Frage an Sebastian Steinzen von Ursula Maria K. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Steinzen,
wie wir anhand der aktuellen Berichterstattung (FAZ) im Fall Gustl Mollath erfahren, hatte die bayerische Justizministerin Merk nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts hervorgehoben, die StA habe auf ihre Weisung hin die Wiederaufnahme angestrebt.
Quelle: http://www.faz.net/aktuell/politik/fall-mollath-opposition-fordert-entlassung-merks-12426855.html
Die Grünen warfen der Ministerin vor, den Wiederaufnahmeantrag zu spät angeordnet zu haben.
Genau so gut kann natürlich politischer Druck Staatsanwälte zu Lasten von Kriminalitätsopfern ausbremsen.
Staatsanwälte also noch immer an der Leine der Politik – ein deutscher Skandal.
Quelle: Wirtschaftswoche http://www.wiwo.de/finanzen/justiz-wie-politiker-staatsanwaelte-unter-druck-setzen/5301900.html
Und somit ist dieses Kernelement einer Demokratie (unabhängige Justiz) "grundgesetzwidrig" bundesweit noch immer nicht installiert.
Der bestehende Zustand, nämlich die Verwaltung der Dritten Staatsgewalt durch die Zweite, entspricht nicht dem rechtsstaatlichen Gebot der Gewaltenteilung und ist somit verfassungswidrig.
Gewaltenteilung....bedeutet, daß die drei Staatsfunktionen, Gesetzgebung, ausführende Gewalt und Rechtsprechung [Legislative, Exekutive, Judikative], in den Händen gleichgeordneter, in sich verschiedener Organe liegen, und zwar deswegen in den Händen verschiedener Organe liegen müßten, damit sie sich gegenseitig kontrollieren und die Waage halten können.
Diese Lehre hat ihren Ursprung in der Erfahrung, daß, wo auch immer die gesamte Staatsgewalt sich in den Händen eines Organes nur vereinigt, dieses Organ die Macht mißbrauchen wird..." [so Prof. Dr. Carlo Schmid am 08.09.1948 vor der verfassungsgebenden Versammlung (dem Parlamentarischen Rat)].
Was gedenken Sie, Herr Steinzen, im Falle Ihrer Wahl - und natürlich auch ihre Partei zu tun, diesen GG-widrigen Zustand zu beseitigen und somit unserem Grundgesetz endlich zu seiner ihm gebührenden Geltung zu verhelfen?
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Sehr geehrte Frau Knümann
Vielen Dank für Ihre Frage. Ich hoffe, dass ich Sie ausreichend beantworten kann.
Bei dem Fall Mollath handelt es sich meines Erachtens um einen extremen Einzelfall. Ich kann Ihre Bedenken hinsichtlich einer Vermischung der Gewalten verstehen, sehe sie in diesem Fall aber als kaum gegeben. Ich würde daher gerne auch einen weiteren, und wie ich finde, entschiedenen Punkt zur Diskussion hinzufügen wollen. Handelt es sich bei dem Fall Mollath um ein Justizversagen? Und muss dann nicht die Politik ebenfalls reagieren, um die Grundrechte einer Einzelperson zu schützen? Jakob Augstein schreibt heute bei Spiegel online, dass es sich bei dem Fall Mollath auch um eine "unglückliche Ehe von Psychiatrie und Justiz" handeln könnte, bei dem ein Gutachter eine Prognose stellt und der Richter sich, vielleicht auch aus Angst vor weiteren Straftaten, daran hält. Die Frage der Sicherungsverwahrung wird zurzeit sehr kontrovers diskutiert, nicht zuletzt durch die Urteile des EGH zur nachträglichen Sicherungsverwahrung. Auch dort scheint ein Grundrecht verletzt zu werden, dass der Staat eigentlich schützen sollte.
Sie sehen, dass hier zwei grundlegende Prinzipien aufeinanderprallen. Zum einen den von Ihnen zurecht genannten Fall der Einflussnahme der Politik auf die Justiz, zum anderen aber auch die persönlichen Grund- und Freiheitsrechte des Herrn Mollath. Beides gilt es zu bedenken.
Was werde ich und meine Partei tun?
Die FDP ist eine Bürgerrechtspartei. Die Grund- und Freiheitsrechte gilt es unter allen Umständen zu wahren. So musste sich die FDP viel Kritik gefallen lassen, als meine Partei sich gegen die Überwachung und die Vorratsdatenspeicherung ausgesprochen hat. Ich erinnere ebenso an die Haltung der FDP im Bereich der Terrorabwehr. So hatten sich seinerzeit SPD und auch die CDU für den Abschuss von Passagierflugzeugen ausgesprochen. Die FDP sah auch damals die Grundrechte massiv verletzt, was das Bundesverfassungsgericht bestätigt hat.
Die FDP steht für die Bürgerrechte. Daher werden wir auch weiterhin die Grundrechte vor einem zu großen Eingriff seitens des Staates bewahren. Und ich denke, dass genau da ein Schnittpunkt mit Ihren Bedenken zu sehen ist. Eine zu große Einflussnahme seitens des Staates auf Justiz und auf die Bürgerrechte, wird es mit der FDP nicht geben. Die Politik setzt den gesetzlichen Rahmen. Danach muss eine Unabhängigkeit zwingend gegeben sein.
ich hoffe, ich habe Ihnen einige Fragen beantworten können und verbleibe
Mit den freundlichsten Grüßen
Sebastian Steinzen