Frage an Sebastian Edathy von Leyla T. K. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Edathy,
mich interessiert, wie Ihre Haltung und Ihre Agenda in Sachen grenzüberschreitende Kindesentführung durch einen Elternteil aussieht? Obgleich von dieser Problematik immer mehr Menschen betroffen sind (ich selbst kenne in meinem Umfeld noch zwei weitere Fälle), habe ich zumindest persönlich das Gefühl, dass nicht genug getan wird, um eine SCHNELLE Lösung in solch sensiblen Konflikten herbeizuführen, was unabdingbar für das Kindeswohl und generell auch für die Psyche der Betroffenen wäre. In "meinem" konkreten Fall geht es um die Kindesentführung meiner Nichte (4) + meines Neffen (2) durch die türk. Mutter (Neudeutsch: "Importbraut") in die Türkei. Der Fall, der objektiv betrachtet unstrittig zu sein scheint (Kindesentführung als Druckmittel, um den Kindsvater dazu zu bewegen, für immer in die Türkei zu ziehen) zieht sich nunmehr unerträglich in die Länge, u.a. aufgrund behördlicher Vorgänge... ohne greifbare Ergebnisse. Was tun SIE, der ja insbesondere für sein interkulturelles Engagement bekannt ist und für seinen Sachverstand in Bezug auf Migrationsfragen, um dieser Problematik effektiv zu begegnen? Planen Sie evtl. Änderungen, die diese Prozesse merklich beschleunigen [v.a. in Bezug auf den Sonderfall "Türkei", die noch nicht dem KSÜ (Kindesschutzübereinkommen) unterliegt]?
Mit freundlichen Grüßen,
Ihre Leyla T. Kurt (M.A.)
Sehr geehrte Frau Kurt,
vielen Dank für Ihre Frage.
Durch eine erhöhte Mobilität der Menschen und dadurch vermehrt entstehende binationale Partnerschaften, entstehen auch viele Konflikte mit Auslandsberührung. Für die Fälle von Kindesentziehungen durch einen Elternteil bietet das Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKÜ) ein Verfahren für eine zügige Rückführung eines Kindes in seine gewohnte Umgebung. Ziel dieses Übereinkommens ist die schnellstmögliche Rückführung widerrechtlich in einen Vertragsstaat verbrachter oder dort zurückgehaltener Kinder.
Die Türkei ist dem Übereinkommen im Jahr 2000 beigetreten. Grundsätzlich gilt danach, dass die Vertragsstaaten innerhalb von sechs Wochen eine Rückführung anordnen müssen. Der Antrag auf Rückführung muss innerhalb eines Jahres nach Verbringen des Kindes ins Ausland gestellt werden. Andernfalls kann die Rückführung mit der Begründung abgelehnt werden, dass das Kind sich in die neue Umgebung eingelebt habe. Entscheidend für den HKÜ-Antrag ist, wie die Sorgerechtsverhältnisse vor der Entführung waren und ob das entführte Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Land hatte, von wo es entführt wurde. Da es außerhalb des Mechanismus des HKÜ nur wenige Möglichkeiten einer schnellen Rückführung gibt, ist ein sehr wichtiges Ziel, möglichst viele Staaten zu einem Beitritt zu bewegen.
Zentrale Stelle zur Durchführung des Übereinkommens hier in Deutschland ist das Bundesamt für Justiz in Bonn. Diese Behörde ist in einem Entführungsfall als erstes zu informieren. Eine gute Koordinationsstelle ist der Internationale Sozialdienst ISD. Ein Schwerpunkt seiner Arbeit sind auch internationale Familienkonflikte.
Grundsätzlich ist Deutschland gut ausgestattet bezüglich interfamiliären Kindesentführungen. Doch sind natürlich Verbesserungen möglich. Auch die Kinderkommission des Deutschen Bundestages hat sich mit grenzüberschreitenden Kindesentziehungen beschäftigt und Verbesserungsvorschläge vorgelegt.
Vor allem ist wichtig, die Kompetenz und Sensibilität bei den zuständigen Behörden durch Informations- und Fortbildungsangebote zu fördern, damit die zuständigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Polizei, Jugendamt usw. schnell und einfühlsam helfen können. Eine bessere Vernetzung und Kooperation aller zuständigen Behörden ist wichtig: das sind die involvierten Stellen Bundesjustizministerium, Auswärtiges Amt sowie das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.
Prävention ist ebenfalls sehr wichtig, um Kindesentziehungen zu verhindern. Dafür setzt sich meine Partei, die SPD, ein.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB