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Schahina Gambir
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Sascha Michael W. •

ME/CFS gestellter Antrag 20/4886 vom 19.01.2023

Sehr geehrte Frau Gambir,

Meine Frau gehört zu den mindestens 500.000 an ME/CFS erkrankten Menschen in Deutschland.
Der zum Thema ME/CFS gestellte Antrag 20/4886 wurde, wie Sie sicher wissen, am 19.01.2023 im Bundestag diskutiert. Alle Fraktionen waren sich einig, dass dringend etwas passieren muss, um den Erkrankten zu helfen.
Ich würde gern wissen, ob Sie persönlich dem Antrag zustimmen werden? Über eine kurze Rückmeldung würde ich mich freuen.

Vielen Dank und freundliche Grüße
M. W.

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr W.

vielen Dank für Ihre Nachricht und auch für Ihre Geduld. 

Uns erreichen sehr viele Schreiben von Menschen mit ME/CFS-Erkrankung oder deren Angehörigen, die ihre gesundheitliche Verfassung sehr ausführlich schildern sowie ihren Unmut über die unzureichende Versorgungslage äußern. Wir wissen um die großen Einschnitte im Leben sowie die schwierige Lage, in der die ME/CFS-erkrankten Patient*innen und ihre Angehörigen durch ihre Einschränkungen im Alltag und z.T. den dauerhaften Pflegebedarf sind. Zudem ist uns bewusst, dass Sie im Gesundheitssystem vielfach auf Unverständnis treffen, dass Fehldiagnosen gestellt werden oder einzelne Ärzte*innen für Diagnosen teilweise viel privates Geld verlangen, wenn Betroffene bei Ärzte*innen mit Kassenzulassung teilweise über lange Zeiträume keine Termine erhalten.

Sie können sich gewiss sein, dass wir all diese frustrierenden Probleme sehr ernst nehmen und die Thematik nicht erst seit dem CDU/CSU-Antrag einen wichtigen Platz auf der politischen Agenda der Ampel-Fraktionen und insbesondere der Grünen einnimmt. Bereits zu Oppositionszeiten haben wir Grüne uns für die Verbesserung der Versorgungssituation von ME/CFS-Erkrankten eingesetzt (siehe Drucksache 19/12204 vom 7. August 2019, https://dserver.bundestag.de/btd/19/122/1912204.pdf?fbclid=IwAR0wrCUhCpAX8Ilf6k9RfCtPt8CeP2IfkAF67HYDezcb7cMPkjmpzRq6fko).

Nicht zuletzt hat ME/CFS als eines von ganz wenigen Krankheitsbildern erstmals auch explizit Eingang in unseren Koalitionsvertrag gefunden. Dementsprechend haben wir als Ampel-Koalition das Thema auch in vielen Debatten eingebracht. Die inhaltlich zuständige Fachpolitikerin Linda Heitmann hat dazu auch einige persönlich Beiträge verfasst, die Sie unter folgendem Link finden: https://linda-heitmann.de/?s=ME%2FCFS. Auch befassen wir uns fraktionsübergreifend bereits seit Frühjahr 2022 im Rahmen einer Petition damit, welche Verbesserungen seitens der Politik möglich und nötig sind, um die Änderungen zur Versorgung von ME/CFS-Patient*innen im Gesundheitswesen anzustoßen. Die entsprechende Petition ist auch weiterhin „offen“ und es finden kontinuierlich Gespräche der Berichterstatter*innen aller Fraktionen statt, in denen gemeinsam beraten wird, welche politischen Schritte und Beschlüsse wirklich Sinn machen, um Ihnen als Betroffene bestmöglich zu helfen.

Im Koalitionsvertrag haben wir uns auf die Verbesserung der Forschung und der Versorgung verständigt. Auch wenn es keinen Gesetzestext oder Koalitionsantrag gibt, der den Namen „ME/CFS“ trägt, so haben wir als Ampel doch seit Beginn der Legislatur eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um die Forschung und Versorgung gezielt zu verbessern:

  • Zur Forschungsförderung sind Haushaltsmittel in Höhe von 22,5 Millionen Euro für 2022 und 2023 bewilligt und werden bereits bewirtschaftet. Im Vergleich zu anderen Forschungsfeldern gibt es eine hohe Bewilligungsquote von Forschungsanträgen (etwa 1/3 der Summe aller beim BMBF eingegangenen Anträge wurden bewilligt). Dazu gehört beispielweise eine klinische Studie an der Charité Berlin, in deren Rahmen aktuell die Wirksamkeit von vier Gruppen von bereits bekannten Medikamenten für die Behandlung von Patient*innen mit Long-Covid und Chronischem Fatigue Syndrom erforscht wird. Dies ist sehr wichtig, um potenzielle Behandlungsmöglichkeiten auf verschiedene Wirkstoffe auszuweiten. Gleichzeitig gibt es auch Mittel für eine geplante Studie in Erlangen mit dem Medikament BC 007, das bislang in einigen wenigen Heilversuchen bei Long-Covid-Patient*innen erfolgreich getestet wurde. Dass die Uni Erlangen und der Hersteller des Medikaments bisher allerdings keinen Vertrag zur Zusammenarbeit abschließen konnten, weil sie sich über Vertragsdetails nicht einig werden, bedauern wir sehr. Jedoch ist es erfreulich, dass laut den Angaben von Frau Prof. Scheibenboden ein Forschungsnetzwerk sich aufbaut und damit die von der Ampel eingeführte Forschungsförderung Wirkung entfaltet.
  • Ein ganz zentrales Anliegen von uns Grünen ist es, gemeinsam mit den Ampel-Partner*innen die Versorgungssituation durch Spezialambulanzen zu verbessern, damit mehr Menschen schneller eine Diagnose bekommen aufgrund derer sie adäquat behandelt werden können. Dazu wurde nun der Gemeinsame Bundesausschuss, der die inhaltlichen Vorgaben der gesundheitlichen Versorgung macht, per Gesetz beauftragt. Er soll bis Ende dieses Jahres eine Richtlinie für die interdisziplinäre und standardisierte Diagnostik von Long-Covid und ähnliche Krankheitsbildern wie etwa ME/CFS erarbeiten. Gleichzeitig wird dadurch festgelegt, wie den Versicherten ein zeitnaher Zugang zu einem multimodalen Therapieangebot gesichert werden muss. Außerdem wurde eine Telefonhotline für Betroffene eingerichtet, um den Betroffenen einen ersten Anlaufpunkt zu geben und sie über bereits bestehende Versorgungsangebote adäquat zu informieren und zu beraten.
  • Darüber hinaus sind wir bemüht, die politische und wissenschaftliche Diskussion zu diesem Thema anzuregen, um die Erkrankung bekannter zu machen. Zu diesem Zweck haben wir als Ampel und als Grüne Fraktion bereits verschiedene Veranstaltungen organisiert, wie etwa das Fachgespräch vom 6. Juli 2022.

Dieses alles sind sehr wichtige Maßnahmen, die ihre Wirkung teilweise erst mit der Zeit zeigen werden. Denn die Erforschung des Krankheitsbildes und insbesondere die Entwicklung von Medikamenten und Therapiemethoden brauchen eine gewisse Zeit, um zuverlässige Ergebnisse zu liefern. Und auch als Politik können wir leider immer nur verschiedene Stellschrauben in Gesetzesvorhaben, in Haushaltsberatungen oder in unserer Öffentlichkeitsarbeit drehen, aber keine Heilung versprechen.

Obwohl ME/CFS als Erkrankung schon seit 1969 anerkannt ist, haben die CDU/CSU-geführten Vorgängerregierungen diese über 16 Jahre lange ignoriert, obwohl wie Grüne, wie oben erwähnt, die vorherige Regierung nachdrücklich dazu aufgefordert haben, sich dem Thema endlich anzunehmen. Erst seitdem wir als Ampelkoalition die mangelhafte Versorgungs- und Forschungslage auf die politische Agenda gesetzt haben und bereits entscheidende Verbesserungen eingeleitet haben, hat auch die CDU/CSU-Fraktion das Thema für sich entdeckt und bringt immer wieder Anträge ins Parlament ein, die zwar wohlklingende Titel haben, aber keine durch die Politik wirklich erfüllbaren Vorschläge enthalten, die wir nicht bereits in Angriff genommen hätten. Viele der Forderungen in den Unionsanträgen sind entweder bereits eingeleitet worden (siehe oben), sind in Planung oder gehören nicht in unseren Einflussbereich. So kann die Politik beispielsweise weder Curricula für die Fortbildungen von Mediziner*innen selbst festlegen noch kann sie selbst Schwerpunktarztpraxen und -kliniken finanzieren.

Schaufenster-Anträge mit Appellen und Forderungen an Gremien, auf die wir keinen Einfluss haben, bringen uns nicht voran – zielführende fraktionsübergreifende konstruktive Zusammenarbeit aber schon. Daher freue ich mich besonders, dass wir als Ampelfraktionen im Rahmen von Berichterstatter*innengesprächen zu der erwähnten Petition weiterhin in engem Austausch sind, um gemeinsam auszuloten, welcher weiteren zielführenden Maßnahmen es bedarf, damit die Hilfen gezielt bei den Betroffenen auch tatsächlich ankommen.

Wir wünschen Ihnen und Ihrer Frau alles Gute und verbleiben 

mit freundlichen Grüßen

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