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Sevim Dağdelen
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Frage von Stana K. •

Frage an Sevim Dağdelen von Stana K. bezüglich Innere Sicherheit

Sehr geehrte Frau Dagdelen,

ich sorge mich sehr wegen der offenen Grenzen in Europa. Besonders die Sache mit den offenen Grenzen nach Rumänien und Bulgarien macht mir zu schaffen. Wieso lassen Sie und Ihre Partei zu das Tausende vermeintliche Fachkräfte aus diesen Ländern nach Deutschland kommen? Wäre es nicht sinnvoller die in Deutschland bereits vorhandenen Arbeitslosen zu Fachkräften auszubilden? Und werden die Fachkräfte nicht in Runmänien und Bulgarien fehlen, wenn Sie sie hier rein lassen? Ich meine, verliert en Land wie Rumänien 1000 Ärzte oder Handwerker ist das doch eine Katastrophe, oder nicht? Soweit ich weiß sind die doch schon ziemlich arm dran dort drüben; die brauchen die Fachkräfte doch dringender, oder? Und außerdem..., wer sagt uns denn das es tatsächlich Fachkräfte sind die da kommen? Was wenn es vor allem Leute sein werden, die bloß kommen um unseren Sozialstaat auszunutzen? Ich frage mich ob Ihnen und Ihrer Partei das alles bewusst ist; ich meine Sie als Besserverdiener müssen ja dann nicht mit den Leuten die da kommen im selben Haus wohnen, oder? Aber ich habe das Gefühl das von so 100.000 Leuten die kommen etwa 5.000 Fachkräfte sein werden (die dann in ihrer Heimat [nicht nur] WIRTSCHAFTLICH schmerzlich vermisst werden) und bestimmt an die 95.000 Armutseinwanderer, die nur Harz IV wollen... Und ich habe das Gefühl das es unseren Politikern egal ist, weil die ja nicht mit diesen Armutsflüchtlingen zusammen leben müssen. Wie richtig liege ich mit meinem Gefühl?

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Sehr geehrte Frau Katic,

vielen Dank für Ihre Anfrage. Auch ich mache mir Sorgen; aber weniger um die vermeintlich offenen Grenzen als die Politik, die diese zum Problem machen und dabei Ursache und Wirkung nicht nur außer Acht lassen, sondern gezielt verfälschen und mit dem konstruierten Popanz einer angeblichen Armutszuwanderung ein Klima schafft, in Deutschland Vorschub, in dem der Rassismus zur Lebensgefahr für viele Menschen wird.

Global wie auch innerhalb der EU hat die Bundesrepublik maßgeblich dazu beigetragen hat, Wanderungs- und Fluchtursachen durch eine auf den puren Eigennutz ausgerichtete neoliberale Wirtschaftspolitik nicht nur nicht zu bekämpfen, sondern diesen eher noch Vorschub zu leisten. Statt die unfreiwillige Migration und die Fluchtursachen zu bekämpfen, bekämpft die EU und in ihr an "vorderster Front" die Bundesrepublik Migrantinnen und Migranten sowie Flüchtlinge. Und das mit vielfach tödlichen Folgen. Nach 1989 und dem Zusammenbruch bisheriger Gesellschaftsstrukturen sind Länder wie Bulgarien und Rumänien im Zuge der Strukturanpassungen verarmt. Auch heute wird durch die neoliberale Politik, insbesondere der Bundesrepublik, das Wohlstandsgefälle in der EU eher noch vergrößert. Das betrifft aber auch Länder wie Spanien, Portugal und Griechenland. Beispielsweise ist die Ankündigung eines dritten Griechenland-Paktes durch Bundesfinanzminister W. S. ein weiteres Milliarden-Geschenk an die griechische Oberschicht und die Gläubiger Griechenlands; also vor allem auch Deutschlands. Die Bundesregierung kämpft für sogenannte Reformen auf Kosten der Mehrheit der griechischen Bevölkerung, aber weigert sich wie auch die EU-Kommission die griechischen Oligarchen zur Kasse zu bitten. Die EU-Kommission sowie die Bundesregierung sind Anwälte der Millionäre. Das Problem sind nicht die Armen sondern die Armut. Laut Credit Suisse übertrifft das Vermögen der europäischen Millionäre mit 17 Billionen Euro die Staatsverschuldung aller 28 EU-Staaten von über elf Billionen Euro. Trotzdem verweigert sich die Bundesregierung einer Vermögensabgabe. Dass nun also aus den besagten Ländern Menschen nach Deutschland wandern ist vor allem ein Ergebnis einer falschen Politik, die in der EU maßgeblich von der Bundesregierung bestimmt wird.

Deutschland ist Profiteur der Krise und EU-Freizügigkeitsregelungen. Vor allem aus den von der Krise betroffenen Ländern wie Spanien, Griechenland, Italien und Portugal sind verstärkt Menschen eingewandert. Aber auch aus Bulgarien und Rumänien. Das Problem sind aber nicht die, die nach Deutschland bzw. in die EU kommen, sondern die, die getreu dem Motto ,Die Wirtschaft braucht mehr Ausländer, die ihr nützen und weniger kosten´ soll durch billigere ausländische Fachkräfte die Konkurrenzsituation auf dem Arbeitsmarkt verschärfen. Betroffen sind von diesem Nützlichkeitsrassismus sie, aber auch und besonders in Deutschland lebende Migrantinnen und Migranten. Denn die Bundesregierung wird ihre Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt und den (Aus-) Bildungsinstitutionen auch weiterhin nicht wirklich bekämpfen und drängt qualifizierte Migrantinnen und Migranten in Deutschland weiter ins Abseits. Das ist weder sozial noch integrativ. Deutschland will sich dabei nach purem Eigennutz und ohne Rücksicht auf die Folgen für das jeweilige Herkunftsland des weltweiten Fachkräftepersonals bedienen. Ihm werden die Kosten für die Ausbildung von Fachkräften überlassen. Schutzregelungen wie die 2012 beschlossenen Blue-Card-Bestimmungen zur angeblichen Verhinderung eines Brain Drain von Fachkräften, die vor Ort benötigt werden, sind ein pures Feigenblatt und sollen keine Wirksamkeit entfalten. Die bei der blue-card-Regelung geforderten Einstiegsgehälter unterschreiten übliche Facharbeiterlöhne und sind gerade kein Indiz für Mangelberufe.

Die Menschen, die aus den genannten Ländern kommen, bekommen in Deutschland ein Europa der Feindseligkeiten und des Rechtspopulismus zu spüren. Gegen sie wird von der Bundesregierung entgegen aller Fakten der Popanz eines vermeintlichen Missbrauchs von Sozialleistungen am Leben erhalten. Das Zerrbild einer bedrohlichen Armutsmigration, wie es unter anderem die CSU zeichnet, ist falsch. Unter dem Strich profitiert Deutschland von den Freizügigkeitsregelungen, insbesondere auch von der Beschäftigung, den Beitrags- und Steuerleistungen der eingewanderten Bürgerinnen und Bürger aus Rumänien und Bulgarien. Dies haben mehrere Studien ergeben. Für einen oftmals beklagten, jedoch nie belegten verbreiteten "Missbrauch" gibt es keinerlei Anhaltspunkte. Zahlen, Fakten und Daten zum Mythos "Armutszuwanderung" finden Sie hier: http://linksfraktion.de/nachrichten/mythos-armutszuwanderung-zahlen-daten-fakten/

DIE LINKE akzeptiert keinesfalls, dass Menschen nach Qualifikation und Arbeitsmarktlage in "Nützliche" und "Unnütze" oder "Erwünschte" und "Unerwünschte" eingeteilt werden. Quoten, Kontingente und Punktesysteme sind Instrumente einer menschenverachtenden, selektiven Einwanderungspolitik, die einer menschenrechtsorientierten Migrations- und Integrationspolitik wiedersprechen. DIE LINKE fordert deshalb zur Lösung der sozialen Herausforderungen Mindeststandards für Beschäftigte, ob sie nun aus Deutschland, aus Europa oder aus Drittstaaten kommen. Angesichts der Probleme von Migrantinnen und Migranten brauchen wir eine Ausbildungsplatzumlage, die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns in schnellen Schritten auf 10 Euro in der Stunde und die Umwandlung von Minijobs in sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse. Wichtig ist, dass wir eine verbindliche europäische Mindestlohnregelung in Höhe von 60 Prozent des jeweiligen nationalen Durchschnittslohns brauchen und diese gesetzlich oder tarifvertraglich auf nationaler, regionaler oder Branchenebene gewährleistet werden kann. In jedem Fall muss es aber in jedem Mitgliedstaat allen Beschäftigten einen existenzsichernden Lohn garantieren. Würde diese Forderung, die DIE LINKE sicher auch im Europawahlprogramm verankern wird umgesetzt, könnte eine Migration zur Existenzsicherung ein Stück weit bekämpft werden.

Mit freundlichen Grüßen
Sevim Dagdelen

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