Wie stellen sie sich bezahlbares und angenehmes Wohnen in Zukunft vor, wenn sie gegen den Mietendeckel und gegen den Rückkauf von Wohnungen privater Unternehmen sind?
Sehr geehrter Herr Martin,
vielen Dank für Ihre Anfrage, die ich gerne beantworte.
Doch bevor ich dies tue, will ich Ihnen noch kurz erläutern, warum wir gegen den Mietendeckel und den Rückkauf von Wohnungen privater Unternehmen sind. Durch beide Maßnahmen wird keine einzige Wohnung neu gebaut und auch kein einziger Quadratmeter neuen Wohnraums geschaffen, sondern das Angebot wird künstlich weiter verknappt und eine Preisspirale nach oben in Gang gesetzt. An der Anzahl der zur Verfügung stehenden Wohnungen ändert sich nichts. Statt dessen wollen wir ein Berlin für alle schaffen und städtebauliche Konzepte entwickeln, die eine lebendige, ausgewogene soziale und Nutzungsmischung ermöglichen.
Der weitaus größte Teil der Wohnungen in Berlin wird von privaten Projektentwicklern und -entwicklerinnen sowie Investorinnen und Investoren errichtet. Das muss auch in Zukunft so bleiben, denn ausreichender zusätzlicher Wohnraum kann nicht von staatlicher Seite allein zur Verfügung gestellt werden. Nur wenn die Politik diesen grundsätzlichen Wirkmechanismus versteht, den Wohnungsbau aktiv unterstützt und ihn nicht als Bedrohung sieht, kann der notwendige Wohnraum in allen Stadtteilen, Lagen und Preissegmenten geschaffen werden. Die Herausforderung wird darin bestehen, alle Stellschrauben zur Erhöhung der Neubauaktivität zu nutzen.
Wir werden die Landesbauordnung deutlich entschlacken und vereinheitlichen. Mittels unserer Komplettüberarbeitung der Bauordnung werden bürokratische Hürden gesenkt, Verfahren gestrafft, und die Vereinfachung baulicher Regelungen wird zur Beschleunigung beitragen. Das Bauen wird hierdurch einfacher und schneller, günstiger und flächensparender. Mit der Einführung einer Typenbaugenehmigung wird eine Verwaltungsvereinfachung für bauliche Anlagen geschaffen, die in derselben Ausführung an mehreren Stellen errichtet werden können. Hierdurch wird das Bauen schneller, weil der Bauherr oder die Bauherrin nur noch eine Genehmigung für typengleiche Bauten benötigt.
Um das Zuständigkeitspingpong zu beenden und gegenseitige Blockaden zu lösen, wollen wir das Bauplanungsrecht von den Bezirken auf die Senatsverwaltung übertragen. Aus diesem Grund wollen wir die personelle Ausstattung der Stadtplanungs- und Städtebauabteilungen sowie Projekte in der Senatsverwaltung erhöhen und ausbauen. Wir wollen schnellstens ein Baulückenkataster einführen, um eine systematische Erfassung von Baulücken in Berlin zu gewährleisten, die dann der Stadtplanung zugeführt werden kann. Entwicklungsgebiete, die bereits jetzt zur Verfügung stehen und für die es fertige Bebauungspläne gibt, etwa die Elisabeth-Aue und der Blankenburger Süden, werden wir fertigstellen. Wir wollen Grundstücke, die mittel- oder unmittelbar in Landeseigentum sind und nicht für künftige Aufgaben benötigt werden, veräußern, um Wohnraum zu schaffen. Genossenschaften wollen wir bei der Grundstücksvergabe stärker berücksichtigen.
Es hat für uns Priorität, stadtweit neue Flächenpotenziale zu erkennen und diese vorrangig für den Wohnungsbau und die gewerbliche Nutzung zur Verfügung zu stellen. Dabei müssen auch unkonventionelle Wege gegangen werden. Wir wollen daher die Aufstockung von Einzelhandels- und anderen geeigneten Flächen mit Wohngeschossen sowie die Einhausung oder Überdeckelung von Verkehrsflächen, insbesondere die Überdeckelung der Stadtautobahn rund um das Dreieck Funkturm. Außerdem wollen wir einen Entwicklungsplan für die Nutzung von Ufer- und Wasserflächen erstellen, ohne bislang öffentlich zugängliche Uferflächen zu privatisieren.
Wir wollen die notwendigen Verwaltungsprozesse deutlich beschleunigen. Für Planungen und Genehmigungen benötigt Berlin daher schnellere, vorhersagbare und einklagbare Verwaltungsentscheidungen und ein besseres Investitionsklima. Wir wollen eine Digitalisierung des Planungs- und Genehmigungsprozesses erreichen. Städtebauliche Verträge als „ausgehandeltes Bauordnungsrecht durch die Hintertür“ wollen wir abschaffen. Verbindliche Bauleitplanungen und das Bauordnungsrecht schaffen die notwendige Verlässlichkeit für Investorinnen und Investoren. Bis zum Jahr 2031 wollen wir eine aktualisierte, verbindliche Bauleitplanung für die gesamte Stadt – jedenfalls aber für die Flächen innerhalb des S-Bahn-Rings. Dabei wollen wir verstärkt von „urbanen Gebieten“ (§ 6a BauNVO) Gebrauch machen, um eine höhere Verdichtung und ein besseres großstädtisches Miteinander zu ermöglichen.
Wir wollen auch Potenziale im Berliner Umland erschließen – dazu muss die gemeinsame Landesplanung im Rahmen eines Masterplans für die Metropolregion dringend weiterentwickelt werden. Die Durchführung einer Internationalen Bauausstellung (IBA) kann die so wichtigen Antworten auf die unterschiedlichen Herausforderungen der Bundesländer Berlin und Brandenburg in der gemeinsamen Metropolregion geben und die beiden Länder durch länderübergreifende Ansätze und Konzepte enger miteinander verbinden.
Wir wollen auch im Bestand nachverdichten. Berlin darf nicht nur in die Fläche wachsen, sondern muss auch weiter in die Höhe ragen, nicht nur innerhalb des S-Bahn- Rings, sondern auch darüber hinaus. Wir fordern die Ermöglichung einer um 20 Prozent größeren Wohnfläche, u. a. durch Anhebung der Traufhöhe um mindestens ein weiteres Vollgeschoss. Wir wollen ein Sofortprogramm „10.000 Dächer für Berlin“, das einen unkomplizierten Dachausbau und die Sonder-AfA für Mietwohnungsbau auch für Dachausbauten ermöglicht.
Wir wollen endlich den Durchbruch beim Hochhausbau. Dazu werden wir als vorrangiges Teilprojekt des Stadtentwicklungskonzepts 2030 ein Hochhausentwicklungskonzept erarbeiten. Für Hochhäuser wollen wir sofortige Genehmigungen in einem beschleunigten Prozess ermöglichen, sofern die Kriterien des Hochhausentwicklungsplans eingehalten werden. Bei der Realisierung wollen wir mindestens 20 Prozent des hier geschaffenen Wohnraums mit einer Mietpreisbindung unterhalb der ortsüblichen Vergleichsmiete belegen.
Wir brauchen planungsrechtliche Sicherheit für die Nachnutzung von Modularen Unterkünften für Flüchtlinge (MUF), damit schnell klar ist, ob sie als Wohnungen weiter genutzt werden können. Werden baureife Grundstücke über Jahre hinweg nicht bebaut, ist § 85 BauGB (das „Baugebot“) als letztes Mittel in Erwägung zu ziehen. Der Denkmalschutz Berlin sollte schließlich von einem Blockierer vieler Bauprojekte zu einem kreativen Ermöglicher werden. Modernisierungen wie etwa automatische Türen und Fahrstühle, die auch zur Barrierefreiheit beitragen, dürfen grundsätzlich nicht mehr verhindert werden. Zudem sollen Eigentümerinnen und Eigentümer unter bestimmten Voraussetzungen ein Widerspruchsrecht erhalten, wenn etwas unter Denkmalschutz gestellt wird, beispielsweise wenn Bauten zwar architektonisch bestimmte Stile widerspiegeln, aber eher aus der Not heraus und ohne besondere stilistische Ansprüche gebaut wurden.
Im Brandschutz wollen wir eine sinnvolle Relation von Aufwand und Nutzen erreichen. In den Höfen von Wohngebäuden sollen Notleitern als einfach zu erstellender und sehr wirksamer zweiter Rettungsweg für die überwiegende Zahl der gefährdeten Personen erlaubt und als Regellösung in die BauO Bln aufgenommen werden. Gegenargumente der Feuerwehr sollen dabei systematisch und genau geprüft und strukturiert werden.
Das derzeit ungenutzte Tempelhof-Areal ist eine der größten Potenzialflächen unserer Stadt. Aber es ist als Folge des Volksentscheids von 2014 für eine Weiterentwicklung gesperrt. In den sieben Jahren seit diesem Volksentscheid hat sich die Lage am Mietwohnungsmarkt allerdings drastisch verschärft. Doch der Linkskoalition ist das Thema Bauen fremd. Sie ergeht sich stattdessen in ideologiegetriebener Wohnungsbauverweigerung. Wir wollen diese Bremsen endlich lösen, denn es geht um viel mehr als nur die Entwicklung des Tempelhofer Rands. Berlin muss sich entscheiden, ob es weiter Versuchslabor für ideologische Experimente sein oder Probleme endlich lösen will. Wir wollen einen erneuten Volksentscheid für eine Randbebauung. Dabei wollen wir für das neue Viertel eine „Berliner Mischung“ vorsehen, die Haushalte mit unterschiedlichen Einkommen und ein Miteinander von Wohnen und Gewerbe zulässt. Für ein großes Angebot an Wohnraum soll ein Dreiklang etabliert werden: ein Drittel Genossenschaftsbau, ein Drittel öffentlicher Wohnungsbau, ein Drittel privater Wohnungsbau. Dabei wünschen wir uns keine eintönige, sondern eine zukunftsweisende Bebauung.
Alle neuen und bestehenden Gesetze sollten einer sogenannten Wohnkostenfolgeschätzung, also einem Mieten-TÜV, unterzogen werden. Mit dem Mieten-TÜV wollen wir die Auswirkungen bestimmter Gesetze auf die Mieten unserer Stadt prüfen.
Der eigenbestimmte Mensch steht bei uns im Vordergrund, daher werden wir das Wohngeld zu einer Unterstützungsleistung aus einem Guss machen. Wir streben eine Erweiterung des Wohngelds an, die neben Bundesmitteln auch eine regionale Komponente einbezieht. Für uns gilt Subjekt- statt Objektförderung. Das Wohnraumförderungsgesetz wollen wir zielorientiert auf den Prüfstand stellen, sodass die Unterstützung wirklich bei denen ankommt, die sie benötigen. Aus diesem Grund wollen wir den Fehlgebrauch beim Wohnberechtigungsschein (WBS) verhindern und geförderten Wohnraum möglichst zielgerichtet einsetzen. Auch der Erwerb von Belegungsrechten von Bestandshaltern auf Zeit ist ein sinnvoller Baustein zur Erhaltung der sozialen Durchmischung in Quartieren. Dabei erwirbt das Land Berlin das Recht auf Belegung von Wohnraum, welcher dann zu vergünstigten Konditionen vermietet wird. Die Mieteinnahmen des Vermieters oder der Vermieterin setzen sich also aus dem Mietzins und dem vom Land bezahlten Entgelt für die Belegung zusammen. Die städtischen Wohnungsbaugesellschaften müssen eine gute soziale Mischung in ihrem Wohnungsbestand sichern. Die Erhöhung von festen WBS-Quoten lehnen wir hierbei allerdings ab.
Die Wohneigentumsquote stagniert nun im achten Jahr in Folge. Die Chancen niedriger Zinsen haben die Haushalte entsprechend nicht genutzt bzw. sie konnten diese nicht nutzen. Besonders niedrig ist die Eigentumsquote in Berlin, wo sie weit unter dem Bundesdurchschnitt liegt. Viele Menschen träumen jedoch von einer selbst genutzten Wohnung im Eigentum. Daher wollen wir die Eigentumsquote in Berlin deutlich erhöhen. Nur wenn die Menschen in ihren eigenen vier Wänden wohnen, sind sie wirklich vor Verdrängung geschützt. Neben positiven Effekten auf die Vermögensbildung und Altersvorsorge ist eine höhere Eigentumsquote auch stadtentwicklungspolitisch sinnvoll. Wo viele Menschen in ihrer eigenen Wohnung leben, steigt die Verantwortung für ihr eigenes Umfeld, die Verankerungen vor Ort werden weiter gestärkt, und die Kieze bleiben lebendig.
Deshalb müssen auch Umwandlungen von Miet- in Eigentumswohnungen weiterhin realisierbar sein, um möglichst vielen Menschen eine Eigentumsbildung zu ermöglichen. Wir fordern daher die Ausweitung von Eigenkapitalersatzdarlehen, sodass mehr Menschen die Chance bekommen, ihre Mietwohnung selbst zu kaufen. Wir wollen ein Mietkaufmodell einführen. Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften werden Wohnungen auf landeseigenen Grundstücken neu bauen. Ihre Ausstattung und Grundrisse genügen dabei einfachen, aber nachhaltigen Standards. Der Bau erfolgt in modularer Bauweise, um erschwingliche Kosten zu garantieren. Die landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften sollen ein Konzept zur Mieterprivatisierung in ihrem Bestand vorlegen, sodass möglichst viele Mieterinnen und Mieter ihre Wohnung erwerben können. In dieses Konzept wird der Mietkaufansatz für Bestandswohnungen ebenfalls aufgenommen.
In der Hoffnung Ihre Frage zufriedenstellend beantwortet zu haben, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen
Sebastian Czaja