Frage an Sibylle Laurischk von Nicolai W. bezüglich Jugend
Sehr geehrte Frau Laurischk,
morgen jährt sich der tragische Amoklauf von Winnenden zum ersten Mal. Aus diesem Anlass wende ich mich heute an Sie, die Vorsitzende des Bundestagsausschusses u.a. auch für Familie und Jugend. Mich interessiert, was genau sich in Deutschland auf Bundes-, Landes- oder kommunaler Ebene seit dieser Tat faktisch und messbar geändert hat.
Nach der Tat gab es eine ausgesprochen große Anteilnahme und einige Wochen lang höchst engagierte Diskussionen aller Gesellschaftsteile in nahezu allen Medien; danach wurde es erwartungsgemäß ruhig und die vielleicht erzielten Verbesserungen nicht mehr wirklich sichtbar.
Wenn Sie nach einem Jahr Bilanz ziehen und dabei vor allem den Schutz von Kindern und Jugendlichen im Auge haben: welche der vielfältig diskutierten Maßnahmen haben sich materialisiert, wo und in welchen Bereichen gibt es nachweisbaren (nicht nur diskutierten) Fortschritt?
Vielen Dank und mit besten Grüßen,
Nicolai Wrigg
Sehr geehrter Herr Wrigg,
die schockierenden tödlichen Gewaltverbrechen an deutschen Schulen machen immer wieder betroffen. Es ist von immenser Bedeutung solche Gewaltverbrechen nachhaltig aufzuarbeiten und darüber zu diskutieren. Die Diskussion muss dabei auch auf gesellschaftspolitischer Ebene geführt werden. Wir müssen hinterfragen, warum Amokläufer den einzigen Ausweg aus ihrer scheinbar ausweglosen Situation in einer brutalen Gewalttat sehen.
Im Anschluss an eine so schreckliche Tat, wie dem Amoklauf von Winnenden, werden häufig Forderungen nach einer Verschärfung des Waffenrechts laut. Dabei sollten wir jedoch nicht übersehen, dass nicht alleine die Waffe das Problem ist, sondern der Mensch, der sie einsetzt. Wir Liberale fordern daher eine Kultur des Hinsehens. In allen Fällen haben Amokläufer ihre Tat angekündigt. Auch wir Liberale halten gesetzliche Regelungen für den Umgang mit Waffen für wichtig. Allerdings darf hierbei eines nicht außer Acht gelassen werden: Deutschland hat schon heute eines der schärfsten Waffengesetze. Und es stellt sich die Frage der Wirksamkeit weiterer Verschärfungen im Waffenrecht. Gerade Großbritannien zeigt, dass ein noch schärferes Waffengesetz, nicht die Lösung ist. So sind in Großbritannien die Gewalttaten unter Einsatz von Waffen nicht zurückgegangen. Gerade das Gegenteil ist leider der Fall, wie wir fast täglich den Medien entnehmen können.
Wir als FDP treten dafür ein, dass der Fokus im Bereich des Vollzugs des bestehenden Waffenrechts liegen muss. Denn das beste Gesetz ist ohne entsprechenden Vollzug nutzlos.
Zur Vermeidung weiterer Taten, wie der von Winnenden, müssen darüber hinaus Gewaltprävention und Gewaltforschung im Vordergrund stehen. Insbesondere müssen gesamtgesellschaftliche Möglichkeiten genutzt werden, damit gerade Jugendliche nicht zu Gewalt angestachelt werden. Auch ein Verbot von Computerspielen ist allerdings der falsche Weg. Die FDP-Bundestagsfraktion hat sich daher bereits mehrfach kritisch zu den auch in der Vergangenheit vielfach geäußerten Forderungen nach einer weiteren Verschärfung der Gesetze im Bereich von Computerspielen ausgesprochen.
Wenngleich nicht ausgeschlossen werden kann, dass derartige Spiele ebenso wie der Konsum von Gewaltvideos eine etwaige ohnehin vorhandene Gewaltneigung negativ beeinflussen können, indem die Hemmschwelle zum Einsatz von Gewalt herabgesetzt wird, kann ein Verbot derartiger Spiele die Ursachen nicht bekämpfen. Vielmehr muss gegen die eigentlichen Ursachen von Gewalt vorgegangen werden. Schreckliche Einzeltaten, die nie monokausal auf Computerspiele zurückzuführen sind, können leider nicht völlig ausgeschlossen werden. Sie können aber nicht rechtfertigen, dass den zahlreichen Menschen, die verantwortlich mit Computerspielen umgehen, ihre Freizeitbeschäftigung verboten wird. Computerspiele, die gegen gesetzliche Vorschriften verstoßen, dürfen schon nach geltendem Recht nicht vertrieben werden. Verschärfungen über die geltenden Bestimmungen hinaus sind mithin nicht erforderlich.
Effektiver Jugendschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die von Eltern, Schulen und Politik ebenso wahrgenommen werden muss wie auch von Herstellern bzw. Vertreibern von Computerspielen. Die bestehenden jugendschutzrechtlichen Vorgaben sind ausreichend und müssen konsequent angewandt werden. So ist dafür Sorge zu tragen, dass der Vollzug des Jugendschutzrechts im Handel wie auch im Internet verbessert wird, so dass z.B. tatsächlich nur entsprechend der USK-Freigaben Spiele an Jugendliche abgegeben werden. Ein besonderer Schwerpunkt muss zudem auf die Stärkung der Medienkompetenz bei Jugendlichen selbst, aber auch bei den verantwortlichen Erwachsenen wie Eltern, Lehrern und Erziehern gelegt werden. Eine weitere Verschärfung der gesetzlichen Vorgaben hilft jedoch nicht weiter.
Mit freundlichen Grüßen
Sibylle Laurischk