Frage an Sebastian Blumenthal von alexander k. bezüglich Wirtschaft
Sehr geehrter Herr Blumenthal,
vielen Dank für Ihre schnelle und ausführliche Antwort vom 6.02.10. In Bezug auf diese hätte ich noch weitere Fragen.
Sie verweisen dort auf einen Wettbewerbsnachteil gegenüber Nachbarländern aufgrund der höheren Mehrwertbesteuerung. Dieser Nachteil würde ja nur ausgeglichen werden, wenn man diese Steuersenkung auch an den Kunden bzw. den Gast weiter geben würde.
In Stichproben u.a. der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) von 600 Hotels ergab nun, dass lediglich 7,4 Prozent die Preise gesenkt haben, dagegen doppelt soviele Hotels die Preise sogar erhöhten.
1. Bestätigen Sie mir meinen Eindruck, dass sich die Mwst-Senkung in der aktuellen Preisgestaltung im Gastgewerbe nicht wieder findet?
2. Wenn sich nun der Trend der Stichprobe (s.o.) über einen längeren Zeitraum und auf eine größe Anzahl an Hotels erstreckt, würden Sie bzw. die FDP die durch die Mwst-Senkung "freigewordenen" Gelder als zweckentfremdet und fehlgeleitet deklarieren und sich in der logischen Konsequenz dann für eine Rücknahme der Mwst-Senkung einsetzen?
3. Sie verwenden in Ihrer Antwort das Wort "Allgemeinwohl" nicht; beziehen sich stattdessen auf programmatische Parteirichtlinien. Könnten Sie mir bitte erneut beschreiben bzw. erklären, wie konkret eine gesenkte Mwst. im Gast- bzw. Hotelgewerbe der Gesamtgesellschaft einen Nutzen bringt!
mit Dank und freundlichem Gruß
Alexander Koch
Sehr geehrter Herr Koch,
bitte finden Sie nachfolgend meine Antworten:
Zu Frage 1
Diesen Eindruck kann ich nicht bestätigen. Die Ausweitung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes ist zum 01.01.2010 in Kraft getreten. Es haben sich bei keiner Steueränderung in der Vergangenheit schon nach weniger als sechs Wochen alle zu erwartenden Effekte eingestellt. Das hat neben einer Vielzahl verhaltenspsychologischer Gründe auch steuerrechtliche und steuertechnische Gründe - v.a. bei der Umsatzsteuer, die ja eine indirekte Steuer ist: Als Unternehmer ist man dazu verpflichtet, allen Kunden die Umsatzsteuer in Rechnung zu stellen und im Rahmen der regelmäßigen Umsatzsteuer-Voranmeldung an das Finanzamt abzuführen. Die Umsatzsteuer wird auf den getätigten Umsatz fällig, also immer dann, wenn ein Unternehmer Waren oder Leistungen verkauft. Für (fast) alle unternehmensbezogenen Einkäufe muss Vorsteuer gezahlt werden. Der Unternehmer muss also mit der Steuerzahlung in Vorleistung treten - er bekommt durch die Ausweitung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes kein Geld ausgezahlt (wie z.B. bei einer Subventionszahlung oder sozialen Transferleistungen). Er muss nachwievor (Steuer-)Gelder ans Finanzamt bezahlen - noch bevor er überhaupt irgendwelche Erlöse eingenommen hat. Im Normalfall gilt bei der Umsatzsteuer immer die so genannte Soll-Besteuerung: Es muss die Umsatzsteuer abgeführt werden, sobald die Rechnung an den Kunden geschickt worden ist und nicht erst dann, wenn er sie bezahlt hat. Der Unterschied bei der Ausweitung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes besteht nun darin, dass ein Unternehmer - so wie auch die Arbeitnehmer und Familien, die durch die Einkommenssteuersenkung (der Hauptbestandteil des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes) entlastet werden - weniger ans Finanzamt zahlen muss als im Vorjahr.
Es gibt aber bereits die ersten Anzeichen, die andeuten, dass die Ausweitung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes sich in der Art wachstumsstimulierend auswirkt, wie wir es bei der Verabschiedung des Wachstumsbeschleunigungsgesetzes angepeilt haben. So kann man jetzt schon folgendes beobachten: Es gibt Hotelketten, die ihre Zimmer-(End-)Preise in der gesamten Breite um 5% gesenkt haben (bei einzelnen Hotels sind es 10%). Andere Hotelbetreiber führen Renovierungs- und Sanierungsmaßnahmen durch, die sie sich vorher nicht leisten konnten. Andere wiederum stellen mehr Personal ein - vor allem Azubis und ehemalige Hartz IV-Bezieher (also solche, die es auf dem Arbeitsmarkt z.Zt. am schwersten haben) - oder sie investieren mehr Geld in Gehaltserhöhungen für die Mitarbeiter. Es profitieren also Gäste - vor allem aber Mitarbeiter und Handwerksbetriebe vor Ort (und deren Mitarbeiter). Es gibt aber auch unbestritten Hotelbetreiber, die bisher keine Weitergabe von Kostenvorteilen und/ oder Investitionen (z.B. Modernisierung) vorgenommen haben . Ich warne hier aber vor einer pauschalen Vorverurteilung, denn es sind bisher nur Ergebnisse von einzelnen Stichproben, wie Sie ja auch selbst schreiben.
Diese Effekte, die sich aus Steuersenkungen ergeben, sind ja auch nichts neues, sondern allgemein bekannt. Die anderen Parteien - sowohl die Unions-Parteien als auch SPD, Grüne und Die Linke haben gleichermaßen eine Ausweitung des ermäßigten Mehrwertsteuersatzes gefordert (wenn Sie in den gängigen Internet-Suchmaschinen suchen, werden Sie auf die entsprechenden Äußerungen stoßen). Dass die Oppositions-Parteien das jetzt verleugnen und stattdessen das Gegenteil fordern, sind die üblichen taktischen Manöver.
Um auch noch auf ein wesentliches Detail bei der reduzierten Umsatzsteuer für die Hotellerie einzugehen: Durch eine Senkung der Umsatzsteuer erhöht sich der Gewinn (bei gleich bleibendem Umsatz). Damit erhöht sich die (gewinnabhängige) Einkommens-, Körperschafts- bzw. Gewerbesteuer. Und da die Gewerbesteuer den Kommunen in vollem Umfang zu Gute kommt (anders als die Umsatzsteuer), ist diese Regelung für die Kommunen sogar vorteilhafter als die vorherige Regelung.
Zu Frage 2
Diese Frage von Ihnen ist in vielerlei Hinsicht problematisch. Wenn Sie im Zusammenhang von Steuern die Begriffe „zweckentfremdet“ oder „fehlgeleitet“ benutzen, dann ist das logisch und rechtlich widersinnig, da Steuern per Definition zweckungebunden sind. Darüber hinaus unterstellen Sie in Ihrer Annahme, dass Steuererhöhungen zwangsläufig zu Mehreinnahmen führen müssen. Dass dem nicht so ist, wird bei der Tabaksteuer offensichtlich - das lässt sich besonders gut vergleichen, da die Tabaksteuer so wie die Umsatzsteuer eine indirekte Steuer ist. Und ich bin nicht der Meinung, dass wir als politisch Verantwortliche den Unternehmen vorschreiben sollten, wie diese ihre Preisgestaltung zu realisieren haben - wir schaffen Anreize und gehen Mißbrauchfällen nach, wenn z.B. gesetzliche Lücken genutzt werden.
Zu Frage 3
Herr Koch, ich gebe Ihnen recht. Auf das Wort „Allgemeinwohl“ habe ich verzichtet, weil ich die abstrakte Idee eines Allgemeinwohls ausdrücklich nicht teile.
Einzelne Menschen - deren Werte und Rechte und individuellen Vorstellungen haben für mich Vorrang. Für uns Liberale steht nicht ein Kollektiv oder eine nicht näher definierte „Allgemeinheit“ im Vordergrund, sondern der einzelne Mensch. Damit unterscheiden wir uns insbesondere von Parteien aus dem linken Spektrum, die ihre politischen Überzeugungen als Grundlage für das „Allgemeinwohl“ halten.
Um auf den konkreten Steueraspekt zurückzukommen, den Sie in Ihrer dritten Frage angesprochen habe - die Antworten habe oben skizziert. Es gibt niemanden, dem wir durch diese Maßnahme geschadet haben. Wir haben aber gleichzeitig für Arbeitnehmer, Handwerksbetriebe (und die dort beschäftigten Mitarbeiter), arbeitslose Menschen und Verbraucher bessere Voraussetzungen geschaffen. Das ist erst ein Anfang und wirkt sich zunächst erst auf Wenige aus. Aber es ist ein Anfang. Und ich denke, es ist auch in Ihrem Sinne, wenn arbeitslose junge Mensch dadurch zu einem Ausbildungsplatz gekommen sind. Ich verbleibe mit freundlichen Grüßen
Sebastian Blumenthal