Portrait von Sebastian Blumenthal
Sebastian Blumenthal
FDP
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Sebastian Blumenthal zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von P. S. •

Frage an Sebastian Blumenthal von P. S. bezüglich Wirtschaft

Guten Tag, sehr geehrter Herr Blumenthal,

ich habe gleich mehrere Fragen, die nicht nur um die Wirtschafts- und Sozialpolitik kreisen.
Ich werde meine Anliegen durchnummerieren, die übergeordnete Frage an den Anfang stellen und den Fokus meiner Wissensdurst in dem jeweiligen Themengebiet durch konkretisierende Fragen verdeutlichen.

1) Welchen Standpunkt vertreten Sie in der sogenannten ´Kapitalismusdebatte´, die Franz Müntefering vor einigen Wochen anstieß und die nun im Schatten der bevorstehenden Parlamentswahlen im Sande verläuft? Ist unsere Wirtschaftsordnung gefährdet, ihren sozialen Anteil zu verlieren? Wie weit, wenn überhaupt, sollen Konzerne, Investmentfirmen und ihre Manager soziale und patriotische Ansprüche umsetzen? Welche Möglichkeiten und Mittel sehen Sie, die von Gerhard Schröder geforderte soziale Verantwortung gerade der größeren Konzerne, einzufordern und sicher zu stellen?

2) Welche Effekte des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzliche Krankenkassen (GKV-Modernisierungsgesetz) sehen Sie im Vordergrund? Halten Sie dieses Gesetz für geeignet zu mehr Beschäftigung zu führen? Halten Sie dieses Gesetz weiter für sozial ausgewogen und gerecht? Wie sehen Sie das Verhältnis ziwschen diesem Gesetz und der deutschen Erfindung des Soldiarprinzips?
Wo sehen Sie ferner die Verantwortung für die Kassenlage der gesetzlichen Krankenkassen?

3) Wie groß schätzen Sie den Spielraum für Belastungen der Angestellten und Arbeiter in Bezug auf private (eigenverantwortliche) Altersvorsorge, private Arbeitslosenversicherung, höherer Mehrwertsteuer, Zuzahlungen und Lohnausfall im Krankheitsfall, ....ein?

4) Wie schätzen Sie die weitere langfristige Entwicklung der Beschäftigungszahlen im Arbeiter- oder Angestelltenverhältnis in den Hochtechnologieländern ein?

5) Wenn Sie persönlich die Verteilung des Bundeshaushaltes vornehmen sollten, auf welche Ressorts entfiele welcher prozentuale Anteil des Haushaltes?

6) Was motiviert Sie persönlich, sich für einen Sitz im Bundestag zur Wahl zu stellen?

Ihren Antworten sehe ich gespannt entgegen und danke Ihnen für dieselben im Voraus.

Mit freundlichem Gruß
Schinowski

Portrait von Sebastian Blumenthal
Antwort von
FDP

Hallo P. Schinowski,

Zu 1)
Ich halte die von Müntefering angestoßene Kapitalismusdebatte für kontraproduktiv und niveaulos. Die flachgeistigen Verunglimpfungen und Pauschalisierungen durch Müntefering sind gleichermaßen populistisch wie durchschaubar.

Ich kenne gerade im Mittelstand viele Unternehmer, die sich ihrer sozialen Verantwortung durchaus bewußt sind. Jeder Unternehmer mit gesundem Menschenverstand wird wissen, daß seine Angestellten mit ihrer Arbeitskraft, ihrer Motivation und ihren eigenen Ideen für die Firma und somit im Interesse aller Beteiligten gewinnbringend sind. Die Angestellten sind eben nicht nur reine Arbeitskraft, sondern Bestandteil einer Firmenkultur. Ich kenne diese Zusammenhänge aus eigenem Erleben sowie aus meinem Umfeld, insofern finde ich diese Pauschalisierungen durch die SPD und WASG unerträglich und schädlich.

Auch die großen Konzerne sind sich i.d.R. ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung bewußt. Leider werden hier negative Ausnahmen immer als Maßstab für eine ganze Branche dargestellt.

Zu 2)
Zum Thema Krankenversicherung halte ich - genau wie in anderen Bereichen der sozialen Sicherungssysteme - einen konsequenten Systemwechswel für überfällig. Weitere Modifizierungen, die jeweils immer wieder auf den vorhandenen und völlig überforderten Strukturen aufbauen halte ich grundsätzlich nicht für zielführend.

Für die Absicherung des Krankheitsrisikos schlägt die FDP einen Systemwechsel vor: den privaten Krankenversicherungsschutz mit sozialer Absicherung für alle. Jeder Bürger ist verpflichtet, einen Mindestumfang an Leistungen, die so genannten Regelleistungen, für den Krankheitsfall abzusichern. Der Verpflichtung sich zu versichern, kann er dabei bei einem Versicherer seiner Wahl nachkommen. Er ist frei darin, seinen Versicherungsschutz so zu gestalten, wie es seinen Bedürfnissen entspricht, also z. B. mit einem hohen oder niedrigen Selbstbehalt, mit unterschiedlichen Selbstbeteiligungen, mit einem sehr unfangreichen Leistungskatalog, mit einer vollständig freien Arztwahl oder der Akzeptanz bestimmter Einschränkungen. Jeder Bürger hat bei Geburt und beim Versicherungswechsel einen Anspruch darauf, im Umfang der Regelleistungen unabhängig von seinem Gesundheitszustand ohne Risikozuschläge versichert zu werden. Um allen einen bezahlbaren Versicherungsschutz zu gewährleisten, muß jedes Krankenversicherungsunternehmen einen Pauschaltarif mit Kontrahierungszwang anbieten, der weder nach Alter, Geschlecht, Risiko oder sonstigen Kriterien differenziert. Der soziale Ausgleich erfolgt nicht mehr wie bisher unkoordiniert und mit teilweise ungerechten Auswirkungen in der Gesetzlichen Krankenversicherung, sondern über das an den einheitlichen Kriterien der Leistungsfähigkeit und Bedürftigkeit ausgerichtete Steuer- und Transfersystem. Ein entsprechender Pauschalbetrag als Bestandteil des liberalen Bürgergeldes sorgt dafür, daß auch Bürger, die nur über geringe oder gar keine finanziellen Mittel verfügen, eine Krankenversicherung abschließen können. Auch die Pauschalen für Kinder sowie die Kosten im Zusammenhang mit Schwangerschaft und Mutterschaft werden durch die Steuerzahler finanziert. Wir setzen damit auf ein freiheitliches, privates Versicherungsmodell, das auf den Prinzipien des Wettbewerbs unter Anbietern von Gesundheitsleistungen und Versicherungen und der sozialen Verantwortung beruht. Funktionsfähiger Wettbewerb entsteht durch Wahlfreiheit der Patienten, privatrechtliche Organisation der gesetzlichen Krankenkassen, durch Tariffreiheit und flexible Vertragsstrukturen. Nachhaltigkeit entsteht durch den Aufbau von Altersrückstellungen, die bei einem Wechsel des Versicherers nicht verloren gehen dürfen. Nur so ist der freie Kassenwechsel möglich. Für die FDP gilt: Wahlfreiheit statt Zwangsversicherung, soziale Marktwirtschaft statt bürokratische Staatswirtschaft, Eigenverantwortung statt Bevormundung.

Zu 3)
Die Eigenverantwortung im Bereich de Altersvorsorge ist eine alte Forderung
der FDP. In den 1990er Jahren wurden wir dafür von allen anderen Parteien
stark angefeindet - seit 1998 verkauft Schröder genau dieses Prinzip als
seine zukunftsweisende Reformpolitik.

Um der Eigenverantwortung gerecht werden zu können, müssen den Bürgern die
dafür notwendigen Mittel gegeben werden, also ein Zurückfahren der
Pflichtabgaben in die maroden staatlichen Sicherungssysteme. Derzeit werden
die Arbeitnehmer doppelt belastet: Wie zahlen vom Brutto einen erheblichen
Anteil durch soziale Pflichtabgaben und müssen dann vom verhältnismäßig
geringen Netto nochmals privat vorsorge betreiben. Besonders stört mich
dabei, daß ich viel Geld vom Brutto in siziale Sicherungssyteme stecken muß,
von denen ich zum Zeitpunkt meiner Rente nur noch mit einem Bruchteil
partizipiere. Ich wünsche mir etwas anderes: ein möglichst unbelastetes
Netto und damit die finanzielle Möglichkeit, Vorsorge nach eigenem Ermessen
zu betreiben, verbunden mit einer verbindlichen Mindestabsicherung für alle.

Zu 4)
Da ich kein Volkswirtschaftler oder Wirtschaftswissenschaftler bin, fehlen mir zu dieser Einschätzung die Grundlagen.

Zu 5)
Diese Aussage kann ich erst treffen, wenn ich die Pflichtaufgaben der einzelnen Ressorts im Bundeshaushalt en Detail kenne. Ich habe derzeit eine 40 - 50/h Woche im Job, bin an den Wochenenden ständig auf Wahlkampfeinsätzen und versuche mir ganz nebenbei ein derzeit rudimentäres Privatleben zu erhalten. Insofern kam ich noch nicht zum detaillierten Studium der einzelnen Ausgabenpunkte im Bundeshaushalt. Hermann Otto Solms wird diese Frage besser beantworten können. (www.fdp.de)

Zu 6)
Ich möchte meine Zukunft und die meiner Generation aktiv mitgestalten und dies nicht den Politikern überlassen, die nur an die aktuelle Legislative oder die kommende Wahl oder die Absicherung ihrer eigenen Pfründe denken.

Grüße

s. Blumenthal