Frage an Sevim Dağdelen von Gisela B. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrte Frau Dagdelen,
eine Bekannte von mir ist alleinerziehend mit sechs Kindern und arbeitet als Betreuerin in einem Kinderhort. Weil ihre größeren Kinder etwas Geld verdienten, wurde ihr der Heizkosten-Zuschuss gestrichen. Nun trägt sie nachts noch Zeitungen aus
Dieses Beispiel zeigt, wie Alleinerziehende belastet werden.
Sobald das jüngste Kind drei Jahre alt ist, müssen Mütter erwerbstätig sein, wollen sie nicht mit Sanktionen bedroht werden.
Sollten nicht Eltern selbst entscheiden, wieviel sie sich um ihre Kinder kümmern?
Ist nicht die Erziehung eines Kindes eine gesellschaftlich wertvollere Arbeit als manche Erwerbstätigkeit?
Finden Sie es gerecht, dass Kinder von Minderbemittelten in so hart belasteten Verhältnissen aufwachsen, während Bürger mit hohem Einkommen in Freiheit leben können, d.h. frei entscheiden dürfen, wieviel sie sich um ihre Kinder kümmern, wann und wieviel sie arbeiten, keine Angst vor Bespitzelung ihrer Lebensverhältnisse zu haben brauchen und unangenehme Arbeiten zu miserablen Konditionen an die anderen abgeben können?
Ist die Spionage bei AlgII-Beziehern, z.B. wer mit wem zusammenwohnt, vereinbar mit der im Grundgesetz garantierten Würde des Menschen?
Sind Sie darüber informiert, dass die herabwürdigende Behandlung und Stigmatisierung der Betroffenen zu Selbstwertproblemen und zu gesundheitlichen Schäden führen kann?
Wer sanktioniert und bestraft wird, nimmt Arbeit zu Bedingungen an, die freiwillig niemand akzeptieren würde.
So werden durch die Erniedrigung von Erwerbslosen auch die Gewerkschaften mit ihren Forderungen nach angemessener Entlohnung, menschenwürdigen Arbeitsbedingungen und kürzeren Arbeitszeiten entmachtet.
Befürworten sie eine Orientierung der Regelsätze an der Deutschland und der EU anerkannten Armutsgrenze?
Setzen Sie sich für die Abschaffung der Sanktionen (Leistungskürzung, –entzug) für Erwerbslose ein?
Mit freundlichen Grüßen
Gisela Brunken
Sehr geehrte Frau Brunken,
ich danke Ihnen für Ihre Anfragen und sehe, dass Sie die Problematik erkannt haben.
Zu der Situation Ihrer Bekannten kann ich leider nichts sagen, da mir ihr Fall im Einzelnen nicht vertraut ist. Ich empfehle ihr, eine Sozialberatungsstelle aufzusuchen, um sich über Möglichkeiten zu informieren, wie sie aus diesem Teufelskreis herauskommt.
Arbeit und Kindererziehung müssen vereinbar sein. So sehe ich es und so sieht es DIE LINKE. Die Erwerbstätigkeit darf nicht zu Lasten der Erziehung und Betreuung der Kinder gehen. Im Zweifel hat das Wohl des Kindes Vorrang.
Durch die verfehlte Arbeits- und Sozialpolitik der Bundesregierung wächst die Spanne zwischen Arm und Reich immer weiter und schneller. DIE LINKE wirkt hier entgegen. Sozialschwache Menschen müssen den gleichen Zugang zu Bildung und Arbeit haben, wie andere auch.
Die von Ihnen erwähnte Spionage und Bespitzelung von Arbeitslosen ist in der Tat unhaltbar. Durch einen per Gesetz definierten Missbrauchsverdacht gegenüber Sozialleistungsempfängern wurde die Grundlage für ein Übermaß an Sammlung und Speicherung von persönlichen Daten der Betroffenen ermöglicht. Verfassungsmäßige Bedenken sind hier durchaus angebracht.
Der Druck auf die Leistungsempfänger kann, wie Sie schon richtig erwähnten nicht nur psychische- und gesundheitliche Schäden verursachen, auch die Gesunderhaltung stellt für die Menschen ein oftmals finanzielles Problem dar, da die zur Verfügung stehenden Mittel nicht ausreichen ,um zusätzliche Bedarfe wie Praxisgebühr und Medikamente zu decken.
Die Bemessungsgrundlage einer Grundsicherung darf sich nicht an einem festgelegten Armutskriterium orientieren, sondern sie muss so ausgerichtet sein, dass den Leistungsabhängigen die Teilhabe an Kultur und gesellschaftlichem Leben ermöglicht wird. Sie muss vor sozialer Ausgrenzung schätzen.
DIE LINKE setzt sich für eine Abschaffung der Sanktionen von Arbeitslosengeldempfängern ein, da diese deren Notlage nur verschlimmern und in keiner weise die Integration in Arbeit fördern.
Zu den hier angesprochenen Themen hat die Linksfraktion im Bundestag eine Vielzahl von parlamentarischen Initiativen erarbeitet und Anträge oder Gesetzentwürfe eingebracht. Ich darf hier auf einige davon hinweisen:
- Antrag "Bildungszugang von Kindern und Jugendlichen stärken - Finanzierung von Schüler-Innenbeförderung im SGB II ermöglichen" (Drucksache 16/4486)
- Antrag "Kindertagesbetreuung für Kleinstkinder sofort ausbauen und Qualität verbessern" (Drucksache 16/4412)
- Antrag "Öffentliche Kinderbetreuung ausbauen - Kommerzialisierung der Kinder und Jugendhilfe vermeiden" (Drucksache 16/9305)
- Antrag "Für Selbstbestimmung und soziale Sicherheit - Strategie zur Überwindung von Hartz IV" (Drucksache 16/997)
- Antrag "Bildungszugang von Kindern und Jugendlichen stärken - Finanzierung von Schüler-Innenbeförderung im SGB II ermöglichen" (Drucksache 16/4486)
Über weitere parlamentarische Initiativen können Sie sich auf der Homepage der Linksfraktion im Bundestag unter www.linksfraktion.de informieren. Sie können auch die vollständige Liste unserer parlamentarischen Initiativen zu diesen Themen in meinem Berliner Büro anfordern.
Mit freundlichen Grüßen
Sevim Dagdelen