Portrait von Sebastian Blumenthal
Sebastian Blumenthal
FDP
Zum Profil
Frage stellen
Die Frage-Funktion ist deaktiviert, weil Sebastian Blumenthal zur Zeit keine aktive Kandidatur hat.
Frage von Marco S. •

Frage an Sebastian Blumenthal von Marco S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Guten Tag Herr Blumenthal,

bei einem Bürgerentscheid in unserer Stadt am letzten Wochenende fiel mir ein Missstand auf, der meines Erachtens kurzfristig unsere Wahlgesetzgeber beschäftigen sollte. Bei facebook stellten am Wahltag viele (gerade junge) Bürger ein Foto von Ihrem in der Wahlkabine angekreuzten Wahlzettel ein. Wenn das Schule macht, finde ich das sehr bedenklich. Am Wahltag sollte ja niemand vor 18:00 Uhr seine Wahlentscheidung öffentlich machen. Die "alten" Medien und die Politiker halten sich im Prinzip daran. Doch was ist, wenn eine Partei ihre Basis über facebook diesbezüglich mobilisiert? Wie stehen Sie dazu und wie könnte man dem (gesetzlich?) begegnen?

Mit freundlichen Grüßen,
Marco Sievert

Portrait von Sebastian Blumenthal
Antwort von
FDP

Sehr geehrter Herr Sievert,

vielen Dank für Ihre Frage. Ein Fall der Ihrem Beispiel relativ nahekommt, fand im Mai 2009 statt, als drei Abgeordneten die Wiederwahl von Bundespräsident Horst Köhler vor der offiziellen Verkündung durch Norbert Lammert über Twitter bekannt gegeben hatten.

Nach § 32 Abs. 2 Bundeswahlgesetz sind Veröffentlichungen von Ergebnissen von Wählerbefragungen nach der Stimmabgabe über den Inhalt der Wahlentscheidung vor Ablauf der Wartezeit unzulässig. Diese Norm richtet sich in erster Linie gegen Fernseh- und Hörfunkanstalten, die regelmäßig Meinungsforschungsinstitute beauftragen, um frühzeitig das Wahlergebnis vorauszusagen und für die entsprechende Berichterstattung Vorarbeit zu leisten. In den Anwendungsbereich des §32 Abs. 2 BWahlG können jedoch auch die Veröffentlichungen von einzelnen Privatpersonen fallen.

Ein Verstoß liegt jedoch nur dann vor, wenn eine schwerwiegende Einwirkung auf den Wählerwillen vorliegt. Ob das im von Ihnen geschilderten Fall vorliegt, ist schwer zu beurteilen. So wie Sie es schildern, werden von einzelnen Personen nur ihre eigenen Stimmpräferenzen bei facebook veröffentlicht, ohne dadurch unbedingt den allgemeinen Trend zu repräsentieren - dem Grunde nach handelt es sich um eine Meinungsäußerung. Daraus die Folgerung zu ziehen, dass die darauffolgenden Wähler einen "Wissensvorsprung" haben und deshalb taktischer wählen können, wäre für diesen konkreten Fall nicht zutreffend. Dies wäre aber anders zu bewerten, wenn Parteien soziale Netzwerke dazu benutzten, ihre Basis durch frühzeitige Wahlprognosen (z.B. Ergebnisse von Nachwahlbefragungen) am Wahltag zu mobilisieren. Zunächst würde ihnen ein Bußgeld nach §32 Abs. 2 BWahlG drohen. Darüber hinaus könnte auch ein Wahlprüfungsverfahren nach Art. 41 GG anstrengt werden. Diese hätte die ordnungsgemäße Durchführung der Wahlen als das maßgebliche Legitimationsverfahren sowie die korrekte Zusammensetzung des Bundestages zu sichern. Dabei muss, auf den konkreten Sachverhalt angewendet, geprüft werden, ob durch die Einwirkung auf die Wählerwillensbildung in erheblichem Maße gegen die Grundsätze der Freiheit und/oder Gleichheit der Wahl verstoßen wurde.

Insofern gibt es mehrere Möglichkeiten, solchen frühzeitigen Veröffentlichungen von Wahlergebnissen auf bestehenden gesetzlichen Grundlagen zu begegnen.

Mit freundlichen Grüßen

Sebastian Blumenthal