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Frage von Manfred B. •

Frage an Siegfried Kauder von Manfred B. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Kauder,

vor gut einem Jahr haben fast 60000 Bürger dieses Landes eine Petition "Einführung eines Bedingungslosen Grundeinkommens" unterzeichnet.
Leider haben es die von uns gewählten Volksvertreter nach über einem Jahr immer noch nicht geschafft, einen Termin für eine öffentliche Anhörung festzusetzen.

Da Sie Mitglied des Petitionsausschusses sind, können Sie mir vielleicht erklären warum das so ist bzw. ob Sie evt. schon einen Termin für die Anhörung benennen können.

Zum zweiten würde mich interessieren, wie Sie persönlich zu einem Bedingungslosen Grundeinkommen stehen, vor dem Hintergrund, dass es in unserer Gesellschaft ganz offensichtlich nicht genügend Arbeit geben wird, wo so viel verdient wird dass man davon menschenwürdig leben und am kulturellen Leben teilhaben kann.
Hierzu auch ein Interview mit dem US-Ökonomen Jeremy Riffkin, der auch schon deutsche Regierungen beraten hat:
http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/detail.php/916564?_skip=0

Mit freundlichen Grüßen
Manfred Burger

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Sehr geehrter Herr Burger,

vielen Dank für Ihre Anfrage, in der Sie die öffentliche Petition zum bedingungslosen Grundeinkommen ansprechen und mich nach meiner Meinung fragen. Gerne lege ich Ihnen meinen Standpunkt zu diesem Thema dar.

Die Grundidee, dass die Sozialbürokratie abgebaut und das Steuersystem stark vereinfacht werden müsste, finde ich gut. Allerdings sollte zu diesem Zwecke nicht, wie das bei der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens der Fall wäre, das gesamte Finanz- und Sozialsystem von Grund auf neu gestaltet werden. Eine solche drastische Umorganisation der staatlichen Haushalte hätte für Unternehmen und private Haushalte unabsehbare Folgen. Außerdem würde eine zu hohe staatliche Leistung die Arbeitsanreize der Bevölkerung schwächen. Es ist nämlich davon auszugehen, dass viele für das Funktionieren hochkomplexer Gesellschaften notwendige Arbeiten nur bei entsprechendem Anreiz ausgeführt werden. Vor allem Geringverdiener hätten bei einem Grundeinkommen von 1.500 Euro keinen Ansporn mehr arbeiten zu gehen.

Ein Hauptargument der Befürworter eines bedingungslosen Grundeinkommens ist der zunehmend sinkende Bedarf an Arbeitskräften durch Rationalisierungsprozesse. Doch die stetig sinkenden Arbeitslosenzahlen der letzten zwei Jahre machen deutlich, dass Arbeitslosigkeit mit einer guten Wirtschafts- und Sozialpolitik deutlich reduziert werden kann. Ein höherer Grad der Produktivität durch die Automatisierung der Arbeitsprozesse darf nicht dazu führen, das Ziel der Vollbeschäftigung aus den Augen zu verlieren. Auch bei weiter fortschreitender Digitalisierung und Technisierung werden in der Zukunft Tätigkeiten anfallen, die nicht durch maschinelle Arbeit allein erledigt werden können. Deshalb gehört es zu den vordringlichen staatlichen Aufgaben die volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die vorhandenen sozialen Sicherungssysteme durch eine hohe Erwerbstätigenquote finanzierbar bleiben.

Die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens, das allenfalls nur durch eine Erhöhung der Verbrauchssteuern zu finanzieren wäre, kann ich auch unter Gerechtigkeitsaspekten nicht befürworten. Während auch Vermögende, die eine staatliche Unterstützung im Grunde nicht benötigen, in den Genuss der Zahlung eines bedingungslosen Grundeinkommens kommen würden, tragen zum Beispiel weniger wohlhabende Familien aufgrund ihres höheren Verbrauchs an Konsumgütern überproportional zur Finanzierung dieses Systems bei. Nach dem Sozialstaatsprinzip ist aber die Gemeinschaft nur gefordert, soweit Einzelne aus persönlichen Gründen nicht in der Lage sind, ihren Lebensunterhalt zu verdienen.

Das in der Petition geforderte Modell eines bedingungslosen Grundeinkommens beruht auf einem anderen ökonomischen Grundsatz als die auf Erwerbsarbeit angelegte Marktwirtschaft, in der die soziale Sicherung überwiegend durch eine verpflichtete Sozialversicherung gewährleistet wird. Insofern ist sehr zu bezweifeln, ob die Einführung eines solchen Grundeinkommens nur in der Bundesrepublik Deutschland, die umfassend in die Weltwirtschaft und den europäischen Binnenmarkt eingegliedert ist, überhaupt möglich ist. Es darf außerdem nicht übersehen werden, dass eine Beschränkung auf in Deutschland ansässige Personen eine nicht zu bewältigende Zuwanderung auslösen würde, die zumindest aufgrund der innerhalb der Europäischen Union verbindlichen Freizügigkeit auch nicht verhindert werden könnte.

Der auf den ersten Blick einnehmende Vorschlag, mit der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens eine den Menschen entgegenkommende neue Sozialordnung zu schaffen, in der jeder nur nach seinen Vorstellungen tätig zu sein braucht ohne auf Erwerbsarbeit angewiesen zu sein, erweist sich für mich daher bei näherer Betrachtung als nicht realisierbare Wunschvorstellung. Eine Wirtschaft, in der die Befriedigung aller Bedürfnisse nicht über Erwerbsarbeit, sondern durch staatliche Leistungen erfolgt, ohne dass ein adäquater Produktionsprozess verlangt wird, ist empirisch nicht belegt und schlicht nicht vorstellbar. Eine andere Betrachtung könnte sich allenfalls durch Erkenntnisse aus weiterer wissenschaftlicher Forschung ergeben.

Mit freundlichen Grüßen

Siegfried Kauder MdB