Frage an Sibylle Laurischk von Mathias J. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Laurischk,
als Befürworterin des Vertrages von Lissabon (und Juristin) können Sie sicher Licht ins Dunkel im Wirrsal zum Thema Grund- und Menschenrechte bringen, was Ihren Kolleg(inn)en hier bisher nicht gelingen konnte.
Grundsätzlich möchte ich vorausschicken, daß ich von einem so wichtigen Vertrag ein Höchstmaß an Klarheit erwarten würde. Unser GG bietet dies: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ - eine herrlich klare Aussage. Dagegen sieht es im Vertrag von Lissabon anders aus. Hinzu treten Diversitäten zahlreicher Antworten in diesem Portal zum Thema, die aufzeigen, daß ich nicht ganz alleine bin im Jungle des Gesetzesapparates der Europäischen Union - mitsamt Parlamentariern, die sich auch schon mal durch Rückfragen an einen Fragesteller zur Herkunft der Information erkundigen. Es ist kompliziert und nicht KLAR und es geht um Grundrechte - für mich ein Widerspruch, der mit meinem Demokratieverständnis unvereinbar ist! Amtsblatt der EU unter C 303/17:
Ich lese hier Antworten bzgl. Einschnitten des „Rechtes auf Leben“: In den „Erläuterungen zur Charta der Menschenrechte“, wären Bezüge zur EMRK älteren Datums, würde ein Zusatzprotokoll zur Europäischen Menschenrechtskonvention aus 2002 vorrangig Gültigkeit besitzen vor o.g. Regelung aus 2007, welche Gegenteiliges erklärt und die EMRK mit ein bezieht, samt den „Negativdefinitionen“ („...müssen auch als Teil der Charta betrachtet werden...“). Ich könnte weitere Wirrungen aufzählen! Wie beurteilen Sie die Veröffentlichung C 303/17? Welchen Sinn sehen Sie in einer Veröffentlichung, die sich auf bereits 2002 angeblich abgeschaffte Regelungen beziehen soll?
Und noch eine überaus wichtige Frage, die noch nicht beantwortet wurde: Kann (heute oder in der Zukunft!) unter Anwendung des Art. 4 des Protokoll Nr. 13 zur Konvention zum Schutze der Menschenrechte das Recht auf Leben eingeschränkt werden? Wenn nicht, wie ist Art. 4 ansonsten zu verstehen?
Mit freundlichen Grüßen,
Mathias Joseph
Sehr geehrter Herr Joseph,
Vielen Dank für Ihre Frage.
Ich kann verstehen, dass der Europäische Einigungsprozess bei vielen Menschen ein Bedürfnis nach detaillierter Erklärung hervorruft. Aus meinem Verständnis des Lissabonner Vertrages kann ich aber keine Einschränkungen der Grundrechte feststellen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts hat auch klar den Vorrang des Grundgesetzes festgestellt und die Rechte des Bundestages gestärkt - nun müssen wir dies in die tägliche Praxis übersetzen.
Zu Ihrer letzten Frage: Die Todesstrafe ist abgeschafft. Das ist für mich der entscheidende Satz, und an diesem wird auch nicht gerüttelt.
Mit freundlichen Grüßen
Sibylle Laurischk