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Sebastian Edathy
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Frage von Thomas K. •

Frage an Sebastian Edathy von Thomas K. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Edathy,

vielen Dank für Ihre Stellungnahme zur Frage von Herrn Kizina.
Inhaltlich sind damit meine Fragen vom 14. April nicht beantwortet.
Die Benennung und Bewertung problematischer Sachverhalte in Koran und Shari´a, der Glaubensgrundlagen aller islamischen Strömungen, stellt keine pauschale Ablehnung und Dämonisierung der konkreten Menschen dar und schreibt diesen nicht pauschal "irgendwelche Eigenschaften" zu.
Die OIC vertritt 57 islamische Staaten aller islamischer Strömungen. Diese haben sich gemeinsam verständigt auf die "Kairoer Erklärung der Menschenrechte im Islam", welche alle ihre Artikel ausdrücklich unter den Vorbehalt der Shari´a stellt. Daher ist davon auszugehen, daß fast alle unterschiedlichen Glaubensrichtungen im Islam in diesen Fragen übereinstimmen.
Ist Ihrer Überzeugung nach die öffentliche Erklärung des offiziellen Vertreters eines islamischen Landes, der zufolge die UN-Menschenrechtserklärung "von Muslimen nicht ohne Bruch des islamischen Rechts befolgt werden könne", nicht zutreffend?
Unterstützen Sie den Ansatz der OIC, die Gewährung der Menschenrechte unter religiöse Gesetze zu stellen?
Sind die Benennung und Erörterung solcher Fragen Ausdruck anti-islamischer Vorurteile und Ressentiments?
Ist Ihrer Meinung nach Kritik an Religionen und Ideologien erlaubt, ohne sich dem Vorwurf der Pauschalisierung und Dämonisierung konkreter Menschen ausgesetzt zu sehen?

Für eine Beantwortung meiner Fragen (auch vom 14. April) bedanke ich mich.

Mit freundlichen Grüßen
Thomas Klingelhöfer

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Klingelhöfer,
Ihre Nachfragen vom 17. April 2009 zum Thema Islam und Menschenrechte habe ich zur Kenntnis genommen.

Wie ich in meiner Antwort an Herrn Kizina schrieb, ist mir die Kairoer Erklärung bekannt und – wie ich ebenfalls bereits schrieb – ich bewerte ich sie in Teilen kritisch. Dazu zählt, dass diese erheblich von der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte abweicht, sie beispielsweise Rechte und Freiheiten der islamischen Scharia nachordnet sowie nicht von der Gleichberechtigung von Mann und Frau ausgeht.

Nochmals: Es geht nicht darum, problematische Tendenzen nicht ausdrücklich benennen zu können. Von Ressentiments und Vorurteilen kann man aber dann sprechen, wenn einer Religion oder Kultur bestimmte verallgemeinerte Merkmale zugeschrieben werden, die zudem unveränderlich sein sollen. Um Ihr Beispiel aufzugreifen: Nicht nur im Koran, sondern auch in der Bibel und im Talmud finden sich Passagen, die unserem heutigen Verständnis von Demokratie, Toleranz und Menschenrechten nicht entsprechen. Und in Deutschland sind bis in die jüngere Vergangenheit Homosexuelle und Frauen rechtlich diskriminiert worden (so war die Vergewaltigung in der Ehe lange Zeit nicht strafbar, und Frauen durften nur mit Einverständnis ihres Ehemannes einer Erwerbstätigkeit nachgehen). Ganz zu schweigen davon, dass es noch kein Menschenleben her ist, dass von Deutschland (also aus dem abendländisch-christlichen Kulturkreis) die Shoa ausging, sprich, die schrecklichsten Menschheitsverbrechen verübt wurden, die bis heute unvergleichbar sind. In Deutschland hat sich in den vergangenen 60 Jahren zum Glück viel verändert.

Diese Beispiele sollen zeigen, dass bestimmte Menschen, Kulturen und Religionen nicht per se „gut“ oder „böse“ sind. Sie sind weder homogen noch unveränderbar. Die Gleichsetzung „des Islams“ mit seinen fundamentalistischen Ausprägungen ist daher nicht nur falsch, sondern auch eine Beleidigung für alle Muslime – in Deutschland und anderswo –, die sich für Demokratie und Menschenrechte einsetzen.

Mit freundlichem Gruß
Sebastian Edathy, MdB