Frage an Sebastian Blumenthal von Randolf W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Wie halten Sie es mit dem neuen Meldegesetz, welches von ihrer Fraktion mit durch den Bundestag gewinkt wurde? Was halten Sie davon, das künftig Meldeämter persönliche Daten an Werbetreibende, Adresshändler und Auskunfteien weitergeben und verkauft werden können, ohne dass die betroffenen Personen dies verhindern können?
Sehr geehrter Herr Wallisch,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum beschlossenen Meldegesetz. Die Annahme, das beschlossene Meldegesetz führe zu einer Verschlechterung für die Bürgerinnen und Bürger und würde die Möglichkeiten des Widerspruchs mindern bzw. den Adresshändlern machtlos gegenüberstehen, ist nicht zutreffend. Nachfolgend führe ich dazu Details auf.
Auf Druck der FDP wird es in der Neufassung des Meldegesetzes nun z.B. kein zentrales Melderegister geben, wie es seinerzeit unter CDU/CSU/SPD in der letzten Legislaturperiode vorgesehen war. Die Neuregelung durch ein Bundesgesetz erfolgte als Konsequenz der 2006 beschlossenen Förderalismusreform, wonach die Zuständigkeit von den Ländern auf den Bund übertragen wird und nicht wie medial behauptet auf Druck der Adresshändler oder der Industrie. Die Vorgängerregierungen haben dazu allerdings keine Neuregelung vorgenommen, dies wird nun nachgeholt. In der bisherigen Zuständigkeit der Länder gibt es zudem teilweise unterschiedliche Regelungen zur bisher teilweise geltenden Widerspruchsregelung. Diese war bisher nicht in allen Ländern eingeführt - durch das Bundesgesetz besteht nach Inkrafttreten des Gesetzes bundesweit die Möglichkeit des Widerspruchs gegen die Weitergabe der eigenen Anschrift - insofern nachweisbar eine Verbesserung. Eine Erweiterung der Abfrage oder des Erwerbs von Adressdaten ist nicht Inhalt des Gesetzes, wie oftmals ebenfalls medial behauptet. Der Erwerb von Adressdaten bei den Meldeämtern durch kommerzielle Verwerter kostet derzeit im Durchschnitt ca. 8,- EUR/ Adresse. Bei einigen Dienstleistern werden derartige Services für ca. 1,50 EUR/ Adresse bei Massenabfragen angeboten - dort allerdings auf Grundlage des Bundesdatenschutzgesetzes, nicht auf Grundlage des Melderechts. Das erklärt auch, warum es im Zusammenhang mit der Neuregelung des Melderechts so gut wie keine Kontaktaufnahmen durch die Industrie in Richtung Fraktionen/ Parlament gegeben hat - der Einzelpreis ist im Vergleich zu anderen Abfragemöglichkeiten viel zu hoch für massenhafte und wiederholte Abfragen. Wir Abgeordneten erhalten bei vielen Gesetzesvorhaben Anfragen und Vorschläge von Industrie, Gewerkschaften und Interessenverbänden - im Falle des Melderechts war dies jedoch nicht der Fall. Die im Entwurf des BMI vorgesehene opt-in (Einwilligung) Regelung wurde auf Initiative der CSU gegen die heute bereits gültige opt-out Regel (Widerspruch) im Rahmen der parlamentarischen Beratung ersetzt. Die CSU befürchtet einen Anstieg der Bürokratiekosten für die Kommunen und Gemeinden für den Fall der opt-in Lösung. Für die FDP wäre die opt-in Lösung im Entwurf des BMI in jedem Fall tragbar gewesen, dies war in der Koalition allerdings nicht mehrheitsfähig.
Das sehe ich ebenfalls als Defizit - von einem Kniefall gegenüber der Industrie kann aus meiner Sicht allerdings vor dem Hintergrund der o.g. Punkte keine Rede sein. Sollte es nach einem möglichen Scheitern des Gesetzes im Bundesrat zu einer Neuverhandlung kommen, steht die FDP der opt-in Regelung weiterhin positiv gegenüber.
Ich hoffe, damit Ihre Frage beantwortet und die Position der FDP nachvollziehbar dargestellt zu haben. Für weitere Fragen stehe ich Ihnen auch gerne im Rahmen meiner Bürgersprechstunden in Kiel ergänzend persönlich zur Verfügung.
Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen
Sebastian Blumenthal