuschrift zu meinen Äußerungen zur Pressefreiheit.
Es wird behauptet, ich wolle die Pressefreiheit einschränken. Das ist so schlicht und einfach nicht richtig. Nicht ich, sondern unsere Verfassung schränkt die Pressefreiheit ein. Artikel 5, Absatz 2 des Grundgesetzes lautet nämlich: „Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre“. Auch die Presse ist an Gesetze gebunden.
Ich will keine ungarischen Zustände. Mir geht es nicht um Zensur. Mir geht es darum, dass die Medien verantwortlich mit Ihnen zugespielten Informationen umgehen. Und dabei ergibt sich ein Problem: Ich bin seit sieben Jahren Mitglied in wechselnden Untersuchungsausschüssen. In keinem einzigen Untersuchungsausschuss ist es gelungen, zu verhindern, dass Geheimnisse nach außen sickern. Wenn wir schwere Straftaten aufzudecken haben, sind wir mitunter auf Informationen von Geheimdiensten anderer Länder angewiesen. Wenn wir Diensten befreundeter Staaten nicht garantieren können, dass wir Geheimnisse wahren können, erhalten wir von dort keine Informationen mehr.
Es gibt nicht nur die Pressefreiheit, sondern es gibt auch einen Anspruch des Bürgers auf innere Sicherheit. Diese Grundrechte sind gegeneinander abzuwägen. Das Recht auf innere Sicherheit ist ein grundrechtsgleiches Recht. Geheimnisverrat kann Ermittlungsansätze der Polizei und der Dienste (BND, BKA, MAD) zunichte¬machen und es kann Beamten, die sich im operativen Einsatz befindenden, das Leben kosten. Auch über die akute Terroranschlagsgefahr gingen der Presse Informationen zu, die aus ermittlungstaktischen Gesichtspunkten weder für eine Presseberichterstattung bestimmt noch geeignet waren.
Alle, die an diesem Staat mit Rechten beteiligt sind, haben auch Pflichten. Deswegen muss man miteinander darüber reden, ob man Geheimnisse so wahren kann, dass sie geheim bleiben. Darüber muss auch mit den Pressevertretern ein Gespräch möglich sein. Mit einem Angriff auf die Pressefreiheit hat das nichts zu tun. Die Presse sollte sich selbst verpflichten, über geheimschutzbedürftige Informationen Stillschweigen zu vereinbaren. Im Rahmen des Pressekodex müsste ein solches Agreement möglich sein.
Mit freundlichen Grüßen
Siegfried Kauder MdB