Frage an Sepp Dürr von Lennart S. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Ein Bericht des ARD – Magazins „PlusMinus“ über die Gefahr sich bei Bluttransfusionen mit Viren zu infizieren, hat mich sehr schockiert ( http://mediathek.daserste.de/sendungen_a-z/432744_plusminus/16708512_viren-aus-dem-blutbeutel ). Dabei scheint die Hauptproblematik zu sein, dass die Unabhängigkeit medizinischer Gutachter nicht gewährleistet ist. Warum muss ich hier als Hilfesuchender und Verbraucher Angst vor einer möglichen Ansteckung haben? Und wie ist die Unabhängigkeit von Wissenschaftlern in Bayern generell geregelt? Immer wieder fällt in öffentlichen Situationen der Satz „Traue nie einer Statistik, die du nicht selbst gefälscht hast“. Wenn selbst vermeintliche Samariter und Wohltäter, wie das Bayerische Rote Kreuz, die Wirtschaftlichkeit über die menschliche Unversehrtheit stellen, fühlt man sich als Bürger verunsichert. Gäbe es hier nicht Gremien oder Verfahren, um mehr Objektivität in Genehmigungsverfahren einbringen zu können?
Vielen Dank für Ihre Antwort
Lennart Stackebrandt
Sehr geehrter Herr Stackebrandt,
vielen Dank für Ihren Hinweis und Ihre Frage! Der Bericht zeigt in der Tat Missstände auf, die nicht hingenommen werden können. Wenn internationale Studien belegen, dass Präparate für die Verbraucher beträchtliche Risiken beinhalten, dürfen sie von den staatlichen Behörden wie dem Paul-Ehrlich-Institut nicht zugelassen werden. Wirtschaftliche Erwägungen dürfen dabei keine Rolle spielen. Oberste Priorität hat die gesundheitliche Unversehrtheit der Bevölkerung. Zur Prüfung dürfen keine Gutachter beauftragt werden, die im Verdacht der Interessenskollision stehen. Im von Ihnen geschilderten Fall also keine Angestellten oder Stiftungslehrstuhlinhaber des Roten Kreuzes. Außerdem muss es Transparenz bei den Arzneimittelstudien geben. Wir Grünen fordern seit langem eine sanktionsbewehrte Registrierungspflicht für Arzneimittelstudien und eine Veröffentlichungspflicht für alle Studienergebnisse. Bisher werden von den Pharmaunternehmen negativ ausgegangene Studien häufig nicht publiziert, mit der Folge einer Überschätzung des vermeintlichen Nutzens und nicht selten einer Unterschätzung der Risiken und des Schadenspotenzials.
Leider steht es mit der Unabhängigkeit der Wissenschaft in Bayern generell nicht zum Besten: Weil unsere Hochschulen staatlich nicht ausreichend finanziert werden, sind sie darauf angewiesen, Drittmittel einzuwerben, indem sie sich z.B. Fragestellungen von Unternehmen vorgeben lassen. Auch sonst wird von Schwarz-Gelb in Bayern die Wissenschaft einseitig auf die Bedürfnisse der Wirtschaft ausgerichtet. Damit werden aber gesellschaftliche Aufgaben und wissenschaftliche Fragestellungen vernachlässigt. Außerdem sind kleinere Fächer in ihrer Existenz gefährdet, liegen wichtige Wissensgebiete brach und wird der Handlungsspielraum der Wissenschaftler eingeschränkt. Einen Überblick über unsere Kritik an der bayerischen Wissenschaftspolitik und unsere Forderungen für eine Neuausrichtung finden Sie u.a. auf http://www.sepp-duerr.de/front_content.php?client=1&lang=1&idcat=70&idart=1594&m=&s=.
Mit freundlichen Grüßen
Sepp Dürr