Frage an Sebastian Edathy von Manfred R. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Abgeordneter,
Ihren Brief vom 17.1.08 an Herrn Hahn habe ich gelesen. Wer will denn von unseren Medienherrschern (Aufsicht haben die gesellschaftrelevanten Gruppen = Parteien/Gewerkschaften/Glaubensgemeinschaften) überhaupt eine Integration? Bitte hören Sie sich nur einmal den Bayerischen Rundfunk BR 1 eine Stunde lang an. Sie werden erstaunt sein, dass vor den Nachrichten und nach diesen jeweils ein Musiktitel in ausländischer Sprache gesendet wird. Von den meist englischen Titeln die sonst noch kommen ganz zu schweigen. Wie sollen Türken, Jugoslawen, Deutsch-Russen in die deutsche Sprache und Mentalität eingebunden werden? Sale, Point, City, u.a. sind die nächsten ärgerlichen Aspekte um die Einbindung zu erschweren. Wie können Sie ganz persönlich hier helfen?
Mit freundlichem Gruß
Manfred Ritter
Rehburg, den 26.01.2008
Sehr geehrter Herr Ritter,
vielen Dank für Ihre Frage vom 18. Januar 2008.
Die Integration von Migrantinnen und Migranten wird in Deutschland in den nächsten Jahren weiterhin eine besonders wichtige Rolle spielen. Endlich wurde in der Bundesrepublik erkannt, dass Integration kein Nischenthema ist, sondern dass es sich um eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe handelt; um eine Aufgabe, die sich in allen Lebensbereichen stellt und jedermann angeht.
In diesem Zusammenhang gab es bereits zwei Integrationsgipfel der Bundesregierung, und ein breit angelegter, bemerkenswerter Integrationsplan wurde auf den Weg gebracht - auch wenn dieser bislang weniger Beachtung als angemessen gefunden hat.
Zu gelingender Integration gehört natürlich die Bereitschaft, die deutsche Sprache zu erlernen und dadurch die eigenen Teilhabemöglichkeiten zu verbessern. Umgekehrt müssen entsprechende Angebote auch tatsächlich vorhanden sein. Noch die Bundesregierung unter Gerhard Schröder und die damalige Parlamentsmehrheit haben zum 1. Januar 2005 erstmals flächendeckende Sprach- und Integrationskurse eingeführt, die erheblich Zuspruch gefunden haben.
Sprachkenntnisse sind ein zentraler Schlüssel für den erfolgreichen Abschluss von Schule und Berufsausbildung sowie die Voraussetzung für gleichberechtigtes Mitwirken am gesellschaftlichen und kulturellen Leben.
Ich glaube allerdings nicht, dass englisch- oder andere fremdsprachliche Lieder im Radio bzw. die Verwendung von Anglizismen in der deutschen Sprache ernsthaft dazu geeignet sind, gewollte Integration zu behindern. Kultur ist immer ein Prozess, und selbstverständlich hat Internationalisierung auch Folgen für unseren Sprachgebrauch. Das ist übrigens kein neues Phänomen. Hier sollte man mit Blick auf die Weiterentwicklung der deutschen Sprache sensibel sein, ich halte diese aber nicht für gefährdet. Das war sie auch in der Vergangenheit nicht. Noch heute verwenden wir Begriffe wie "Portemonnaie" oder "intensiv" zu Recht als Teil unseres Wortschatzes (so, wie ich eben den Begriff "Phänomen" verwendet habe), obwohl diese Wörter offenkundig einen fremden Ursprung haben (Frankreich bzw. die lateinische Sprache). Ich finde, um aktuelle Beispiele zu nennen, einen Begriff wie "Internet" präziser und eingängiger als "Weltnetz", und beim Besuch einer größeren Schnellrestaurant-Kette würde ich mutmaßlich Probleme haben, einen "Cheeseburger" unter Verwendung eines deutschen Ausdrucks zu bestellen. Ich würde auch nicht auf den Gedanken kommen, den "Rolling Stones" vorzuschreiben, auf Deutsch zu singen, bevor ihre Lieder in unserem Rundfunk ausgestrahlt werden können. Wir leben nicht auf einer Insel, sondern sind Teil dieser Welt - das spiegelt sich auch im Sprachgebrauch und im kulturellen Leben. Ich halte das prinzipiell nicht für bedrohlich, sondern potenziell für eine Bereicherung unseres Lebens.
Insgesamt habe ich übrigens den Eindruck, dass der gesamtgesellschaftliche Wille zur Integration in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen hat und stimme Ihrer indirekt geäußerten These, dass keine der „gesellschaftsrelevanten Gruppen“ Integration wolle, nicht zu.
Im Gegenteil: Es wird zunehmend erkannt, dass Deutschland ein (übrigens nicht erst seit Jahrzehnten, sondern seit Jahrhunderten) auch von Zuwanderung geprägtes Land ist, und wir daher bereit sein müssen, die für eine vernünftige Einwanderungs- und Integrationspolitik notwendigen Schritte zu gehen.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB