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Frage von Mike H. •

Frage an Sebastian Edathy von Mike H. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrter Herr Edathy,

aus einem Artikel der „Welt“:

http://www.welt.de/print-wams/article131117/Empoerte_Anrufe_im_Ministerium_Deutsche_in_Krankenkassen_benachteiligt.html

konnte ich entnehmen das Deutsche in unserem Krankensystem benachteiligt werden!

Da dieser Artikel bereits aus dem Jahre 2003 ist, frage ich Sie:

Ist diese Benachteiligung inzwischen abgeschafft worden oder ist diese Diskriminierung noch aktuell?

Wenn diese Benachteiligung nach so vielen Jahren nicht abgeschafft wurde, frage ich weiter: Ist Ihnen bekannt warum die Diskriminierung der deutschen Versicherten bislang nicht abgeschafft wurde? Ist Ihnen bekannt wie dies mit dem „Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz“ zu vereinbaren ist? Ist Ihnen bekannt wie hoch die Kosten durch diese Ungleichbehandlung sind? (seit 2003)

Arbeitet Ihre Partei auf die Abschaffung dieser Ungleichbehandlung hin?

Mit freundlichen Grüßen

M.H.

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Hanraths,

vielen Dank für Ihre Frage zur Regelung der Familienmitversicherung für in der Türkei oder im ehemaligen Jugoslawien lebende Familienangehörige eines in Deutschland lebenden krankenversicherten Arbeitnehmers. Gerne schildere ich Ihnen die Hintergründe des Abkommens, da sich die Tatsachen anders darstellen als von Ihnen angenommen.

In der Türkei oder im ehemaligen Jugoslawien lebende Familienangehörige eines in Deutschland krankenversicherten Arbeitnehmers erhalten im Krankheitsfall Leistungen der Krankenversicherung ihres Wohnsitzstaates. Die der Krankenversicherung des Wohnsitzstaates hierdurch entstehenden Kosten sind von der deutschen Krankenversicherung zu erstatten. Rechtsgrundlage dieser Regelung sind im Verhältnis zur Türkei das deutsch-türkische Abkommen vom 30.04.1964 über soziale Sicherheit und im Verhältnis zu Bosnien und Herzegowina, Mazedonien und Serbien und Montenegro das deutsch-jugoslawische Abkommen vom 12.10.1968 über soziale Sicherheit. Mit Kroatien und Slowenien sind 1997 entsprechende Nachfolgeabkommen geschlossen worden.

Diese Regelung in den Abkommen trug mit dazu bei, dass sich ein Teil der aus diesen Ländern angeworbenen Arbeitnehmer dafür entschieden hatte, ihre Familienangehörigen nicht mit nach Deutschland zu nehmen. Auch heute noch besitzt diese Regelung Bedeutung für einen Teil der über 500.000 aus der Türkei und ca. 280.000 aus den Nachfolgestaaten des ehemaligen Jugoslawien stammenden sozialversicherungspflichtig beschäftigten Arbeitnehmer in Deutschland und deren Familienangehörige, die in ihren Heimatländern wohnhaft geblieben sind.

Um nicht in jedem einzelnen Behandlungsfall eine verwaltungsaufwändige Abrechnung mit der Krankenversicherung des Wohnsitzstaates durchführen zu müssen, bieten die Abkommen die Möglichkeit, dass die der Krankenversicherung des Wohnsitzstaates der Familienangehörigen durch die Erbringung der Sachleistungsaushilfe entstehenden Kosten durch monatliche Pauschalbeträge je Familie erstattet werden. Von dieser Möglichkeit wurde im Verhältnis zur Türkei, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien und Serbien und Montenegro Gebrauch gemacht. Diese Beträge basieren auf den Durchschnittskosten der in den Wohnsitzstaaten geschützten Personen nach dortigem Recht und berücksichtigen die durchschnittliche Zahl der in diesen Staaten wohnenden Familienangehörigen. Bei der Abrechnung wird auf das Kostenniveau in den Wohnsitzstaaten der Familienangehörigen abgestellt , d.h. auf den durchschnittlichen monatlichen Aufwand in der jeweiligen Landeswährung. Der vereinbarte Monatspauschalbetrag wird je Familie unabhängig von der Zahl der anspruchsberechtigten Familienangehörigen gezahlt. Dieses Abrechnungsverfahren verringert den Verwaltungsaufwand wesentlich und liegt daher auch im Interesse der deutschen Krankenkassen.

Im umgekehrten Fall, wenn z. B. ein deutscher Arbeitnehmer in der türkischen Krankenversicherung versichert ist und seine Familienangehörigen in Deutschland wohnhaft sind, erfolgt kein pauschales Abrechnungsverfahren. Der deutschen Krankenversicherung sind für die Betreuung der Familienangehörigen die im Einzelfall tatsächlich entstandenen Behandlungskosten - also die Kosten, die von der deutschen Krankenkasse zu begleichen waren - von der türkischen Krankenversicherung zu erstatten.

Darauf hinzuweisen ist, dass es sich bei der vorstehend geschilderten Regelung nicht um eine Besonderheit in den von Deutschland mit anderen Staaten geschlossenen Sozialversicherungsabkommen handelt, sondern diese Regelung vielmehr internationalem Standard entspricht. Sie findet Anwendung in der allgemeinen Praxis sowohl des zwischenstaatlichen Sozialversicherungsrechts (hier die bilateralen Sozialversicherungsabkommen) als auch des überstaatlichen Sozialversicherungsrechts (EU-Regelungen über Soziale Sicherheit - VO (EWG) Nr. 1408/71 -). Die Regelung beinhaltet u. a., dass die Beiträge der Versicherten in aller Regel nicht nur der Abdeckung des eigenen Krankenversicherungsschutzes dienen, sondern zusätzlich auch der Abdeckung des Schutzes der nicht erwerbstätigen Familienangehörigen.

Für das Jahr 1999 belief sich der vereinbarte monatliche Pauschalbetrag für die Betreuung einer Familie in der Türkei auf 10.209.644,77 Türkische Lira. Umgerechnet zum Zeitpunkt der Vereinbarung des monatlichen Pauschalbetrages am 28. September 2000 entsprach dieser Betrag 17,75 € (34,71 DM).

Die Kosten für die deutsche Krankenversicherung würden deutlich höher ausfallen, wenn die anspruchsberechtigten Familienangehörigen nicht in ihren Heimatstaaten, sondern in Deutschland wohnen würden bzw. nach Deutschland nachzögen (Kosten der deutschen Krankenversicherung je Mitglied in Deutschland: monatlich durchschnittlich 213,- € für die medizinische Versorgung).

Die Abkommen regeln nur für den Fall der Kostenabrechnung auf der Grundlage von familienbezogenen Monatspauschalbeträgen, dass sich der Kreis der anspruchsberechtigten Familienangehörigen nach den Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaates der Familienangehörigen richtet. Eine pauschale Abrechnung je Familie erfolgt lediglich im Verhältnis zur Türkei, Bosnien und Herzegowina, Mazedonien und Serbien und Montenegro.

Zum anspruchsberechtigten Personenkreis gehören im Verhältnis zu den vorgenannten Vertragsstaaten regelmäßig der Ehepartner, sofern dieser nicht selbst versichert ist, und die minderjährigen Kinder eines Versicherten. Eltern eines Versicherten mit Wohnsitz in der Türkei, Bosnien und Herzegowina oder in Serbien und Montenegro sind nur dann ausnahmsweise anspruchsberechtigt, wenn sie nicht ohnehin leistungsberechtigt nach den Rechtsvorschriften des Wohnsitzstaates aufgrund einer eigenen Versicherung oder der Versicherung einer anderen Person sind und der Versicherte ihnen gegenüber unterhaltsverpflichtet ist. Eltern in Mazedonien sind nicht anspruchsberechtigt. Geschwister eines Versicherten gehören im Verhältnis zu diesen Staaten nicht zum anspruchsberechtigten Personenkreis.

Ich hoffe, Ihnen den Sachverhalt klärend dargestellt zu haben.

Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Edathy, MdB